Durch den Monat mit Jo Lang (Teil 3): Warum blieben Sie trotz Berufsverbot?

Nr. 28 –

Der Kanton Zug verwehrte ihm einst den Eintritt ins Berufsleben, und dennoch verzichtete Jo Lang auf einen Wegzug. Den Entscheid bereut er bis heute nicht.

«Das war damals eine Sensation: Ein Trotzkist, der Chancen auf einen Sitz im Stadtparlament hatte!»

WOZ: Jo Lang, war das Berufsverbot für einen jungen Bewegten in den frühen Achtzigern auch eine Art Ritterschlag?
Jo Lang: Nein, schliesslich hatte das Berufsverbot für mich eine existenzielle Bedeutung. Viel eher empfand ich die Verurteilung durch die Militärjustiz wegen organisierten Ungehorsams in der RS als Ritterschlag.

Wie wurden Sie mit dem Berufsverbot konfrontiert?
In mehreren Fällen, sowohl in Zug als auch in Zürich. 1980 wollte mich mein Doktorvater Rudolf von Albertini an der Uni Zürich an seinen Lehrstuhl holen. Nach einem Gespräch mit Erziehungsdirektor Alfred Gilgen wurde ihm aber klar, dass ich keine Chance auf eine Anstellung hatte – weil ich bereits als Antimilitarist, Mitglied der neuen Linken und Kritiker des Zuger Rohstoffhandels bekannt war. 1981, nach der Promovierung, bewarb ich mich dann in Zug erfolglos für Stellvertretungen als Lehrer an der Kantonsschule. Einmal sagte mir der Rektor, ein Liberaler: «Ich würde Sie gerne anstellen, aber die Erziehungsdirektion lässt das nicht durch.»

Wurde das Berufsverbot gegen linke Lehrer eigentlich jemals explizit ausgesprochen?
Ich denke, es war damals nirgends so offensichtlich wie im Kanton Zug. FDP-Regierungsrat Andreas Iten sagte an einem Podiumsgespräch 1982 etwa: «Systemveränderer müssen mit Nachteilen rechnen.» Und CVP-Volkswirtschaftsdirektor Antonio Planzer sagte im selben Jahr: «Bei uns gibt es keine roten Lehrer!»

Erst viel später haben Sie eine offizielle Entschuldigung erhalten.
Ja, auf sehr interessante Weise. 1996 enthüllten wir, dass der damalige Kantirektor Jürg Iten der antisemitischen Sekte Universale Kirche angehörte. Kurz darauf fanden wir heraus, dass dieser viele Mitglieder des Vereins zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) angestellt hatte. Nun forderten wir nicht deren Entlassung, sondern dass sie sich gegenüber Eltern und Schülern als VPM-Mitglieder zu erkennen gaben. Gleichzeitig forderten wir eine Abkehr von den Berufsverboten gegen Linke sowie eine Entschuldigung gegenüber den Betroffenen. Darauf distanzierte sich die Regierung von der Berufsverbotspolitik der achtziger Jahre.

Wie sind Sie trotzdem Lehrer geworden?
1981 konnte ich an der Kantonsschule Alpenquai in Luzern eine Stellvertretung machen und dann 1982 direkt an die Baugewerbliche Berufsschule in Zürich wechseln. Die damals städtische Schule bildete eine Art Nische für Berufsverbotsopfer. Ich war ja bei weitem kein Einzelfall: So zogen einige in andere Kantone, andere brachen schon das Studium mangels Perspektiven ab. Auch ich selbst stand damals am Scheideweg, weil mir ein Soziologieprofessor in Augsburg eine Stelle angeboten hatte. Doch ich entschied mich gegen eine akademische Karriere im Ausland.

Warum blieben Sie in Zug?
Im Frühling 1982 zeichneten sich drei wichtige politische Entwicklungen ab. Erstens bestand für mich die Möglichkeit, ins Stadtparlament gewählt zu werden. Das war damals eine Sensation: ein Trotzkist, der Chancen auf einen Sitz im Stadtparlament hatte! Zweitens ahnte ich, dass im Zuger Rohstoffhandel grosses politisches Potenzial liegt. 1983 flogen dann prompt die Steuer- und Südafrikaskandale um Marc Rich auf. Und drittens war auch die GSoA bereits ein Thema. Das alles hat mich zum Bleiben bewogen.

Ein guter Entscheid?
Ja. Alle drei Überlegungen gingen schliesslich auf: Ich kriegte einen Gemeinderatssitz für die Sozialistische Arbeiterpartei. In den folgenden zwei Jahrzehnten wuchs die alternative Linke in der Stadt von 3 auf 21 Prozent. Beim Rohstoffhandel hatten wir praktisch die Deutungshoheit, weil alle anderen zum Thema schwiegen. Und die GSoA wurde vor allem mit der Abstimmung von 1989 über die Abschaffung der Armee eine grosse Geschichte. Ich bereue meinen damaligen Entscheid deshalb nicht.

Sie haben ja gar nie wirklich damit aufgehört, sich als Historiker zu betätigen.
Das stimmt, ich habe auch als Politiker immer über Themen wie die Schweizer Geschichte geschrieben. Bis Mitte der Neunziger vor allem journalistisch, dann aber vermehrt auch wissenschaftlich.

Und jetzt?
Ich habe vor, all jene Bücher zu schreiben, zu denen ich in den vergangenen Jahren nicht gekommen bin. Bis ich die AHV erhalte, werde ich aber auch im nächsten Jahr noch etwa einen Tag im Monat Stellvertretungen an der Schule machen. Ich bin fast ein wenig froh darum, dass ich mich so entwöhnen kann. Daneben werde ich politisch engagiert bleiben, vor allem mit der GSoA. Ich beobachte auch genau, was in der europäischen Linken gegenwärtig so passiert.

Die Proletarisierung wollte Jo Lang nie mitmachen. Dennoch sondierte er als angehender Doktor der Geschichte ein halbes Jahr lang das Terrain für seine Zuger GenossInnen, indem er Automobilzubehör in einer Fabrik anfertigte.