Chancen des Sparplans: Es wird viele Referenden brauchen
Für viele Teile des Sparpakets werde sich keine Mehrheit finden lassen, heisst es. Warum wird es dann vom Bundesrat vorangetrieben?
Erst war da der «Expertenbericht», dann kamen die runden Tische. Das vom Bundesrat vorangetriebene Sparpaket ist ein Lehrstück in Politikinszenierung. Zunächst wurde vorgegaukelt, dass da eine Art höhere Vernunft am Werk ist – und nun, dass der Abbau im breiten Dialog erarbeitet wird.
Konstruktiv seien die Gespräche übers Sparprogramm mit den Parteien, den Sozialpartnern und den Kantonen verlaufen, erklärte FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter nach den runden Tischen. Angenehm sei die Atmosphäre gewesen, meinte CVP-Verteidigungsministerin Viola Amherd anfügen zu müssen, übers ganze Gesicht strahlend. Warum Amherd so gute Laune hat, ist schnell erklärt. Im Sozialen, in der Klimapolitik, in der Bildung und in der internationalen Zusammenarbeit sollen Milliarden gestrichen werden, damit die Armee eine beispiellose Aufrüstung vollziehen kann. Was inhaltlich besprochen wurde, so die beiden Bundesrätinnen, könnten sie leider nicht verraten: Alles streng vertraulich.
Widerstand der Kantone
Das Theater wird bald zu Ende sein. Irgendwann wird das Sparprogramm dort verhandelt, wo es hingehört: im Parlament und vor allem an der Urne. Wie viel danach davon übrig geblieben sein wird, ist die grosse offene Frage. Der Tenor in den Medien: Vieles ist chancenlos. Denn der Widerstand der Kantone gegen verlangte Lastenverschiebungen ist erheblich. Im Bildungs- oder im Verkehrsbereich etwa stehen stabile Allianzen dagegen. Und nicht zuletzt befindet sich eine Mehrheit der Bevölkerung an einem ganz anderen Punkt als die rechte Mehrheit in Parlament und Bundesrat; das haben viele Abstimmungen der letzten Jahre gezeigt.
Samira Marti, SP-Fraktionschefin im Nationalrat, zeigt sich irritiert. «Ein Angriff auf die soziale Schweiz» sei dieses Sparpaket, sagt sie, ein Pflichtakt innerhalb der neoliberalen Dialektik. «Die Rechten müssen zuerst versuchen, alle Probleme über Ausgabenkürzungen zu lösen. Erst wenn sie damit an die Wand fahren, sind sie bereit, über neue Einnahmen zu diskutieren.» Auch Marti glaubt, dass die allermeisten Sparideen chancenlos sind, vor allem dort, wo es Gesetzesänderungen bräuchte – sodass am Schluss nur dort gekürzt wird, wo keine Referenden möglich sind: bei der internationalen Zusammenarbeit etwa, der vom Bundesrat schon viele Mittel für die Ukrainehilfe entzogen wurden.
Auch Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travail Suisse, war Anfang Woche im Bundeshaus, aufgeboten zum runden Tisch mit den Sozialpartnern. Sein Eindruck: «Ich gehe davon aus, dass die Gespräche inhaltlich nicht so viel am Sparplan ändern.» Er habe vorgeschlagen, auf aufgabenseitige Kürzungen zu verzichten, etwa bei der Weiterbildung oder den Überbrückungsrenten für ältere Arbeitslose. Vor allem habe er versucht, Keller-Sutter davon zu überzeugen, dass es wenn schon auf der Einnahmenseite Massnahmen brauche: die Erhöhung der Grundstückgewinnsteuer etwa, die von der Expert:innengruppe selber ins Spiel gebracht wurde und mit der sich als Nebeneffekt auch die Bodenspekulation bremsen liesse. «Doch auf der Arbeitgeberseite besteht dazu gar keine Bereitschaft, wie die Reaktion des Gewerbeverbands zeigt.»
So deutet alles auf eine harte politische Auseinandersetzung hin. Noch nicht offengelegt hat Finanzministerin Keller-Sutter, wie sie die Sparvorlage konstruiert – als umfassenden Mantelerlass oder aufgesplittert in viele einzelne Vorlagen? Die zweite Variante wäre schwieriger zu bekämpfen.
Angriff auf sozialen Zusammenhalt
Damit besteht das Risiko, dass am Schluss viele Kürzungen durchrutschen. Lisa Mazzone, Präsidentin der Grünen, befürchtet, dass der Bildungsbereich, die Sozialwerke, die Kultur, das Asylwesen, der Klimaschutz und die internationale Zusammenarbeit besonders leiden werden: «Es ist ein gefährliches Programm für den sozialen Zusammenhalt und die Zukunft der Schweiz.» Ein Programm, in dem die ganze Rücksichtslosigkeit dieser Regierung zum Ausdruck komme. «Der Bundesrat ist noch ideologischer unterwegs und rollt bereits verlorene Kämpfe neu auf», sagt sie und verweist auf die vielen Volksentscheide, die mit dem Sparpaket unterlaufen würden, etwa in der Klimapolitik. Ihre Prognose: «Wir werden viele Referenden machen müssen, um diese hemmungslose Politik zu stoppen.»