Rüstungslobby: Trommelfeuer von links – und kein Kredit für den Autokauf
Ein Swissmem-Vortrag beim Rüstungsgipfel von Guy Parmelin gibt einen vertieften Einblick, wie Lobbying in der Schweiz funktioniert. Eine Power-Point-Besprechung.
Vergangene Woche machte die WOZ publik, welche Rüstungsfirmen nach Bern gepilgert waren, als Wirtschaftsminister Guy Parmelin neulich zum «Runden Tisch der Rüstungsindustrie» geladen hatte. Die Namen der Konzerne teilte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nach einem Öffentlichkeitsgesuch mit. Nun hat es noch eine Power-Point-Präsentation von Swissmem nachgeliefert, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie.
An dieser Stelle soll dieses Dokument etwas ausführlicher gewürdigt werden. Denn es gibt einen vertieften Einblick in einen Bereich der Berner Politik, der ansonsten schwierig auszuleuchten ist: das Lobbying, im Speziellen jenes für die Rüstungsindustrie.
Versammelt waren am Rüstungsstammtisch im «Bernerhof» neben den grössten Schweizer Rüstungsfirmen wie Mowag, Pilatus oder Rheinmetall und SVP-Bundesrat Parmelin auch Vertreter:innen des Verteidigungs- und des Aussendepartements. Für Swissmem, das zeigt nun die Präsentation, trat Stefan Brupbacher in Erscheinung, für die Unterabteilung Swiss ASD – die Abkürzung steht für Aeronautics, Security and Defence – war es Matthias Zoller.
Stefan Brupbacher ist kein Unbekannter: Er war einst Parteisekretär der FDP, dann Generalsekretär beim freisinnigen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Radio SRF widmete ihm damals ein Porträt mit dem Titel «Der Schattenminister». Politiker:innen beschrieben Brupbacher im Beitrag als «ideologischen Hardliner», der den neoliberalen Kurs des Departements bestimme. Selbst Vorstösse im Parlament würden seine Handschrift tragen.
Dramatik in der Idylle
Nach dem Abtritt von Schneider-Ammann im Jahr 2018 fand Brupbacher bei Swissmem einen neuen Posten als Direktor. Auch in dieser Funktion nimmt er weiterhin Einfluss auf die Schweizer Gesetzgebung, wie die Swissmem-Präsentation im «Bernerhof» zeigt.
Sie beginnt mit einem Foto der Patrouille Suisse vor schneebedeckten Bergen. Doch das Bild, das sie vom Zustand der Schweizer Rüstungsindustrie zeichnet, ist alles andere als idyllisch. Die Branche sei zwar das «Rückgrat der Schweizer Sicherheit», betonen Brupbacher und Zoller, doch sie würde gegenüber der Konkurrenz im Ausland benachteiligt. Das betreffe auch eine Vielzahl von KMUs. (Dass praktisch alle im «Bernerhof» anwesenden Firmen ausländischen Konzernen gehören, erwähnen die beiden selbstverständlich nicht.)
Wer aber trägt nun die Schuld an der Benachteiligung? Die Antwort in der Präsentation tönt wie ein Orden für die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA): «30 Jahre Trommelfeuer von links haben Narrativ der wehrhaften Schweiz zerstört.» Die ETH und die Universitäten forschten nicht mehr über Defence-Themen, beklagen Brupbacher und Zoller. Fonds der Kantonalbanken lehnten Firmen ab, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Rüstungsgeschäften erzielten. Und dann auch noch das: «Mitarbeitende von Rüstungsfirmen werden selbst privat – z.B. Kredit für Autokauf – diskriminiert.»
Die dramatische Lage für die Rüstungsfirmen und ihre Angestellten sei zum einen der Linken zu verdanken: «Linke Armeegegner weiterhin gegen Armee.» Doch zum anderen sei auch auf die Rechte kein Verlass mehr: «SVP-Neutralitäts-Initiative mit völkerrechtlich und historisch völlig falschem Neutralitätsbegriff.» Das Fazit der Swissmem-Lobbyisten: «Schweiz selbstverschuldet aussen- und sicherheitspolitisch isoliert. Gefahr Bankgeheimnis 2.0.»
Schleunigst umsetzen!
Wenn jetzt rasch gehandelt werde, sei allerdings ein Ausweg möglich. Dafür müsse bloss die Kriegsmaterialgesetzgebung gelockert werden: Die Motion Burkart sei «asap» – also schleunigst – umzusetzen. FDP-Präsident Thierry Burkart fordert, dass Länder mit einem ähnlichen Exportregime Schweizer Waffen an Drittstaaten weitergeben dürfen. Zum Abschluss ihres Referats plädieren die beiden Swissmem-Männer auch für eine kulturelle Veränderung: «Wertschätzung für Rüstungsindustrie vorleben und einverlangen.» Der Bund müsse die Diskriminierung der Firmen und ihrer Angestellten bekämpfen, sei es als Eigentümer der ETH oder bei Gesprächen mit dem Finanzplatz.
Bleibt die Nachfrage, wie die Präsentation beim zuständigen Bundesrat Parmelin angekommen ist. «Er und die anderen Vertreter der verschiedenen Departemente haben sich interessiert und besorgt über die Situation gezeigt», antwortet die Medienstelle von Swissmem. «Bundesrat Parmelin sieht jedoch das Parlament in der Verantwortung.» Dort zeigt das Lobbying bereits seine Wirkung. Die ständerätliche Sicherheitskommission unterstützte Burkarts Motion letzte Woche leicht verändert.
Zur Zusammenarbeit mit dem Gesetzgeber schreibt Swissmem: «Wir stehen mit verschiedenen Parlamentariern in Kontakt, so auch mit Ständerat Burkart.» Damit niemand auf falsche Gedanken kommt, schiebt der Verband nach: «Die Parlamentarier erarbeiten ihre Vorstösse selbst.»
Mitarbeit: Jan Jirát.