«Hochparterre»: Wie die Schweiz gebaut werden soll
Eine Aktiengesellschaft mit genossenschaftlichen Grundlagen: Das «Hochparterre» will nach dem Rücktritt von Köbi Gantenbein eine wichtige Stimme in der raumplanerischen Diskussion bleiben.
Der Chef geht von Bord. Auf den 31. Mai ist Köbi Gantenbein von seinen Funktionen als Verleger und Hauptaktionär zurückgetreten. Er hat «Hochparterre», die «Zeitschrift für Architektur, Planung und Design», zusammen mit dem Mitgründer Benedikt Loderer nach innen und nach aussen geprägt. Dreissig Jahre lang hat Gantenbein faktisch das Amt des Chefredaktors ausgeübt; seit 1995 besitzt er auch 51 Prozent des Unternehmens.
«Hochparterre» erschien 1988 zuerst im Imperium der Curti Medien und musste nach Curtis Rückzug 1992 von den Gründern als Aktiengesellschaft neu aufgebaut werden. Als AG ist das Unternehmen kommerziell durchaus erfolgreich. Dabei sind die Arbeitsverhältnisse schon beinahe egalitär: gleicher Grundlohn und gleiche Beteiligung am Unternehmensgewinn für alle, weitgehende Mitsprache, bezahlter Bildungsurlaub. Natürlich, Gantenbein hat der Zeitschrift seinen Stempel aufgedrückt und sich wichtige Entscheidungen vorbehalten. Einen «sozialdemokratischen Patron» nennt er sich selbst.
Die Nach-Gantenbein-Zeit sei seit langem diskutiert worden, sagt Werner Huber, Redaktor und Mitglied der neuen Geschäftsleitung. Als Erstes wurde 2019 das bisherige Einermodell von Chefredaktor und Verleger durch eine dreiköpfige Geschäftsleitung ersetzt. Die hat sich bewährt. Zugleich ist die Mitbestimmung institutionell abgesichert worden.
Quasi basisdemokratische Verfassung
Blieb die Frage der Besitzverhältnisse. Gantenbein und Loderer hatten schon früher vorgeschlagen, die Aktien zu einem tieferen Preis als dem offiziellen Steuerwert zu verkaufen. So konnten 2010 bei Loderers Ausscheiden auch zehn Beschäftigte Aktien erwerben. Jetzt ging es um die 51 Prozent von Gantenbein. Ganz konnte und wollte er nicht auf eine Entschädigung verzichten. Eine Arbeitsgruppe schlug schliesslich ein Konzept vor, das sowohl Gantenbein wie die Belegschaft überzeugt hat. Wiederum haben die Aktionär:innen einem grossen Nachlass auf den Aktienwert zugestimmt. Die Stiftung Mezzanin wurde geschaffen, die neu 51 Prozent des Aktienkapitals hält. Daneben darf es niemanden geben, der oder die mehr als fünf Prozent hält. Neu dürfen sich auch Ehemalige in die AG einkaufen, doch regelt die Stiftung die Aktienzuteilung samt Vorkaufsrecht. Der Aktienbesitz von Beschäftigten wird empfohlen, ist aber nicht Bedingung.
Pekuniär gesehen bekommt die Stiftung von der gut liquiden AG ein Darlehen, um Gantenbeins Aktien zu kaufen. Das Darlehen muss sie mit den Aktiendividenden zurückzahlen, und sie wird das, laut Werner Huber, gemäss dem gegenwärtigen Geschäftsverlauf innerhalb einiger Jahre auch tun können.
So weit die neuen Besitzverhältnisse. Parallel dazu wird die Arbeitsstruktur leicht umgebaut. «Hochparterre» rühmt sich einer quasi basisdemokratischen Verfassung. Jeden Monat findet eine Betriebsversammlung der rund zwanzig Beschäftigten statt, an der nicht nur Details erörtert, sondern auch wichtige Fragen debattiert werden. Die Entscheidungsbefugnisse sind formell festgeschrieben. Grundsätzlich, sagt Werner Huber, bemühe man sich aber um konsensuelle Entscheide.
Wie geht es «Hochparterre» sonst? Danke, gut, sagt Werner Huber. Die Auflage ist ziemlich stabil, bei knapp 7000 Exemplaren. Überwiegend stützt sich die Zeitschrift auf Abonnements; zehnmal im Jahr rund 60 Seiten im Grossformat für 222 Franken. Der Einzelverkauf fällt nur bei spezifischen Nummern ins Gewicht. Gantenbein wie Huber führen den Erfolg auf die gute Akzeptanz in der Bau-, Architektur-, Landschafts- und Kulturszene zurück. «Da ist weiterhin Geld vorhanden, und die Schweiz leistet sich als reiches Land einen entsprechenden Diskurs vorläufig noch», erklärt Gantenbein.
Neben der Zeitschrift verstärken weitere Aktivitäten die «Hochparterre»-Stimme: ein Buchverlag, fast zwanzig Themenhefte jährlich, Diskussionsveranstaltungen, die Zeitschrift «Hochparterre Wettbewerbe», in der Resultate von Architekturwettbewerben diskutiert werden. Mit kleineren Akzentverschiebungen soll das so bleiben.
Einst von der Branche belächelt
Die Stärke der Zeitschrift war immer, dass sie konkrete, präzise Architekturkritik mit grundsätzlichen raumplanerischen, Landschaft gestaltenden, gesellschaftspolitischen Überlegungen verknüpfte. Wie soll die Schweiz gebaut werden, mit welchen Mitteln und wozu? Am Anfang sei man am Katzentischchen gesessen, von der Branche belächelt. Mittlerweile gilt die Stimme von «Hochparterre» etwas. Darauf ist Köbi Gantenbein zu Recht stolz. In Herzensangelegenheiten hat er sich auch politisch engagiert, ohne die Unabhängigkeit der Zeitschrift zu gefährden.
Wie alle Printmedien steht «Hochparterre» unter Druck durch Online. Die Printwerbung hat abgenommen; das kann teilweise ersetzt werden durch Auftragsarbeiten, etwa Publireportagen online und mit Drittmitteln finanzierte Themenhefte, ohne dass die Unabhängigkeit der Zeitschrift damit gefährdet würde. Auch wenn die Einnahmen aus dem Netz steigen, wird «Hochparterre» vorrangig ein Printprodukt bleiben. Im neusten Heft wird auf die journalistischen Qualitäten hingewiesen, die man gegenüber den Onlineplattformen besitze: Mit drei solcher Online-Architekturplattformen hat sich die NZZ-Gruppe gerade ein internationales Portfolio zusammengekauft und nimmt nun eine marktbeherrschende Stellung ein – zumeist allerdings mit bunten Bildern statt Analysen. Dem will sich «Hochparterre» auch in Zukunft entziehen.