Medienförderung: Ein Gratisabo für Achtzehnjährige
Nach dem Scheitern des Mediengesetzes ist zwar noch immer kein Plan zur Rettung der Medienvielfalt in Sicht. Doch erste Versuche versprechen Hoffnung für die darbende Branche.
Seit dem Nein der Stimmbevölkerung zum Mediengesetz im Februar 2022 hat sich die Medienkrise noch einmal verschärft. Annähernd gleichzeitig gaben vor kurzem die Konzerne TX Group und CH Media weitere Sparrunden bekannt – und wenige Tage später kündigte Medienminister Albert Rösti einen markanten Abbau bei der SRG an.
Vor allem der lokale und regionale Journalismus steht unter Druck. Wie prekär die Situation ist, zeigt eine Analyse aus dem Jahr 2022 von Stephanie Grubenmann und Konrad Weber im Auftrag der Stiftung Mercator: Seit 2003 sind über siebzig Regionaltitel verschwunden, wurden mit anderen Titeln fusioniert oder in Mantelredaktionen integriert. Der Einbruch der Werbeeinnahmen hat zudem zu einer Unterfinanzierung von Journalismus geführt und die Türen der Verlage für reiche Privatpersonen geöffnet – wie für Christoph Blocher bei der Zeitungshaus AG und der Swiss Regiomedia AG.
Und was macht die Politik? Anfang dieser Woche, zwanzig Monate nach der Abstimmung im Februar 2022, ging eine parlamentarische Initiative in die Vernehmlassung, die Christine Bulliard-Marbach (EVP) unmittelbar nach der Ablehnung des Medienpakets eingereicht hatte. Dabei geht es um eine Erhöhung der indirekten Presseförderung. So soll die postalische Zustellung für sieben Jahre mit weiteren fünfzehn Millionen Franken verbilligt werden. Zudem könnten jährlich dreissig Millionen Franken in die Subventionierung der Frühzustellung fliessen. Davon profitieren würden Lokal- und Regionalzeitungen mit einer Auflage von zwischen 1000 und 40 000 Exemplaren (ausgenommen Titel, die zu einem Kopfblatt mit einer Auflage von über 100 000 gehören, sowie Sonntagszeitungen).
Zwei weitere Restposten aus dem Medienpaket muss die zuständige Kommission im Ständerat erst noch behandeln, bevor auch sie in die Vernehmlassung geschickt werden können: die Erhöhung des Gebührenanteils für private Radio- und Fernsehstationen von bisher vier bis sechs auf neu sechs bis acht Prozent sowie allgemeine Fördermassnahmen zugunsten elektronischer Medien.
Medienfeindliche Deutschschweiz
Der Fokus auf indirekte Förderung ist als Antwort darauf zu verstehen, dass die Gegner:innen der eidgenössischen Vorlage argumentierten, mit einer direkten Förderung würde die Unabhängigkeit der Medien gefährdet. Ursprünglich hatte die Mehrheit der vorberatenden Kommission noch weitere, nicht allzu umstrittene Teile der Vorlage wie die Unterstützung von Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, Nachrichtenagenturen wie Keystone-SDA und IT-Investitionen integrieren wollen. Doch selbst dieses «Mediengesetz light» lehnte der Nationalrat ab.
Nun, da ein Paket auf Bundesebene in weite Ferne rückt, wären die Kantone in der Pflicht. Doch auch auf dieser Ebene scheitern entsprechende Vorstösse vielerorts – in der Deutschschweiz fast durchgehend, zuletzt im Kanton Zürich. Anders sieht es in den Westschweizer Kantonen Genf, Waadt und Freiburg aus – und in Basel-Stadt als einzigem Deutschschweizer Kanton. In all diesen Kantonen wurde auch die eidgenössische Vorlage angenommen.
