Auf allen Kanälen: Gegen linken Ungeist

Nr. 26 –

Sollte die extreme Rechte in Frankreich an die Macht kommen, droht dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Privatisierung. Ganz so einfach umzusetzen wäre die «Reform» aber nicht.

stilisiertes Foto des Fernsehregie-Raum von France 24

Für den Fall, dass es demnächst an die Macht kommt, hat das rechtsextreme Rassemblement National (RN) die Zerschlagung von Frankreichs öffentlich-rechtlichem Rundfunk angekündigt. Die Grossunternehmen France Télévisions und Radio France sollen privatisiert werden. Ziel ist namentlich, den Fernsehkanälen France 2 und France 5 sowie den Radiosendern France Inter und France Culture ihren angeblichen linken Ungeist auszutreiben. Philippe Ballard, ein ehemaliger Journalist, der nunmehr als rechtsextremer Abgeordneter in der Natio­nalversammlung sitzt, wird nicht müde, die «schleichende Propaganda», die «offenkundige Parteilichkeit» und die «woken Entgleisungen» des Service public zu geisseln. Dieser sei meist das «traurige Abbild einer entwurzelten Kaste, die die Orientierung verloren» habe.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gilt dem RN als das Sprachrohr einer multikulturellen Elite, die vom Lebensalltag der sprichwörtlichen kleinen Leute, ihren vermeintlichen Identitätsproblemen und Überfremdungsängsten keine Ahnung habe. Der Pluralismus, die Diversität der Standpunkte, die sich in besagten Kanälen ausdrücken, widersprechen frontal der rechtsextremen Auffassung von dem «einen» Volk mit dem «einen» Willen. Die Beobachterfunktion und die demokratische Kontrolle, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk ausübt, sind dem autoritären und in vielem antirepublikanischen RN sowieso ein Dorn im Auge.

Viele Hindernisse

Flau und unausgegoren wie alle Projekte der Rechtsextremen, wirft die angedrohte «Reform» etliche Fragen auf. Wird sie gleich morgen oder erst in nebelverhangener Zukunft umgesetzt? Bleiben Arte, France Info, die lokalen Ableger der Regionalsender France 3 und France Bleu im öffentlich-rechtlichen Sektor? Werden die Auslandsdienste France 24 und Radio France internationale eingestellt? Wird das Rundfunkarchiv Institut national de l’audiovisuel dem Nationalarchiv angegliedert? Die Antwort fällt anders aus, je nachdem, wen man beim RN fragt.

Konkret gibt es viele Hindernisse für eine Privatisierung, deren Ausmasse in Europa präzedenzlos wären. Frankreichs «service public audiovisuel» zählt 16 000 Angestellte. Tausende würden wohl entlassen, weitere Tausende sich auf ihr Recht zur Verweigerung der Gefolgschaft aus ethischen Gründen berufen, was mit substanziellen Abfindungen verbunden wäre. Wer könnte die betreffenden Unternehmen überhaupt erwerben? Potenzielle Interessent:innen sind meist schon selbst im Mediengeschäft tätig, viele Kaufgelüste zerschellten so an der Antimonopolgesetzgebung.

Zudem würde die Konkurrenz auf die Barrikaden gehen: Derzeit schaltet France Télévisions von 20 Uhr bis 6 Uhr gar keine Werbung, der Radiosender France Inter höchstens siebzehn Minuten am Tag. Einmal privatisiert, würden sich die heute öffentlich-rechtlichen Kanäle auf den hart umkämpften Werbekuchen stürzen – was die älteren Privatsender völlig destabilisieren würde.

Macrons Vorarbeit

Ferner investiert France Télévisions heute jährlich eine halbe Milliarde Euro in Serien, Spiel- und Dokumentarfilme. Zehntausende von Freiberufler:innen hängen davon ab. Was wird aus ihnen, wenn allfällig privatisierte Sender weniger produzieren und vermehrt Stangenware aus Übersee kaufen? Und ausserdem wacht auch die EU über die öffentlich-rechtliche Medienlandschaft. Seit Mai fordert ein Gesetz den «Zugang der Bürger:innen und Unternehmen zu vielfältigen Inhalten, namentlich zu qualitätvollen Informationen und zu einem unparteiischen und ausgewogenen Medienangebot». Ein Vorstoss, um das Äquivalent der BBC zu privatisieren, stiesse in Brüssel garantiert auf erbitterte Gegenwehr.

Dass das RN in zwei Wochen an die Macht kommt, ist längst nicht sicher. Falls ja, mag es auch eine andere Strategie wählen als die Privatisierung. Polen, Ungarn und Italien haben vorgemacht, wie man unliebsame Rundfunkanstalten durch Neubesetzungen von Chefposten, Umgestaltung der Aufsichtsorgane, reale oder angedrohte Subventionskürzungen auf Linie bringt. Die Autonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist so oder so bereits beschnitten. 2022 hat Präsident Macron die Radio- und Fernsehgebühren abgeschafft: Der «service public audiovisuel» wird nunmehr aus dem Staatsbudget finanziert, was die politische Einflussnahme verstärkt.