Bundesfinanzen: Revanchismus mit Sparhammer
Vielleicht am meisten irritiert an der laufenden Spardebatte die betont gute Stimmung, die ihre Fürsprecher:innen verbreiten. Er sei überzeugt, die Schweiz schaffe das, erklärte Serge Gaillard vergangene Woche feierlich, Kopf jener Arbeitsgruppe, die im Auftrag des Bundesrats fünf Milliarden aus dem Bundeshaushalt streichen will. Der Abriss des eigenen Hauses als Teambuildingevent.
Die gute Laune ist Teil der grossen Verdrehung, die gerade passiert. Was eindeutig schlecht für eine Mehrheit der Bevölkerung ist, soll eine positive, eine lustvolle Angelegenheit sein. Dem Sparplan liege eine Opfersymmetrie zugrunde, wird behauptet; dabei betrifft über ein Drittel der vorgeschlagenen Kürzungen den Sozialbereich. Das Sparen sei alternativlos, erklärt Gaillard, ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, «wir befinden uns in einer Zwangssituation». Dabei gibt es natürlich sehr viele Alternativen – sie passen einfach nicht in die Ideologie hinter dieser Sparpolitik. Was in diesem Sparbericht als Gewissheiten daherkommt, sind letztlich bloss Glaubenssätze.
Gaillard mag ein Buchhalter sein, der die Schweiz als grosse Erfolgsrechnung versteht. Und der nicht zu begreifen vermag, dass hinter staatlichen Leistungen Menschen stehen, die weniger Unterstützung erhalten oder um ihre Chancen betrogen werden. Doch hinter dem ehemaligen Gewerkschafter stehen Kräfte, die genau wissen, was diese Politik anrichtet.
Im Sparen glaubt der Bundesrat – und da zuvorderst FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter –, einen Hebel gefunden zu haben, um die gesellschaftlichen Fortschritte der letzten Jahre zunichtezumachen – und um gleichzeitig die Schweiz nach eigenen Vorstellungen umzubauen. Bei der AHV oder im Klimaschutz will man sogar Volksentscheide unterlaufen. Gleichzeitig soll die Armee eine beispiellose Aufrüstung erfahren, obwohl es dazu bis heute keine einzige Volksabstimmung gibt. Abermilliarden für schweres Metall und Schiesspulver, währenddessen die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit und die Beteiligung an internationalen Organisationen zusammengestrichen werden.
Rechter Revanchismus ist überall am Werk. Bei der Energiewende etwa, die eigentlich auf gutem Weg ist. Selbst Atomkraftwerke, aus der Zeit gefallene Milliardengräber, stehen wieder auf der Agenda. Geld für Wärmepumpen und dichte Fenster ist angeblich keines mehr da, aber für die Atomkraft ist die Kasse voll. Bei den Gesundheitskosten wehrt sich der Bundesrat mit aller Kraft gegen weitergehende Prämienverbilligungen – und will dafür nun auch noch die Mindestfranchise erhöhen, wie er gerade bekannt gegeben hat. Das trifft vor allem chronisch Kranke und Menschen, die auf Prämienverbilligungen angewiesen sind. Sie müssen künftig für Behandlungen mehr selber bezahlen. Auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Finanzierung der 13. AHV-Rente über die Erhöhung der Mehrwertsteuer passt ins Muster. Statt über Lohnprozente Spitzenverdiener:innen stärker zu belasten, landen die Lasten jetzt bei jenen, die künftig mehr für WC-Papier und Windeln bezahlen müssen.
Im Sparprogramm und darüber hinaus steckt eine fast maliziöse Politik, die treffsicher die Bürden bei jenen ablädt, die eh schon kaum über die Runden kommen. Und die jene schont, die Millionen und Milliarden bunkern. Der Staat – das Gemeinwesen –, der während der Pandemie und seither eine Aufwertung erfahren hat, soll wieder zurückgestutzt werden: zum Gerüst für den Aufbau grosser Vermögen.
Die Schweiz, so scheint dieser Tage, wird wieder zu ihrem Zerrbild. Sie zieht sich aus ihren internationalen Verpflichtungen zurück. Igelt sich waffenstarrend ein. Schützt die Interessen der Reichen und der Konzerne, baut die sozialen Sicherungsnetze und die Strukturen einer gerechteren Gesellschaft ab. Das Sparprogramm ist kein kollektiver Kraftakt, bei dem alle am selben Strick ziehen müssen. Es ist die Auseinandersetzung zweier Zukunftsmodelle: eines für eine optimistische, solidarische Schweiz und eines für eine angsterfüllte, egoistische – überholte – Schweiz.