Am weitesten entwickelt ist die Medienförderung in der Waadt. Hier hat das Parlament bereits vor der eidgenössischen Abstimmung ein Paket beschlossen. Der Kanton investiert über fünf Jahre 6,2 Millionen Franken. Die Förderpalette reicht vom Anzeigenkauf über eine Waadt-Korrespondentenstelle bei Keystone-SDA bis zu Aborabatten für die jüngere Generation. Der Handlungsbedarf bei den Jungen ist besonders gross: So ergab eine Untersuchung des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Universität Zürich, dass im Jahr 2020 rund die Hälfte der 16- bis 29-Jährigen kaum mehr mit journalistischen Inhalten erreicht wurde. Diese Problematik steht auch im Kanton Freiburg im Fokus: So hat der Kantonsrat gegen den Willen der Regierung einen Vorstoss angenommen, wonach jede:r Freiburger:in zum 18. Geburtstag ein Jahr lang kostenlos eine lokale Zeitung nach Wahl erhält.
Demgegenüber spielt man im Kanton Genf mit dem Gedanken, den Ankauf von Sendeplätzen oder Beilagen auszubauen. Noch fragwürdiger in dieser Hinsicht ist das Konzept im Wallis, wo der Kanton bestimmte Themensendungen und Artikelserien finanziert. Bei einer derart direkten Finanzierung von Inhalten stellt sich tatsächlich die Frage: Wie steht es um die Unabhängigkeit des regionalen Journalismus, wenn er auf die Förderung durch die Kantone angewiesen ist?
Journalismus auf dem Land
Klar ist: Um die Medienvielfalt aufrechtzuerhalten und die journalistische Unabhängigkeit auf regionaler Ebene zu retten, bräuchte es einen Effort auf Bundesebene. In der Westschweiz gab es zwar auch schon den Vorschlag für eine überkantonale Förderung nach dem Vorbild der Filmförderung und die Gründung einer von mehreren Kantonen finanzierten Stiftung – entsprechende Vorstösse wurden bislang aber abgelehnt.
Angesichts des klaren Trends zur Onlinemediennutzung wäre insbesondere auch die Finanzierung einer digitalen Infrastruktur dringend – zumal sich gerade im regionalen und lokalen Bereich viele Medienhäuser bislang nur zaghaft mit der Digitalisierung auseinandergesetzt haben. Vielerorts fehlen nach wie vor sinnvolle digitale Tools und Redaktionssysteme. Besonders deutlich zeigt sich das in ländlichen Gebieten, wo die Medienvielfalt viel stärker zurückgegangen ist als in urbanen Gebieten. Verlage in ländlichen Gebieten sind zudem mit einer langsameren Digitalisierung ihrer Kund:innen konfrontiert. So haben ländliche Verlage ein starkes Interesse, ihr Printangebot beizubehalten – sodass, wenn die Printabos wegfallen und keine Digitalabos nachrücken, das Angebot auch für Inserent:innen immer weniger attraktiv wird.
Ausgehend davon, dass ein tragfähiger Kompromiss für eine Medienförderung auf Bundesebene voraussichtlich frühestens 2026 zustande kommen kann, stellt sich die Frage, was in der Übergangsphase getan werden muss. Für den Medienpionier Hansi Voigt, unter anderem Mitgründer von «We.Publish», einem digitalen «Ökoystem für Schweizer Medien», an dem sich regionale Onlinemedien wie «Bajour» (Basel), «Hauptstadt» (Bern) oder «Tsüri» (Zürich) beteiligen, ist klar: Letztlich bräuchte es ein Modell, das über vom Bund oder den Kantonen finanzierte Stiftungen einerseits einen gewissen Betrag der Kosten für das journalistische Personal übernimmt – und andererseits in Infrastrukturen investiert, die von mehreren Medien gemeinsam genutzt werden können. Ein Beispiel dafür, wie das gehen könnte, kommt aus einer Randregion: So will sich der Verlag Il Grigione Italiano mit zwei weiteren italienischsprachigen Verlagen in Graubünden zusammenschliessen, um gemeinsam ein digitales Angebot zu entwickeln.