Das System: Aus Geld mehr Geld

Nr. 15 –

Niemand repräsentiert den Kapitalismus so schön wie Donald Trump. Und noch nie war der Klimastreik so gerechtfertigt.

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Im reichen Oberengadin bleibt das Risiko, an Hitze zu sterben, auch in den nächsten Jahrzehnten vernachlässigbar. Das zeigte eine Klimakarte der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), die letzte Woche Resultate ihrer Extremwetterforschung vorstellte.

In die Medien schaffte es das Forschungsprogramm «Extremes» nicht – das Klima bekommt gerade nicht so viel Aufmerksamkeit. Obwohl es trocken ist in Europa: Am Bodensee liegen die Boote auf Sand, in Deutschland ist im März nur ein Fünftel des üblichen Regens gefallen. Polen, Belarus und Teile der Ukraine stehen kurz vor der Dürre.

Global ist es im Schnitt 1,3 Grad, in der Schweiz sogar schon 2,9 Grad wärmer als Ende des 19. Jahrhunderts. Im Sommer 2023 gab es in der Schweiz 542 Hitzetote; die Übersterblichkeit in den heissesten Wochen zeigt den Effekt deutlich. So weit einige beunruhigende Fakten aus einer der privilegiertesten Regionen der Welt – die als Ganzes von der globalen Ungleichheit profitiert, aber im Innern doch auch ein paar Klassenfragen mit sich herumträgt. Siehe Oberengadin.

Das Label «Klimakrise» passt nicht, um über die heftigen Veränderungen zu sprechen, die der Planet und seine Bewohner:innen durchmachen. Es geht um etwas viel Umfassenderes. Die Klimagerechtigkeitsbewegung erkannte das früh: Die Ursache liegt in einem Wirtschaftssystem, das die eigenen Grundlagen untergräbt. Doch es war schon an den ersten grossen Klimademos vor über sechs Jahren klar, dass die breite Bevölkerung der Analyse nicht folgen würde – auch wenn viele Menschen intuitiv spüren, dass sie stimmt. Zu sehr beschwören viele Medien und Politiker:innen das Gespenst des Extremismus herauf, wenn sich jemand kapitalismuskritisch äussert.

Wie kommen wir aus diesem irrationalen Wirtschaftssystem wieder raus? An dieser Frage zerbrechen sich Linke, die nicht an den «Umsturz» als einfache Lösung glauben, seit Jahrzehnten den Kopf. Der Kapitalismus braucht Wachstum zum Funktionieren; ein Übergang zu einer Wirtschaft ohne Wachstum wäre mit heftigsten Turbulenzen verbunden.

Für Turbulenzen sorgen die Kapitalist:innen heute allerdings selber. Auch wenn Donald Trumps Wirtschaftspolitik Ökonom:innen entsetzt – der Mann verkörpert das zentralste kapitalistische Prinzip, das schon Karl Marx erkannte: aus Geld mehr Geld zu machen. Die ganze Welt ist ein Rohstofflager, andere Menschen sind nur als Partner:innen für «Deals» relevant. Das alles ist so banal wie zerstörerisch – und doch für viele attraktiv, denen der Kapitalismus übel mitgespielt hat, die seine Prinzipien aber verinnerlicht haben. In trumpscher Grobheit reisst sich diese Wirtschaftsform schnell selbst in den Abgrund, darum wurde sie bisher mit Gesetzen, Abkommen, dem Sozialstaat eingedämmt. Vielleicht ist es mehr als ein historischer Zufall, dass ihre Prinzipien jetzt offen daliegen.

Was nun passiert, bestätigt viele linke Analysen, etwa die Kritik am «grünen Kapitalismus». Das Kapital fliesst dorthin, wo es Profit erwartet, und «grün» ist gerade out. Das schlägt sich nieder bis in helvetische Institutionen, die gerade noch vorgaben, anders zu funktionieren: Die Migros hat kürzlich verkündet, dass Nachhaltigkeit für sie jetzt nicht mehr so prioritär sei.

Es ist einfach, als Kapitalismuskritiker:in arrogant und passiv zu werden: Politik ist sowieso «reformistisch», da mache ich nicht mit. Dabei ginge es genau ums Gegenteil: an den radikalen Analysen festzuhalten und sich doch überall einzumischen, in die Bundespolitik genauso wie in NGOs und Bewegungen. Die Errungenschaften der Umweltpolitik zu verteidigen, beispielsweise das Verbandsbeschwerderecht oder die Gentechnikgesetzgebung (die Bundesrat Albert Rösti gerade zu demontieren versucht), einen solidarischen Alltag zu leben, der sich der Verwertungslogik möglichst entzieht (vgl. «Ein Leben ohne Tauschen»). Oder am 11. April am Klimastreik deutlich zu machen, dass Bundesrat und Parlament in Umweltfragen einen grossen Teil der Bevölkerung nicht vertreten.