Durch den Monat mit Ursula Fuchs-Egli (Teil 3): Braucht es handyfreie Schulen?

Nr. 20 –

Jugendliche seien ihren Smartphones nicht hilflos ausgeliefert, sagt die Basler Psychiaterin Ursula Fuchs-Egli. Regeln würden aber helfen – besonders in Schulen.

Ursula Fuchs-Egli
«Es braucht mehr Reflexion darüber, wann die Kinder angehalten sind, ihr Handy zu benutzen. Was Klassenchats anbelangt: Ich glaube, die sind eine heikle Geschichte»: Ursula Fuchs-Egli

WOZ: Ursula Fuchs-Egli, Sie haben täglich mit der vieldiskutierten Generation Z zu tun. Wie würden Sie diese in drei Worten beschreiben?

Ursula Fuchs-Egli: Was für eine Challenge. Man kann doch nicht eine ganze Generation in eine Schachtel packen!

Haben Sie eine bessere Idee?

Ich würde es gern an den Herausforderungen festmachen, mit denen die Jugendlichen zu mir kommen. Die sind nämlich anders als in der Generation vor ihnen. Und ich rede jetzt von den Jugendlichen hier, in der Schweiz. Global betrachtet unterscheiden sie sich natürlich auch noch mal.

Was führt diese Jugendlichen zu Ihnen?

Die Individualisierung und der Leistungsdruck, der damit einhergeht: Ich muss etwas erreichen, um jemand zu sein. Das höre ich ganz oft. Gleichzeitig hinterfragen die jungen Menschen die gängige Arbeitskultur: Will man wirklich den grössten Teil seines Lebens mit Lohnarbeit verbringen? Woran macht man Lebensqualität fest, und wie kann diese umgesetzt werden?

Ich höre schon die Wirtschaftsverbände nach Luft schnappen.

(Lacht.) Klar. Dieses Hinterfragen wird als Bedrohung angesehen. Dabei weiss man, dass psychisch gesunde Menschen, die gern zur Arbeit gehen, effizientere Arbeitskräfte sind. Andererseits zwingt es uns auch, einmal wirklich hinzusehen: Wollen wir wirklich ständiges Wachstum? Und wenn ja, auf wessen Kosten?

Welche Rolle spielen Zukunftsängste und die Klimakatastrophe bei den Jugendlichen?

In den Therapien wird dies wenig thematisiert. Ich frage mich selbst, wieso. Wahrscheinlich spielen diese Themen eher unterschwellig eine Rolle. Eine Baseline aus Angst oder Verunsicherung sozusagen: Selten punktuell Thema, aber konstant spürbar.

Menschen gehen in Therapie, weil sie etwas lösen möchten. Aber für das Klimadesaster gibt es keine einfache Lösung, besonders nicht als Individuum.

«Lösen» ist ein schwieriger Begriff. Dinge lassen sich nicht einfach lösen. Wir finden einen Umgang damit und darin im besten Fall Zuversicht.

Gar nicht so einfach, wenn sich schreckliche Nachrichten mit nur einem Knopfdruck oder Wisch abrufen lassen.

In meiner Erfahrung sind gerade Jugendliche ihren Smartphones nicht hilflos ausgeliefert. In der Regel merken sie, wenn ihnen etwas nicht guttut. Sie können den Stress benennen, den Nachrichten und soziale Medien auslösen, und löschen Inhalte, die sie nicht möchten. Das Handy liegt ausserdem nie wie bei uns jetzt auf dem Tisch. Die Jugendlichen schalten es ungefragt aus, bevor die Therapie anfängt. Sorgen machen sich eher die Eltern.

Mit welchen Fragen kommen sie zu Ihnen?

Oft geht es darum, wann der richtige Zeitpunkt für ein Handy ist. Da kann ich aber oftmals gar nichts raten. Wenn die Schule einen Klassenchat macht, wo alle wichtigen Dinge besprochen werden, dann braucht die Zehnjährige ein Handy, da führt kein Weg dran vorbei.

In der Schweiz gibt es mittlerweile vermehrt Schulen mit Handyverbot. Was halten Sie von dieser Massnahme?

Finde ich super. Aber es braucht auch mehr Reflexion darüber, wann die Kinder und Jugendlichen angehalten sind, ihr Handy zu benutzen. Gerade was Klassenchats anbelangt: Ich glaube, die sind eine sehr heikle Geschichte. Nicht nur wegen der Inhalte. Von denen habe ich schon einige gesehen, die an Mobbing grenzten, ohne dass die Klassenlehrperson eingegriffen hätte. Aber wenn ein Jugendlicher seine Hausaufgaben nur online abrufen kann, ist die Versuchung gross, noch schnell auf Tiktok was zu schauen oder rasch eine Nachricht zu verschicken. Und schwups, ist man wieder abgelenkt. Da würde es sich lohnen, gezielt solche Anreize zu vermeiden.

Auch schwierig, weil die Lehrpersonen damit wieder mehr Aufwand haben.

Ja. Und man muss sich auch immer fragen, was mehr Schaden anrichtet. Das ist immer die Abwägung, mit der wir konfrontiert sind. Wir können das Ding ja auch nicht verteufeln, es bietet Möglichkeiten, die wir früher nicht hatten. Meine jüngere Tochter zum Beispiel fährt Velorennen, die nicht jedes Mal übertragen werden. Wenn dann einer aus ihrem Team auf Instagram alle zwanzig Minuten ein Update postet, dann schaue ich mir das sehr gerne an. Für so was sind Smartphones super.

Das Teilhaben und das In-Kontakt-Sein sind auch nicht per se das Problem, sondern Apps, die so konzipiert sind, dass man möglichst viel Zeit auf ihnen verbringt.

Da muss man lernen, das System und sich selbst zu überlisten. Merken, dass eine Grenze sinnvoll ist, und die dann für sich setzen. Sich mit solchen Themen zu beschäftigen – was tut mir gut, was weniger, was brauche ich und was nicht? –, ist zwar anstrengend, aber auch eine unglaubliche Chance.

Das erste Handy in Ursula Fuchs-Eglis (58) Familie besass 2002 ihr damaliger Ehemann. Es war ein Ericsson-Klapphandy.