Bern: Zu Aktivist:innen geworden

Nr. 17 –

Illustration: eine ältere Frau und ein älterer Mann

«Wegen des akuten Wohnungsmarktes» sei es nicht zu verantworten, den Mieter:innen aufgrund der Sanierung zu kündigen. Das schrieb die Pensionsvorsorgekasse (PVK) der Stadt Bern den Bewohner:innen der Bahnstrasse 59 und 79 in Bern vor genau dreissig Jahren.

Nun steht die nächste Sanierung an. Die Wohnungsnot ist weiter angewachsen. Doch diesmal haben die Mieter:innen der beiden zwölfstöckigen Hochhäuser die Kündigung erhalten. In zwei Jahren müssen alle draussen sein. «Eine Sauerei» sei das Vorgehen, sagt einer der Mieter. Zusammen mit seiner Frau lebt der bald Achtzigjährige seit über vierzig Jahren hier. «Es geht nur ums Geld», sagt die Frau. 1300 Franken zahlen sie für die Vierzimmerwohnung im obersten Stock. Nach dem Umbau wird diese deutlich teurer sein.

Zusammen mit weiteren Mieter:innen wehrt sich das Paar gegen das Vorgehen. Sie haben Mieterstreckung beantragt. Vor allem wurden sie zu Aktivist:innen: Sie lancierten eine Petition, gingen von Tür zu Tür. Nicht alle trauten sich, die Petition zu unterschreiben. Die Petitionär:innen riefen Redaktionen an. Die Lokalmedien berichteten, später der «Kassensturz» von SRF. Ein anderer Bewohner ging auf Stadtparlamentarier:innen zu. In einer noch hängigen Anfrage stellen diese der Regierung kritische Fragen zur Praxis der Pensionskasse.

Doch PVK-Präsident Michael Aebersold zeigt sich unbeirrt. Man sei «bestrebt, Sanierungen wenn immer möglich im bewohnten Zustand durchzuführen». In diesem Fall sei dies aber «aufgrund des Umfangs der notwendigen Sanierung nicht möglich». SP-Mann Aebersold ist hauptamtlich Stadtberner Finanzdirektor. Als solcher kauft er für die Stadt private Liegenschaften, um den Anteil günstiger Wohnungen zu erhöhen. Wie passt das zusammen? «Bei der Stadt verfolgen wir mit unserer Wohnbaupolitik politische Ziele», während die PVK gesetzlich verpflichtet sei, Rendite zu erwirtschaften, sagt Aebersold.

«Es scheint nicht so, als ob die Pensionskasse sozialverträgliche Alternativen gesucht hätte», sagen die Bewohner:innen der Hochhäuser an der Bahnstrasse. Hoffnung darauf, in ihrem Zuhause bleiben zu dürfen, haben sie kaum noch. Ein Trost aber bleibt: dass der eigene Widerstand dazu beiträgt, anderen Mieter:innen dereinst dasselbe Los zu ersparen.