Lehren aus dem Credit-Suisse-Debakel: Von Schuld und Boni

Nr. 14 –

An diesem Dienstag stehen sie – wie so oft – da und protestieren: vor dem Zürcher Hallenstadion, wo bald die letzte Generalversammlung der Credit Suisse beginnt. Es sind Aktivist:innen von Organisationen wie Campax, Break Free oder Debt for Climate, die für weltweite Gerechtigkeit eintreten und die Finanzierung von Kohle-, Öl- und Gasunternehmen durch Banken stoppen wollen. Sie haben ein halbes Schiff mitgebracht und schreiben in einer Medienmitteilung: «Die fossile Krisenbank hat Schiffbruch erlitten» – jetzt brauche es Wiedergutmachung für die Schäden. So habe die Bank etwa mit korrupten Krediten massgeblich zur Schuldenkrise in Moçambique und der Verarmung des Landes beigetragen.

An ihnen vorbei gehen die Kleinaktionär:innen der CS, mehrheitlich pensionierte Männer. Später werden einige von ihnen drinnen in der Halle am Mikrofon Dampf ablassen: die überrissenen Boni der Manager und deren Fehlleistungen anprangern und den schlechten Deal beklagen, der mit der Übernahme der CS durch die UBS ausgehandelt wurde.

Nächste Woche findet in Bern die ausserordentliche Session zum CS-Debakel statt, das den Staat womöglich Milliarden kostet. Auch dort werden die Boni Thema sein, zu Recht. Denn Boni können Manager:innen den Anreiz geben, übertrieben hohe Risiken einzugehen. Doch die Bonidiskussion lenkt auch ab. Sie fokussiert einseitig auf ein klares Feindbild: den gierigen Manager, der versagt hat und abzockt. Politiker:innen von links bis rechts fordern, dass die CS-Topmanager:innen Boni zurückzahlen müssen. Das ist juristisch zwar kaum durchzusetzen, klingt aber gut. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi spricht im Zusammenhang mit den hohen Boni von «amerikanischer Kultur», die mit dem konservativen Schweizer Bankgeschäft eigentlich gar nichts zu tun habe – ein weiteres nützliches Feindbild.

Schon nach der Finanzkrise von 2008 war viel von Boni die Rede. Der Schaffhauser Unternehmer Thomas Minder packte damals die Chance und lancierte die Abzockerinitiative, die 2013 mit 68 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde. Seither muss an der Generalversammlung über die Vergütung des obersten Managements abgestimmt werden. Der Effekt: praktisch null. Doch Minder bescherte seine Initiative nicht nur viel Publizität, seit 2011 sitzt er auch im Ständerat.

Wer über Boni spricht, sollte nicht über eine korrumpierte Gesellschaft schweigen: Die CS verteilte seit der letzten Finanzkrise Hunderte Millionen Franken an Parteien, Medien (in Form von Inseraten), Sportverbände, Theater, Museen und Universitäten. Sie hielt sich mit Roger Federer einen der weltweit beliebtesten Sportler als «Markenbotschafter».

So erkaufte sich die CS Stillhalten und Gewährenlassen. Was sie etwa in Moçambique trieb – so genau wollten das wenige wirklich wissen. Auch nicht die Aktionär:innen. Soll man Mitleid mit ihnen haben? Nein. Sie hätten ihre Papiere längst verkaufen können. Die CS schreibt seit Jahren immer wieder riesige Verluste – und foutiert sich um Erderhitzung und globale Ungleichheit. Und die jetzt gescholtenen Managerboni waren Teil der Wette, die die Aktionär:innen eingegangen sind. Dafür erhielten sie jedes Jahr eine Dividende – und optimistische Worte vom Verwaltungsrat. Auch jene Pensionskassen, die Aktienpakete der CS hielten, sind nicht zu bedauern. Mit dem Kollaps der CS hat ihr behauptetes «Engagement» für bessere Unternehmen ebenfalls Schiffbruch erlitten. Beschäftigte sollten sich künftig stärker darum kümmern, wo ihre Pensionskassen das Ersparte anlegen.

Die CS genoss faktisch Immunität. Auch die Bundesanwaltschaft passte sich an. Lange waren Ermittlungen gegen die Bank tabu. Ging es jedoch um eine angebliche Verletzung des Bankgeheimnisses, waren die staatlichen Ermittler:innen sofort zur Stelle.

Es braucht gerade deshalb eine umfassende Aufklärung dieses Debakels. Wieso haben die Behörden so lange zugeschaut? Das ist die zentrale Frage. Alle Regulierungen, die nun von den Parteien gefordert werden, sind zwar nötig. Aber damit allein ist es nicht getan.