Klimaschutz und Finanzplatz: Die Banken haben weiterhin nichts zu befürchten

Nr. 17 –

Das neue Klimaschutzgesetz erwähnt explizit auch den Finanzplatz. Doch jetzt zeigt sich: Die Finanzinstitute sollen stillschweigend aus der Pflicht entlassen werden.

Das Klimaschutzgesetz, das die Schweizer Stimmbevölkerung 2023 klar angenommen hat, wäre eigentlich deutlich: Der Finanzplatz Schweiz solle seine Geschäfte klimafreundlich ausrichten, heisst es darin. Auf direktem Weg verursachen die Schweizer Finanzinstitute zwar kaum Emissionen, indirekt sind sie aber für sehr viel CO₂ verantwortlich, da sie in fossile Infrastruktur investieren. Laut einer Studie der Beratungsfirma McKinsey von 2022 liegen sechs- bis neunmal so viel Emissionen im Einflussbereich des Schweizer Finanzplatzes, wie die Schweiz auf ihrem Territorium verursacht.

Das Pariser Klimaabkommen verlangt explizit, die klimaschädlichen Auswirkungen der Finanzindustrie zu verringern. Während in der Schweiz für andere Wirtschaftssektoren bereits seit Jahren Klimaauflagen gelten, wurde der Finanzplatz bis anhin verschont. Derzeit besteht einzig eine Berichterstattungspflicht zur Klimaverträglichkeit der eigenen Geschäfte. Und die Finanzinstitute müssen dabei nicht einmal mit ihrem Namen hinstehen, die Berichterstattung erfolgt anonym.

Das neue Klimaschutzgesetz sollte das ändern. Jetzt zeigt sich aber: Ob der Finanzplatz tatsächlich in die Pflicht genommen wird, ist fraglich.

Begriffsklauberei

Die Umsetzung des Gesetzes soll in der Klimaschutzverordnung (KlV) geregelt werden, die sich derzeit in der Vernehmlassung befindet. Noch bis Ende Monat haben NGOs, Parteien, Kantone und andere Interessengruppen Zeit, Stellung zum Entwurf zu nehmen. Diese Verordnung ist entscheidend. Das Gesetz gibt zwar das Ziel vor, etwa den Finanzplatz klimaverträglich auszurichten – der Weg dahin wird aber in der Verordnung geregelt: Wer muss was bis wann tun? Welche Grenzwerte müssen eingehalten werden? Wer überprüft die Fortschritte bei der Umsetzung des Gesetzes?

Im vorliegenden Entwurf zur Verordnung gibt es einen grossen Abwesenden: den Finanzplatz. Klimaschutzmassnahmen, die diesen betreffen, kommen darin gar nicht vor. Und auch im begleitenden Bericht heisst es lediglich: «Die bestehende gesetzliche Grundlage erlaubt es nicht, in der vorliegenden Verordnung konkrete Massnahmen zur Verminderung der Klimawirkung von Finanzmittelflüssen zu ergreifen.»

Das ist auf den ersten Blick irritierend: Wurde diese Grundlage nicht eben mit dem Ja zum Klimaschutzgesetz geschaffen? «Der Bund sorgt dafür, dass der Schweizer Finanzplatz einen effektiven Beitrag zur emissionsarmen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet», heisst es dort in Artikel 9.

Entscheidend sei eine Begriffsfrage, schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf X. Der Gesetzesartikel «gibt diesen Auftrag dem Bund und nicht dem Bundesrat». Damit der Bundesrat auf Verordnungsstufe aktiv werden könne, müsste man ihm mit einem Gesetz explizit den Auftrag dazu erteilen. «Ein Vorschlag dafür kann vom Parlament oder vom Bundesrat kommen», so das Bafu.

Juristisch ist das nicht falsch. Der Bundesrat verzichtet aber nicht bloss darauf, die Regulierung des Finanzplatzes zu konkretisieren. Sondern – so weit bekannt – auch darauf, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu erarbeiten.

Die Begriffsklauberei betrifft aber ohnehin nur einen Teil des für den Finanzplatz entscheidenden Artikels 9. Dessen zweiter Absatz sieht nämlich vor, dass der Bundesrat mit der Finanzbranche Vereinbarungen zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzflüsse abschliessen kann. Damit steht der Verwaltung ein neues Instrument für die Zusammenarbeit mit dem Finanzplatz betreffend Klima zur Verfügung. Und anders als im ersten Absatz wird hier nicht der Bund, sondern tatsächlich der Bundesrat adressiert.

