Rüstungsdeals zwischen der Schweiz und Israel: Eine innige Partnerschaft

Nr. 22 –

Der Bundesrat behauptet, mit Israel bestünden keine Kooperationen im Rüstungsbereich. Das ist nachweislich falsch. Besonders eng ist die Beziehung zum Waffenkonzern Elbit Systems, dessen Waffen im Gazakrieg Zivilist:innen töten.

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Andrew Feinstein fällt beinahe das Handy aus der Hand, als er hört, dass die Schweizer Armee derzeit Drohnen und Funkgeräte im Umfang von 600 Millionen Franken vom israelischen Rüstungskonzern Elbit Systems beschafft. «Das ist die wahrscheinlich tödlichste Waffenfirma unseres Planeten», sagt er. Feinstein ist Autor des Standardwerks «Waffenhandel. Das globale Geschäft mit dem Tod» und lebt in London. «Auf dem Papier ist Elbit ein privates Unternehmen», erklärt er. «Aber effektiv ist das Unternehmen ein Kernstück des militärisch-industriellen Komplexes Israels.»

Tatsächlich ist Elbit mit Hauptsitz in der nordisraelischen Hafenstadt Haifa zentraler Lieferant des israelischen Verteidigungsministeriums, vor allem von Drohnen, Artillerie und Munition. «Elbit ist eindeutig die Firma mit den zentralsten Verbindungen zum aktuell stattfindenden Genozid in Gaza. Mit ihrer Munition, ihren Bomben und Drohnen zerstört die israelische Armee die Infrastruktur im Gazastreifen und tötet die Zivilbevölkerung», sagt Feinstein. «Unfassbar, dass ausgerechnet die neutrale Schweiz so eng mit Elbit kooperiert.»

Tauwetter dank Ueli Maurer

Ihren Anfang nahm diese Kooperation im Herbst 2010 mit einem dreitägigen Staatsbesuch des damaligen Verteidigungsministers Ueli Maurer (SVP) in Israel – «zur Beziehungspflege», wie es im offiziellen Schreiben hiess. Maurer tauschte sich damals nicht nur mit seinem Amtskollegen Ehud Barak aus, er besuchte auch Truppen im Norden des Landes und einen Luftwaffenstützpunkt.

Die Reise sorgte im linken Lager und bei NGOs für harsche Kritik. Ende 2008 hatte die israelische Armee begonnen, den Gazastreifen zu bombardieren, bis Mitte Januar 2009 dauerte die «Operation Gegossenes Blei». Gemäss Amnesty International starben damals 1400 Palästinenser:innen, darunter 300 Kinder. Im Krieg von 2008/09 setzte Israel forciert bewaffnete Drohnen ein – etwa die Hermes 450 von Elbit Systems. Die NGO Human Rights Watch analysierte diesen Drohneneinsatz und dokumentierte beispielsweise gleich am ersten Tag der Bombardierung, am 27. Dezember, einen Drohnenangriff im Zentrum von Gaza-Stadt, bei dem neun Student:innen und drei weitere Zivilist:innen getötet wurden.

Maurer freilich ignorierte jegliche Kritik. Stattdessen unterschrieb er im Januar 2013 am World Economic Forum in Davos eine Absichtserklärung mit Israel «zur Förderung der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich». Konkret ging es auch um den Aufbau einer «für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit in ausgewählten Projekten im Bereich Verteidigung zwischen den Ministerien/Departementen und/oder ihren Streitkräften».

Trotz Debakel ein zweiter Auftrag

Die militärische Zusammenarbeit war damit auf Papier besiegelt und sollte sich rasch konkretisieren: Im Juni 2014 gab das Verteidigungsministerium (VBS) bekannt, es habe sich bei der Wahl eines neuen Drohnensystems für die Hermes 900 – das deutlich grössere und potentere Nachfolgemodell der Hermes 450 – entschieden. Kostenpunkt: 250 Millionen Franken für insgesamt sechs Drohnen. Ein gutes Jahr später gab auch das Parlament gegen den Widerstand von Grünen und SP grünes Licht. Aus menschenrechtlicher Perspektive sehe er beim Geschäft mit Elbit kein Problem, sagte Verteidigungsminister Maurer damals. In der israelischen Presse frohlockte derweil Elbit-CEO Bezhalel Machlis: «Wir hoffen, dass dieses Projekt den Weg für weitere Projekte in der Schweiz und weltweit ebnen wird.»

Tatsächlich erwies sich der Schweizer Auftrag als Türöffner für weitere Hermes-900-Verkäufe. In der Folge haben sich unter anderem Aserbaidschan, Indien, Kanada, Brasilien und die Philippinen für die Elbit-Drohne entschieden. Diese flog ihren ersten Einsatz übrigens während der «Operation Fels in der Brandung», des Angriffs Israels auf den Gazastreifen im Juli und August 2014, bei dem gemäss Amnesty International 2000 Palästinenser:innen, darunter 500 Kinder, getötet wurden.

