Aufrüstung: Eine Firewall um den Ständerat

Nr. 23 –

Die kreative Energie im Ständerat, wenn es darum geht, bereits schlechte Politik in katastrophale Politik zu verwandeln, ist beträchtlich. Schlecht ist das Aufrüstungspaket der Armee, Preisschild des Bundesrats: zwanzig Milliarden Franken bis 2035. Noch schlechter ist der neuste Vorschlag des Ständerats von Anfang Woche, vier Milliarden obendrauf zu packen. Und völlig gedankenlos der gleichzeitig verabschiedete Plan, wo dieses Geld herkommen soll, nämlich zur Hälfte aus dem Budget der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (IZA).

Die Armee habe in den letzten Jahrzehnten stark zurückstecken müssen, während bei der IZA die Ausgaben enorm gestiegen seien, behauptete der Urheber dieses perfiden Sparplans, der Glarner FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann. «Der Zusammenhang ist eigentlich offensichtlich.» Doch offensichtlich ist etwas anderes: dass Mühlemann und Konsorten aus ideologischen Gründen bereit sind, enorme Schäden an der Aussen- und letztlich der Sicherheitspolitik der Schweiz zu verursachen. Anders als neue Haubitzen fördern die Gelder für den Globalen Süden die Stabilisierung brüchiger Gesellschaften und wirken so Krisen und Fluchtbewegungen entgegen.

Die vorherrschende Meinung in der Bevölkerung dazu ist übrigens, dass sich die Schweiz international stärker engagieren sollte. Die ETH hat im Herbst in einer repräsentativen Umfrage erhoben, dass 58 Prozent mehr Geld für die IZA wollen – und nur 26 Prozent mehr Mittel für die Armee. Doch das sind Zahlen einer Aussenwelt, die in den Berner Kammerspielen kaum mehr Niederschlag findet.

Denn dort ist die bürgerliche Mehrheit eifrig damit beschäftigt, ihre beiden sich eigentlich widersprechenden derzeitigen Leitziele zusammenzuführen: die Aufrüstung und die Austerität.

Für SP und Grüne war dieser Zielkonflikt zunächst hoffnungsstiftend. Wenn die Aufrüstung schon nicht verhindert werden könne, so hoffte die Linke, böte sich nun wenigstens eine Chance, die rabiate Sparpolitik aufweichen zu können, die Finanzministerin Karin Keller-Sutter für die nächsten Jahre angekündigt hat. Dieser Hoffnung entsprang der sogenannte Fünfzehn-Milliarden-Deal: ein Spezialfonds mit zehn Milliarden Franken für die Armee und fünf Milliarden Franken Ukrainehilfe, die nicht dem IZA-Budget hätten angelastet werden sollen. Ausgehandelt hatten ihn Ständerät:innen von Mitte und SP, unterstützt wurde er später auch von den Grünen. Verlockend für Links: Der Fonds hätte nicht der Schuldenbremse unterstanden.

Doch der Plan ist krachend gescheitert. Und zwar einmal mehr an jener Mehrzahl der konservativen Mitte-Ständerät:innen, die in Bern regelmässig gegen ihre eigene Parteispitze agieren – und die keinerlei Bereitschaft zeigten, die von rechts fast kultisch verehrte Schuldenbremse auch nur ein wenig infrage zu stellen. Hinter Mühlemanns Antrag können sich nun Sparfüchse und klassische Stahlhelme wie SVP-Ständerat Werner Salzmann versammeln, der zuletzt noch von einer Wehranleihe wie im Jahr 1936 schwadronierte, um die vielen Waffen kaufen zu können.

Dass auf die Mitte kein Verlass ist, war absehbar – dass sich die Linke trotzdem auf die Liaison eingelassen hat, ein Fehler. SP und Grüne müssen sich nun vorhalten lassen, die gewaltige Aufrüstung der Armee grundsätzlich zu unterstützen. Was in der Debatte im Ständerat bereits geschah.

Auch was die Schuldenbremse betrifft, ist die Linke in die Falle getappt. Zwar muss eine Auflockerung ihr Ziel sein, denn die Bremse hebelt die politische Willensbildung des Parlaments aus. Doch der locker abgewehrte Angriff darauf stärkt die Kräfte, die eine strenge Austerität durchsetzen wollen. Der Thurgauer SVP-Ständerat Jakob Stark kündigt bereits ein «finanzpolitisches Seminar» an, um mit seinen Kolleg:innen «eine Firewall» um die Schuldenbremse hochzuziehen. Viel dringender wäre ein Seminar dazu, wie eine Firewall gegen einen bürgerlichen Ständerat gebaut werden kann, dem kein Opfer zu gross ist, um seine Ideologie durchzusetzen.