Doch auch dazu findet sich in der aktuellen Verordnung nichts. Dabei könnte genau hier nicht nur geklärt werden, welches Bundesamt für die Erarbeitung solcher Vereinbarungen zuständig ist, sondern auch aufgelistet werden, was diese Vereinbarungen genau regeln sollen. Ebenso, wie deren Einhaltung kontrolliert wird und bis wann sie ausgearbeitet sein müssen.

Auftrag von der Stimmbevölkerung

Dass trotzdem nicht Klarheit geschaffen wird, liege daran, dass der zweite Absatz von Artikel 9 bereits genügend klar sei, schreibt das Bafu: «Er gibt dem Bundesrat die Kompetenz, mit der Finanzbranche Vereinbarungen abzuschliessen.» Womit die Behörde klarmacht, in welche Richtung die Umsetzung gehen wird: Die Banken haben nichts zu befürchten.

Ob der Bundesrat die neue Kompetenz wirklich nutzen wird – daran bestehen nämlich berechtigte Zweifel. Obwohl die Regierung dazu einen klaren Auftrag erhalten hat, wie Marcel Hänggi sagt, der Initiator der Gletscherinitiative, auf deren Grundlage das Klimaschutzgesetz erarbeitet wurde. Hänggi betont, dass die Stimmbevölkerung sich mit dessen Annahme deutlich für entsprechende Massnahmen im Finanzsektor ausgesprochen habe. Der Wille der Gesetzgebenden sei hinreichend klar: «Sonst hätte man den Artikel 9 auch ganz weglassen können.»

Das wäre dem Bundesrat wohl am liebsten gewesen. Diesen Eindruck hinterlässt jedenfalls sein Umsetzungsplan. «Der Finanzplatzartikel würde mit dem vorliegenden Entwurf der KlV völlig ungenügend umgesetzt», schreibt Patrick Hofstetter, Klimaschutzexperte beim WWF Schweiz. Mit der vorliegenden Verordnung verpasse es der Bund einmal mehr, konkrete Massnahmen und verbindliche Ziele zu benennen, um die durch den Finanzplatz mitfinanzierten Emissionen einzuschränken.

Der neue Strohmann

Das Klimaschutzgesetz und die dazugehörige Verordnung bleiben voraussichtlich nicht nur weitgehend wirkungslos, wenn es um CO₂-Reduktionen geht, die im Einflussbereich des Schweizer Finanzplatzes liegen – sie werden wohl sogar dafür eingesetzt, weitere Regulierungen und Massnahmen zu unterbinden.

Auch die kürzlich abgeschlossene Überarbeitung des CO₂-Gesetzes, das von 2025 bis 2030 gelten wird, sieht keine Klimaschutzmassnahmen für den Finanzplatz vor. Eine linke Minderheit verlangte im Ständerat zwar, den Finanzplatz neu zu jenen Wirtschaftssektoren zu zählen, in denen Klimaschutzmassnahmen ergriffen werden müssen. Aber die Bürgerlichen versenkten die Ergänzung. Eine ihrer Begründungen: Der Finanzplatz würde nun bereits durch die Bestimmungen im Klimaschutzgesetz abgedeckt. Obwohl zu diesem Zeitpunkt der Entwurf für die Klimaschutzverordnung bereits vorlag.

Vor allem Bundesrat Albert Rösti, der als Chef des Umweltdepartements für die Erarbeitung der KlV verantwortlich ist, dürfte bestens informiert gewesen sein, dass der aktuelle Entwurf den Finanzplatz nicht betrifft. «Wenn die Finanzwirtschaft im CO₂-Gesetz nicht erwähnt wird, heisst das nicht, dass sie nicht ihren Beitrag gemäss Klimaschutzgesetz leisten muss», sagte er in der Ratsdebatte trotzdem. Richtig wäre das nur, wenn der Bundesrat seinen Auftrag ernst nehmen würde – und das Klimaschutzgesetz richtig umsetzte.

Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Onlinemagazin «Das Lamm».