Drittes Geschlecht: Intersexuelle Hoffnung

Nr. 46 –

«Männlich», «weiblich», «inter/divers»: Vergangene Woche hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, dass es künftig möglich sein soll, ein drittes Geschlecht ins Geburtsregister eintragen zu lassen.

Das Urteil ist ein entscheidender Schritt. Es bedeutet die rechtliche Anerkennung von Intersex als Geschlechtskategorie. Es macht deutlich, dass das Geschlecht auch auf körperlicher Ebene diverser ist, als gemeinhin oft angenommen wird. Und es zeigt auf, dass in Deutschland bis zu 100 000 intergeschlechtliche Menschen leben, die sich nicht unbedingt mit den Kategorien «Mann» oder «Frau» identifizieren können – weil sie mit Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, die aus medizinischer Sicht nicht eindeutig männlich oder weiblich sind.

Auch in der Schweiz kommen pro Jahr ein paar Dutzend Kinder zur Welt, die körperlich nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. In Deutschland war es seit 2013 immerhin möglich, den Geschlechtseintrag leer zu lassen. Hierzulande gibt es diese Option nicht. Die Verunsicherung bei dem Thema ist so gross, dass sich etwa der «Tages-Anzeiger» vergangenen Donnerstag mit den Begriffen vertat und der Transgendercommunity zum Urteil gratulierte. Dabei beschränkt sich das Gerichtsurteil auf biologisch-medizinische Aspekte. Transgender oder Queers können sich nicht als drittes Geschlecht eintragen lassen (es sei denn, sie erfüllen medizinische Uneindeutigkeitskriterien).

Das Urteil in Deutschland ist ein so enormer wie überfälliger Schritt, um das Bild von zwei starren Geschlechterkategorien aufzubrechen. In der Schweizer Gesellschaft hingegen bleibt dies vorerst weiterhin fest verankert. Wer nicht ins Schema passt, wird totgeschwiegen oder eben passend gemacht. Anders lassen sich die Operationen im Babyalter nicht erklären, die hierzulande immer noch Praxis sind. Meist wären die Eingriffe medizinisch nicht notwendig. Ein Uno-Bericht von 2016 kritisiert insbesondere den sozialen Druck, der Eltern in der Schweiz zu solchen Operationen verleitet. Andere Studien zeigen auf, dass die betroffenen Menschen manchmal ein Leben lang unter den Folgen des Eingriffs leiden.

Es bleibt zu hoffen, dass die Debatte zu mehr Sensibilisierung gegenüber dem Thema führt. Dass das Urteil die zahlreichen Diskriminierungen im Alltag von intergeschlechtlichen Menschen zu lindern vermag. Dass damit Tabus aufgebrochen und letztlich sexistische Unterdrückungsmechanismen beerdigt werden können. Bis das Geschlecht irgendwann keine so starren Grenzen mehr kennt, dass sich die Menschen hineinpressen lassen müssen.