Das Drohnengeschäft ist für Elbit und die gesamte israelische Rüstungsindustrie längst zum wichtigsten Geschäftsfeld geworden. Die Exporte liegen im Milliardenbereich, und Israel ist weltweit zum achtgrössten Waffenexporteur aufgestiegen. Für die Schweiz hingegen hat sich die Drohnenbeschaffung zum Debakel entwickelt. Noch immer ist keine einzige Drohne im Einsatz. Statt 2019 soll es nun gemäss Armasuisse nächstes Jahr so weit sein. Auch sind die Projektkosten um zwanzig Prozent gestiegen, sie liegen mittlerweile bei 300 Millionen Franken.

Trotzdem hat die Schweiz ihre geschäftlichen Beziehungen zu Elbit ausgeweitet. Im Oktober 2019 gab das VBS bekannt, dass der israelische Konzern für den Ersatz der mobilen Funkgeräte und der Bordverständigungsanlagen der Schweizer Armee zum Zuge kommen soll – ein 300-Millionen-Franken-Auftrag. Ein Schweizer Anbieter, der ebenfalls im Rennen war, ging damals leer aus. Die interne Kommunikation der Schweizer Armee wird lieber in die Hände von Elbit gelegt (vgl. «Elbit und die Kommunikation» im Anschluss an diesen Text).

Mit Aufträgen im Wert von insgesamt 600 Millionen Franken hat sich die Schweiz für Elbit als äusserst lukrative Partnerin erwiesen. Doch die Deals gehen übers Geldverdienen hinaus: Elbit hat vor sechs Jahren eine Tochterfirma mit Sitz in Bern gegründet und vor drei Jahren in der Nähe von Thun ein Testzentrum eröffnet. Dort will man gemäss eigenen Angaben «Telekommunikations- und IT-Lösungen entwickeln, die der Konzern dann für sich nutzen kann» (siehe WOZ Nr. 45/23).

2024 war ein Rekordjahr

Das heisst, Elbit hat hierzulande mittlerweile eine eigene Infrastruktur, um den Transfer von Technologie und Know-how zu gewährleisten. Hinzu kommen die «Offset»-Verpflichtungen, Kompensationsgeschäfte mit der einheimischen Rüstungsindustrie, zu denen Elbit mit dem Auftrag verpflichtet wird. Im Fall der Drohnenbeschaffung liegt der Umfang der Offset-Verpflichtungen bei 210 Millionen Franken, rund sechzig Schweizer Firmen sind involviert.

Der Bundesrat will trotzdem «keine Rüstungskooperation mit Israel» erkennen, wie er 2023 auf eine entsprechende Parlamentsfrage antwortete. Doch das ist eine falsche Behauptung. Wie auch die Aussage des ehemaligen Verteidigungsministers Maurer während der Parlamentsdebatte zur Drohnenbeschaffung im Sommer 2015 falsch ist, dass die Schweiz keine militärischen Güter nach Israel exportiere. Für diese Feststellung reicht ein Blick in die Rüstungsexportstatistiken des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Diese zeigen, dass zwischen 2015 und 2024 Kriegsmaterial im Umfang von 3,6 Millionen Franken nach Israel ausgeführt wurde. Gemäss Seco bewillige die Schweiz keine «definitiven Exporte», es handle sich ausschliesslich um «temporäre Lieferungen», also etwa «Exporte zu Reparaturzwecken von aus Israel gelieferten Rüstungsgütern».

Weitaus bedeutsamer sind die bewilligten Exporte im Bereich der Dual-Use-Güter, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Davon sind von 2015 bis 2024 Ausfuhren im Wert von 85,8 Millionen Franken bewilligt worden, fünf Prozent – 4,3 Millionen Franken – umfassen sogenannte besondere militärische Güter, die explizit fürs Militär konzipiert sind.

Das Rekordjahr mit bewilligten Dual-Use-Lieferungen im Umfang von 16,7 Millionen Franken war ausgerechnet das Kriegsjahr 2024, in dem israelische Streitkräfte Zehntausende Menschen in Gaza töteten. Die Schweiz exportierte etwa Laser und Werkzeugmaschinen, die potenziell für die Waffenherstellung eingesetzt werden können. Und wie die Zahlen des ersten Quartals 2025 zeigen, bleiben die Dual-Use-Exporte rekordhoch: Die entsprechenden Bewilligungen liegen bei fast 7 Millionen Franken – etwa für Mikroprozessoren und Telekommunikationsgüter. Ob Elbit Systems zu den Empfängern solcher Güter gehört, gibt das Seco vorerst nicht bekannt.

Fakt ist aber: Die Schweiz exportiert Jahr für Jahr Rüstungsgüter im Wert von Millionen nach Israel, und die Exporte nehmen zu.

