Autobahnausbau: Wie schön es hier sein könnte
Der Bundesrat will 4,6 Milliarden Franken sparen. Der Autobahnausbau, über den wir am 24. November abstimmen, kostet 5,3 Milliarden. Es gibt also einen sehr einfachen Weg, das Sparziel zu erreichen – ohne bei Kitas und Prämienverbilligungen zu geizen. Ohne dass jemand zu Schaden kommt.
Nicht nur wegen der hohen Kosten ist der geplante Ausbau absurd. Es geht um Projekte in fünf Regionen: alle in oder vor den Toren von Städten, die heute schon unter dem Autoverkehr leiden.
- Am Grauholz bei Bern soll die A1 auf acht Spuren ausgebaut werden – eine Premiere in der Schweiz. Die betroffenen Gemeinden und Landwirte sind dagegen, ebenso die Stadt Bern. Weitere zehn Kilometer Richtung Zürich sind sechsspurig geplant.
- In Basel erhöht der geplante Rheintunnel die Kapazitäten für den Transitverkehr. Das widerspricht Basels Ziel, bis 2037 klimaneutral zu werden. Die Baustelle besetzt zehn Jahre lang die Dreirosenanlage, den einzigen Grünraum im Matthäusquartier, und er wird dauerhaft verkleinert.
- In St. Gallen soll ein neuer Tunnel, der vor allem dem Steuerparadies Teufen AR dient, die Autos mitten im Zentrum ausspucken – auf dem letzten grossen Entwicklungsgebiet der Stadt. Das Stadtparlament hat sich gegen das Projekt ausgesprochen.
- In Schaffhausen führt die Verschiebung eines Autobahnanschlusses zu starkem Mehrverkehr in Quartieren. Das gibt sogar das Bundesamt für Strassen zu. Auch hier lehnt das Stadtparlament das Projekt ab.
- Als Zückerchen für die Romandie hat das Parlament den Ausbau zwischen Genf und Nyon ins Paket integriert, obwohl er gar nicht fertig geplant ist. Er frisst wertvolles Kulturland, führt zu Mehrverkehr und gefährdet den – wenn schon viel sinnvolleren – Ausbau der Bahnlinie.
- Das ist erst der Anfang: Bundesrat und Parlament befürworten einen Vorstoss des Berner SVP-Nationalrats Erich Hess, die Autobahn A1 zwischen Zürich und Bern und zwischen Lausanne und Genf auf «mindestens» sechs Spuren auszubauen. Insgesamt sind Autobahnbauten über 34 Milliarden Franken (!) in der Pipeline – das passt zum 2023 angenommenen Klimaschutzgesetz wie die Faust aufs Auge.
Am Sonntag ist die Biodiversitätsinitiative mit 63 Prozent Nein deutlich gescheitert. Das lag an der Angstkampagne der Gegner:innen, aber wohl auch daran, dass das Thema für viele abstrakt blieb. Dabei wäre für die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ein Ja aus Eigennutz angebracht gewesen: Biodiversität macht das Leben besser und schöner. Dem Körper und der Psyche tut der Aufenthalt in naturnahen Grünräumen gut – dazu gibt es unzählige Studien. Die meisten merken es auch selber: Flüsse, die noch frei fliessen können wie die Sense oder renaturiert sind wie Teile der Aare und der Thur, ziehen viel mehr Menschen an als kanalisierte Gewässer. Vielfältige Landschaften, saubere Luft und Schutz vor Lärm sind Grundbedürfnisse, kein Luxus.
Die Stadtklima-Initiativen von Umverkehr haben in vielen Städten Erfolg, weil sie anregen, sich einen besseren, schöneren Stadtraum vorzustellen: mehr Bäume, weniger Fahrspuren, Platz für Velos und Fussgänger:innen, Vogelgezwitscher statt dröhnender Motoren.
In welchem Raum wollen wir leben? Auch die Autobahnabstimmung im November stellt diese Frage. Sie stellt sie nicht in den Innenstädten, wo die meisten Linken wohnen, sondern draussen, in der Agglo, die ohnehin als verschandelt gilt. Aber auch für diese Räume tragen wir Verantwortung – und der Verkehr, der dort generiert wird, kommt in die Innenstädte zurück. In allen Regionen, die vom Autobahnausbau betroffen sind, vernetzen sich die Gegner:innen.
In der Wintersession 2023 warb Bundesrat Albert Rösti mit eindringlichen Worten für den Sechsspurausbau, die Motion seines Parteikollegen Hess: «Stellen Sie sich vor, wo wir heute wären, hätte man damals nicht dieses Autobahnnetz geplant!»
Ja, stellen wir uns das vor. Um uns zu erinnern, wie schön es hier sein könnte.