Durch den Monat mit Brühlmann und Locher (Teil 5): Wer von Ihnen beiden ist Warhol?

Nr. 48 –

Sie sind ein lebendes Experiment: Lisa Brühlmann und Dominik Locher über Brangelina, das Gemetzel in der Küche – und was man tut, wenn sich die Hauptdarstellerin kurz vor dem Dreh verletzt.

«Es wäre sicher Horror, aber wir könnten es uns gut vorstellen»: Dominik Locher und Lisa Brühlmann könnten es am Set besser zusammen als in der Küche.

WOZ: Was war das Wichtigste, was Sie auf der Filmschule gelernt haben?
Dominik Locher: Vertrauen und Selbstvertrauen. Also auch viel Raum für selbstständiges Forschen, Erforschen und Kreieren.

Lisa Brühlmann: Bei mir ist das ähnlich. Natürlich habe ich sehr viel Handwerk gelernt. Aber die Filmschule war vor allem auch ein Ort, wo ich mich als Persönlichkeit entwickeln konnte. Und du hast mich auch inspiriert, Dominik, weil du so frei warst, im Denken und in deinen Stoffen.

Locher: Der Austausch mit den Mitstudierenden ist auch sehr spannend – wenn zum Beispiel alle unter den gleichen Bedingungen einen Kurzfilm realisieren, und jeder schlägt eine andere Richtung ein. Was erzählen sie, was will ich erzählen? So kann man im Vergleich mit den anderen auch seine eigene Stimme als Künstler schärfen, ohne dass man gleich irgendwelche Marktbedürfnisse befriedigen muss.

Also eine geschützte Werkstatt im besten Sinn?
Locher: Diesen Begriff hab ich jetzt extra nicht benutzt. Der ist negativ behaftet.

Was macht Ihnen Angst, wenn Sie am Morgen aufs Set kommen?
Brühlmann: Dinge, die man nicht kontrollieren kann: das Wetter zum Beispiel.

Locher: Ich habe am meisten Angst vor Unfällen. Dass jemandem ein Ast auf den Kopf fallen könnte, wie Ödön von Horváth. Man fühlt sich halt verantwortlich für das Set, ein bisschen wie ein Papa.

Brühlmann: Meine Hauptdarstellerin Luna hat sich ja zwei Tage vor Drehbeginn den Ellbogen gebrochen. Da stürzt erst mal alles in sich zusammen. Aber ich spürte dann schon, dass es nicht ganz so schlimm sein konnte. Und heutzutage wird der Arm auch nicht mehr eingegipst. Wir mussten den Dreh dann ein paar Tage verschieben und den Drehplan so anpassen, dass wir die Szenen, in denen Luna den Ellbogen brauchte, etwas später ansetzten. Wir sorgten uns natürlich, dass die Arbeit ihre Heilung beeinträchtigen könnte. Sie drehte dann also mit gebrochenem Ellbogen. Und wenn man das weiss, sieht man es im Film auch.

Locher: Ich habe auch immer Angst, dass das, was ich am betreffenden Tag mache, nicht gut wird. Ich schlafe schlecht vor Drehtagen, habe Albträume, dass die Szene, die ich drehen soll, überhaupt nicht funktioniert. Aber mit der Zeit ist man dann so müde, dass man sowieso gut schläft. Und um die Ängste auszublenden, höre ich auf dem Weg zum Set immer «Lose Yourself» von Eminem. Danach ist diese Angst wie weggeblasen.

Man sagt, ein Haushalt vertrage nicht zwei Künstler. Wie ist das bei Ihnen?
Locher: Wer sagt denn das?

Volksweisheit!
Locher: Wirklich? Noch nie gehört.

Brühlmann: Wir sind ein lebendes Experiment.

Locher: Ich glaube, das geht sehr gut. Wir sind wie die Factory von Andy Warhol als Familie (lacht). Oder war die berüchtigt für schlimme Sachen?

Da gehen wir jetzt besser nicht ins Detail. Aber wer von Ihnen beiden wäre dann Warhol?
Locher: Niemand von uns ist Andy. Vielleicht passt das nicht als Beispiel. Ist jetzt blöd, dass Brad Pitt und Angelina Jolie sich getrennt haben. Die wären ein gutes Vorbild gewesen.

Brühlmann: Es gibt ja schon auch andere, etwa Samir und Stina Werenfels. Ich glaube, der Schlüssel liegt darin, dass man gegenseitig involviert ist. Das haben wir natürlicherweise gemacht – sonst würde jeder einfach nur für sich arbeiten. Oder einer verdient Geld, damit die andere ihre Kunst machen kann. Vielleicht arbeiten wir härter – weil so eben mehr auf dem Spiel steht. Vielleicht befreit es uns sogar.

Locher: Du hast dir ja auch mal überlegt, Lehrerin zu werden, als zweites Standbein. Ich habe dann versucht, ihr das auszureden, weil ich es einfach sexy finde, dass sie Regisseurin und Künstlerin ist. Ich fand, sie solle jetzt zuerst mal dranbleiben und einen Film machen.

Brühlmann: Ich habe ja ziemlich spät noch angefangen zu studieren. Da überkamen mich manchmal schon auch Existenzängste.

Noch ein Kalenderspruch, vielleicht erfunden: Wer zusammen kochen kann, kann auch zusammen Filme machen. Wie ist das bei Ihnen?
Brühlmann: Ganz lang war es bei uns so, dass ich rausmusste, wenn Dominik am Kochen war. Aber es entwickelt sich langsam.

Locher: Ich glaube, es ist viel einfacher, zusammen Filme zu machen, als zusammen zu kochen. Beim Film steht man auf dem Set einem ganzen Team gegenüber und hält zusammen, in der Küche ist man unter sich, und es ist ein einziges Gemetzel (lacht).

Können Sie sich vorstellen, einmal gemeinsam ein Drehbuch zu schreiben und dann zusammen Regie zu führen? Oder wäre das Horror?
Brühlmann: Es wäre sicher Horror, aber wir könnten es uns gut vorstellen. Das war jetzt ein Witz. Wir haben das schon besprochen, dass wir das gerne einmal machen wollen. Es wäre sicher einen Versuch wert.

Locher: Das Klassische wäre ja, dass ich Regie mache, und sie spielt die Hauptrolle. Und obwohl ich Lisa auch als Schauspielerin liebe, fände ich es momentan viel spannender, zusammen Regie zu führen.

Dominik Lochers Anabolikadrama «Goliath» startet am 30. November im Kino, Lisa Brühlmanns Verwandlungsfantasie «Blue My Mind» läuft weiterhin. Beide sehenswert!