Israels Versuchskaninchen

Auch für Elbit zahlt sich der verheerende Krieg in Gaza aus. Der Umsatz stieg letztes Jahr auf fast 7 Milliarden US-Dollar. Vor zehn Jahren lag er noch bei rund 3 Milliarden Dollar und 2020 bei 4,6 Milliarden. «Für diese Profite bezahlen die Palästinenser:innen einen tödlichen Preis», sagt Waffenhandelsexperte Feinstein und verweist auf das Sachbuch «The Palestine Laboratory» des australischen Journalisten Antony Loewenstein: «Israel benutzt die Palästinenser:innen als Versuchskaninchen bei der Entwicklung neuer Rüstungs- und Überwachungsgüter – von Telefon-Hacking-Tools und Drohnen bis hin zur Gesichtserkennungstechnologie.» Diese «kampferprobten Produkte» würden daraufhin in den sozialen Medien und auf internationalen Rüstungsmessen präsentiert. «Die Werkzeuge des Todes, die in Gaza so rücksichtslos eingesetzt wurden, werden garantiert bald auch in anderen Konfliktzonen auftauchen», sagt Feinstein – so wie das in der Vergangenheit etwa mit der Hermes 900 bereits geschehen sei.

Aber er sei nicht ohne Hoffnung: «Hier in Grossbritannien konnten wir gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, mit Demos, Aufklärungskampagnen und Blockaden, erreichen, dass Elbit Fabriken schliessen musste und wertvolle Verträge verlor. Widerstand wirkt.» Der Schweiz rät Feinstein, die Beziehungen mit Elbit umgehend einzustellen. «Der Konzern gehört vor ein internationales Gericht wegen direkter Beteiligung und Bereicherung am Genozid und an den Kriegsverbrechen in Gaza.»

Schweizer Armee: Elbit und die Kommunikation

In Uetendorf bei Thun, wo auch Energieminister Albert Rösti (SVP) wohnt, eröffnete der israelische Rüstungskonzern Elbit Systems vor drei Jahren ein «Network and Digitization Center» (NDC), um die Modernisierung der mobilen Kommunikation der Schweizer Armee voranzutreiben. Hier werden die neuen Funkgeräte der Armee in sämtliche ihrer IT-Systeme integriert, damit alle Signale aus der militärischen Aufklärung, der Artillerie und dem Heer unterbruchlos zusammengeführt werden können – ein Auftrag im Wert von rund 300 Millionen Franken. Am NDC-Auftrag hängt die Gesamterneuerung der Armeekommunikation.

Mit Elbit hat sich die Schweiz einen Partner in einem kriegführenden Land ausgesucht. Das führt zu Abhängigkeiten. Seit Kriegsbeginn haben beim Konzern die Lieferungen an die israelische Armee IDF höchste Priorität – andere Kunden müssen warten, auch die Schweiz. Im Februar 2025 schrieb das VBS von «Lieferschwierigkeiten» und «Qualitätsmängeln». Statt 2032 wird das Projektende nun erst 2035 erwartet – in zehn Jahren.

Das wirft für die Schweizer Armee Fragen auf: Was geschieht mit den Schweizer Funkgeräten im Fall eines Endloskriegs in Gaza? Wenn die Schweizer Armee auf der Prioritätenliste von Elbit Systems weit hinter den IDF rangiert? Wer gewährleistet die Erneuerung der Armeekommunikation? Fragen, die angesichts des Leids in Gaza zynisch wirken, aber im Hinblick auf die aktuelle sicherheitspolitische Lage in Europa durchaus angebracht wären.

Jakob Baumann, Verwaltungsratspräsident der Schweizer Elbit-Tochter und ehemaliger Rüstungschef beim Bund, will sie nicht beantworten. Wie auch die Frage nicht, wie man sich auf Szenarien potenzieller Einschränkungen der Handelsbeziehungen vorbereitet. Armasuisse hingegen schreibt auf Anfrage, dass es «gerade in der aktuellen geopolitischen Lage für die Sicherheit der Schweiz kontraproduktiv wäre, laufende Beschaffungen auszusetzen».

Dabei ist die Schweiz für Elbit nicht nur Kunde, sondern ein strategischer Standort für das Wachstum auf dem europäischen Markt. Das neutrale Image dient dabei als Gütesiegel. Im letzten Sommer rekrutierte das Unternehmen in Israel für den Schweizer Standort – und warb mit dem Slogan ­«Peaceful Swiss Seeks Tactical Geniuses» um Dutzende hochqualifizierte Mitarbeiter:innen.

Die Schweizer Armee behandelt Elbit Systems Switzerland als einheimische Firma. Rein rechtlich ist sie das auch. Bei der Rekrutierung von technischem Personal beim israelischen Mutterkonzern hingegen ist klar, wie sich der hiesige Ableger des Konzerns sieht – nämlich als «Start-up innerhalb eines globalen Rüstungskonzerns».