Budgetdebatte: Munition statt Prävention
Endlich kommt es zum Showdown. Seit Monaten sorgt die Debatte über das Bundesbudget für erhitzte Gemüter und volle Kommentarspalten. In der nun angelaufenen letzten Session des Jahres soll das Parlament klären, wie die Verteilung von rund 86 Milliarden Franken Steuergeldern im nächsten Jahr aussehen soll. Oft bleibt diese Debatte abstrakt und kompliziert, es geht um Zahlen und um Begriffe wie «Bruttonationaleinkommen» oder «gebundene Ausgaben». Und über allem thront die «beste Freundin» unserer FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter: die Schuldenbremse, die ein Bundesbudget ohne Defizit vorschreibt.
Für Klarheit sorgen die zwei wichtigsten Fragen: Wer profitiert? Und wer kommt unter die Räder?
Die Antwort auf die erste Frage ist erschreckend einfach und grundsätzlich erschreckend. Grosse Profiteurin wird die Armee sein. Diese soll in den kommenden vier Jahren rund 30 Milliarden Franken erhalten, so will es das bürgerlich und männlich dominierte Parlament. Das sind über 8 Milliarden Franken mehr als in der Vierjahresperiode zuvor. Geld, das unweigerlich – hallo, Schuldenbremse! – in anderen Bereichen fehlt. Geld, für dessen effiziente Verwendung die Armee bis jetzt kein schlüssiges Konzept vorlegen konnte (siehe WOZ Nr. 23/24).
Die milliardenschwere Aufrüstung soll über Kürzungen im Asylbereich von bis zu 185 Millionen Franken jährlich und durch Einsparungen bei der Bundesverwaltung finanziert werden. Vorgesehen sind auch Kürzungen bei der Kinderbetreuung und diversen Präventionsprogrammen. Am einschneidendsten sind die geplanten Konsequenzen aber bei der internationalen Zusammenarbeit (IZA). Am Mittwoch hat der Nationalrat entschieden, den Bundesbeitrag um 250 Millionen Franken zu kürzen, was knapp neun Prozent des gesamten IZA-Budgets entspricht. Nun kommt das Geschäft in den Ständerat.
Dabei ist die IZA bereits zuvor erheblich geschwächt worden. Im April hat der Bundesrat entschieden, den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine zumindest für die nächsten vier Jahre gänzlich aus dem IZA-Budget zu finanzieren. Konkret geht es um 1,5 Milliarden Franken. So richtig ein Schweizer Ukraineprogramm ist, so falsch ist es, dies auf Kosten von IZA-Programmen im Globalen Süden zu realisieren. Geradezu skandalös ist dabei die geplante Verwendung eines Drittels dieser IZA-Gelder, also 500 Millionen Franken: Sie sollen zur «besseren Einbindung des schweizerischen Privatsektors in der Ukraine» aufgewendet werden.
Noch in der Sommersession stimmte die kleine Kammer einem Vorschlag von Benjamin Mühlemann (FDP) zu, der vorsah, der IZA in den kommenden vier Jahren zwei Milliarden zu streichen – und damit die Armee zu finanzieren. «Es laufen bestimmt wichtige Projekte, aber es laufen auch solche, die man an Effektivität kritisch hinterfragen darf», meinte der Glarner Ständerat dazu – und freilich, ohne die Effizienzfrage auch in Bezug auf die Armee zu stellen. Erst letzte Woche wurde publik, dass ein 314-Millionen-Projekt zur Luftraumüberwachung wohl kaum noch zu retten ist.
Die Eidgenössische Finanzverwaltung verfasste daraufhin einen Bericht, der die Konsequenzen eines solchen Kahlschlags klar und präzis beschreibt: Die IZA sei Teil einer umfassenden Sicherheitspolitik, die über Investitionen in Bildung, Landwirtschaft, Gesundheit und Friedensförderung bei der Prävention von Konflikten und Flucht ansetze: «Eine substantielle Kürzung dieses Beitrags an die globale Sicherheit würde gerade in heutigen Krisenzeiten destabilisierend wirken und die humanitäre Tradition der Schweiz in Frage stellen.»
Das wirkte offenbar. Im November schlug die ständerätliche Finanzkommission Kürzungen bei der IZA von jährlich noch 30 Millionen Franken vor – im Vergleich zu den 250 Millionen Franken der nationalrätlichen Kommission. Erst am Ende der Session wird feststehen, wie hoch die Kürzung ausfallen wird. Klar ist: Zu gewinnen gibt es nichts. Dabei wäre angesichts der humanitären Lage in vielen Teilen der Welt eigentlich eine Debatte zur Erhöhung des IZA-Budgets angebracht.