Italienische Rechte: Gelbe Westen, rote Fahnen

Nr. 7 –

Die Regierung in Rom provoziert, wo sie nur kann, die Beziehungen zu Frankreich sind inzwischen schwer beschädigt. Nun bekommen die Populisten Luigi Di Maio und Matteo Salvini im eigenen Land Gegenwind zu spüren.

Eines muss man der italienischen Regierung aus Cinque Stelle und Lega lassen: Die Kunst, durch schrille Tiraden vom eigenen Versagen abzulenken, verstehen die beiden «starken Männer» der Koalition, die Vizepremiers Luigi Di Maio und Matteo Salvini. Angesichts ihrer desaströsen wirtschafts- und sozialpolitischen Bilanz verlegen sie sich dabei vermehrt aufs Feld der Aussenpolitik. Hier lassen sich mit minimalem Aufwand nationale Gefühle schüren und die eigene Relevanz hervorstreichen.

Als Zielscheibe haben sich Salvini und Di Maio Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron ausgewählt: Dessen Nimbus als tatkräftiger Erneuerer ist verblasst, und die Protestbewegung der Gilets jaunes hat ihn in die Defensive gedrängt. Nicht ungeschickt nutzen die italienischen PopulistInnen reale Konflikte für ihre antifranzösische Kampagne. Da ist zum Beispiel die in vierzehn afrikanischen Staaten gebräuchliche, 1945 eingeführte Währung CFA-Franc, die an den Euro gebunden ist. KritikerInnen wie der senegalesische Ökonom Ndongo Samba Sylla sehen darin ein Instrument für «monetären Imperialismus». Di Maio allerdings fügte seiner Kritik an diesem Überbleibsel des französischen Kolonialismus die übliche Klage über afrikanische «Flüchtlingsströme» hinzu. Diese würden von Frankreich bewusst provoziert, um Italien zu schaden.

Böse Breitseiten

Ähnlich äusserte sich wenig später Salvini: Macron habe gar kein Interesse daran, die Situation in Libyen zu stabilisieren, behauptete er. Als Freund des französischen Volkes hoffe Salvini, dass dieses sich spätestens im Mai von seinem sehr schlechten Präsidenten befreie: «Die Wahlen zum Europäischen Parlament bieten dazu die Gelegenheit.»

Den undiplomatischen Breitseiten gegen das Staatsoberhaupt eines befreundeten Landes liegen tiefgehende Interessenkonflikte zugrunde. Als der französische Grenzschutz im Oktober 2018 zwischen Menton und Ventimiglia Geflüchtete nach Italien zurückschickte, verbreitete das italienische Innenministerium davon Videos, die tagelang auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen waren. Auf Twitter warf Salvini Frankreich die «Beleidigung Italiens» vor und versah Macrons Porträt mit dem Wort «Vergogna!» – Schande.

Auch in Libyen, italienische Kolonie von 1934 bis 1943, kommen sich beide Länder immer wieder in die Quere. Noch verfügt dort der italienische Energiekonzern Eni bei der Öl- und Gasförderung über einen Marktanteil von 45 Prozent. Bedrängt wird er vom französischen Total-Konzern, der seinen Anteil von derzeit 10 Prozent deutlich erhöhen will.

Als im Spätherbst die Gilets jaunes Frankreichs Strassen eroberten, witterte wiederum Di Maio die Chance, sich als Freund der Protestbewegung zu profilieren. Auf Facebook rief er die AktivistInnen auf, nicht zurückzuweichen, und bot logistische Hilfe bei der Umwandlung der Bewegung in eine politische Organisation an. Mitte Januar war es dann wieder Salvini, der sich als international erfolgreicher Macher inszenierte. Anlass war die Auslieferung Cesare Battistis von Bolivien nach Italien (siehe WOZ Nr. 4/2019 ). In Polizeiuniform nahm er den ehemaligen Militanten der Proletari Armati per il Comunismo (PAC) persönlich auf dem römischen Flughafen Ciampino in Empfang. Der Auftritt war auch ein Signal an die französische Regierung: Er werde alles tun, um weitere fünfzehn in Frankreich lebende «Terroristen» nach Italien zu holen.

Treffen mit dem «Islamkritiker»

Zunächst hielt sich die französische Seite mit Reaktionen zurück. Das änderte sich, als Di Maio am 5.  Februar zu einem unangekündigten Treffen mit ExponentInnen der Gilets jaunes nach Frankreich reiste, unter ihnen der extrem rechte «Islamkritiker» Christophe Chalençon. Dass es bei diesem Gespräch vor allem um den Sturz Macrons ging, ist anzunehmen. Nun sprach das französische Aussenministerium von einer «inakzeptablen Provokation» und zog seinen Botschafter aus Rom ab. In einer «ernsten Situation ohne Beispiel seit 1945», so die Sprecherin des Ministeriums, sei das die Antwort auf monatelange «unbegründete Angriffe und beleidigende Äusserungen» von italienischer Seite.

Es nützte nichts, dass Di Maio das Treffen zur Privatsache herunterzuspielen versuchte. Auch in Italien wächst die Kritik. Am lautesten war sie in Rom, wo am Samstag rund 200 000 Menschen aus allen Teilen des Landes auf die Strasse gingen. Erstmals seit Juni 2013 hatten die drei grossen Gewerkschaftsbünde CGIL, CISL und UIL zum gemeinsamen Protest gegen die Regierung aufgerufen. Di Maios Geturtel mit den Gilets jaunes schürte noch die Empörung. «Er geht nach Frankreich, aber um mit uns zu sprechen, fehlt ihm der Mut», sagte der neue CGIL-Sekretär Maurizio Landini.

Annamaria Furlan (CISL) attackierte auch den meist unauffälligen Premier Giuseppe Conte für seine allzu zuversichtlichen Wirtschaftsprognosen. «Wie kann er behaupten, 2019 werde ‹wunderschön und unglaublich›?», schimpfte Furlan. Angesichts der Zahlen des staatlichen Statistikinstituts ist Contes Aussage nur als Provokation zu begreifen: Italien rutscht in die Rezession, die Zahl der prekär Beschäftigten und der armen RentnerInnen nimmt zu. Eine politische Richtungsänderung ist auch nach der erfolgreichen Protestdemo nicht in Sicht. Zumindest die Hoffnung ist zurück.