Lina Wertmüller (1928–2021): Heiter und kompromisslos

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Kraftvoll, willensstark, mutig, sentimental und lustig sei Lina Wertmüller gewesen, befand ihre langjährige Freundin, die Sängerin und Schauspielerin Rita Pavone. Wertmüller selbst antwortete auf die Frage, wie sie in jungen Jahren Regieassistentin bei Federico Fellini wurde, kurz und knapp: «Wahrscheinlich fand er mich intelligent.» Schlecht vorbereitete Journalist:innen fertigte sie bei Interviews noch schroffer ab. Denn das «heitere Gemüt», das sie sich selbst attestierte, war nur die eine Seite. Wo es um ihre Arbeit, das Filmemachen, ging, war sie kompromisslos. Ein Angebot, bei einem vom Männermagazin «Penthouse» finanzierten Film Regie zu führen, schlug sie aus, weil sie sich nicht bevormunden lassen wollte: «Danach hatte ich Tränen in den Augen. Im Namen künstlerischer Integrität hatte ich einen Haufen Geld abgelehnt. Aber ich habe es nie bereut.»

So erzählte sie es 2018, anlässlich ihres 90. Geburtstags, in einem Interview des «Corriere della Sera». Ein Jahr später wurde sie mit einem Oscar für ihr Lebenswerk geehrt. Ihren internationalen Durchbruch erlebte sie einst in der Schweiz: Mit ihrem Erstling «I basilischi» (1963) gewann sie in Locarno gleich einen der Hauptpreise. Mit «Pasqualino Settebellezze» («Sieben Schönheiten», 1975) war sie später die erste Frau überhaupt, die bei den Oscars für die beste Regie nominiert war. Der Film, ein politisch ambivalentes Melodram, erzählt vom Neapolitaner Pasqualino, der während des Faschismus einen Zuhälter erschlägt und sich nach Gefängnis und Psychiatrie freiwillig zur Armee meldet, dann aber desertiert. Nach seiner Festnahme überlebt er ein deutsches KZ nur, weil er sich der Kommandantin sexuell unterwirft.

Unmissverständlich ist ihr Drama «Film d’amore e d’anarchia» («Liebe und Anarchie», 1973), das ebenfalls während des Faschismus spielt. Der Bauer und Anarchist Tonino kommt nach Rom, um Mussolini zu töten. Er verliebt sich in einem Bordell, doch als er der Polizei seinen Anschlagsplan gesteht, wird er verhaftet und totgeprügelt. Da sich Attentate auf den Duce häufen, beschliesst die Polizei, Toninos Vorhaben geheim zu halten. Damit ist er gleich doppelt gescheitert: Der Diktator lebt, und auch das Fanal für den Widerstand bleibt aus. Der ermordete Anarchist ist nur einer von vielen namenlosen Antifaschist:innen. Ihnen hat Lina Wertmüller mit ihrem Film ein Denkmal gesetzt.

Am 9. Dezember ist Lina Wertmüller mit 93 Jahren in ihrer Geburtsstadt Rom gestorben.