Klimakrise: Die neue Realität des Sommers

Nr. 34 –

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In der Schweiz ist gerade die zweite Hitzewelle dieses Sommers zu Ende gegangen. Für ältere Menschen war sie erneut lebensbedrohlich. In den letzten Tagen des Juni und den ersten des Juli starben gemäss einer Untersuchung des britischen Imperial College in zwölf europäischen Städten über 2300 Menschen infolge der Hitze, fast neunzig Prozent von ihnen waren über 65 Jahre alt. «Hitzewellen sind extrem tödlich und werden in offiziellen Todeszahlen signifikant unterschätzt», heisst es in der Studie.

Doch offenbar finden wir uns mehr und mehr mit der Hitze ab, wie auch mit den Waldbränden, den Starkregen – und den Berichten über immer verheerendere Taifune und Hurrikane in der Ferne. Es ist die neue Normalität. Konsequenzen ziehen wir aufgrund der Wetterereignisse kaum. Nur ein Beispiel: Diesen Juli haben mehr Menschen den Flughafen Zürich für eine Flugreise genutzt als jemals zuvor, wie die Betreibergesellschaft stolz vermeldet. Womit hier nicht gesagt sein soll, dass es an jedem Einzelnen liegt: Wenn die Politik unfähig ist, etwa Kerosin zu besteuern, Kurzstreckenflüge zu verbieten und Werbung der Tourismusindustrie einzuschränken, muss man sich über solche Rekordzahlen nicht wundern. Die Klimaallianz fordert in ihrem Klimamasterplan vom Juni einen «Notfallmodus». Den Treibhausgasausstoss zu senken, müsse «höchste Priorität haben».

Doch es scheint, als ob sich die Strategie der Klimaleugner und -skeptikerinnen durchgesetzt hat: keine Abstriche bei Wirtschaftswachstum und Stromverbrauch, stattdessen Anpassung an die Erhitzung. Und so wird etwa über Klimaanlagen in Schulen und Altersheimen diskutiert, was zwar auch nötig ist, aber kaum je darüber, wie wir verhindern können, dass es immer heisser wird.

Normal ist inzwischen auch, dass man über die Hitzewellen in Asien und Nordafrika, die es derzeit auch gibt, kaum noch eine Meldung in den hiesigen Medien liest. Wie viele Tote gab es da? Was macht es mit Menschen, wenn wie im Iran, in Pakistan oder der Türkei das Thermometer auf fünfzig Grad steigt? Wie soll man sich dort anpassen?

Dieser Sommer ist nach 2023 und 2024 der drittheisseste, der je gemessen wurde. Und das ohne das hitzeverstärkende El-Niño-Phänomen. Szenarien der ETH zeigen, dass es auch in Zürich, Bern oder Genf heute schon bis zu 44 Grad heiss werden könnte. Doch was Angst macht, sind nicht nur der stetige Temperaturanstieg und kommende Hitzewellen, sondern auch eine Gesellschaft, in der die Solidarität erodiert und politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger:innen offenbar auf das Überleben der Stärkeren setzen.

Ja, die Klimaskeptiker und Klimaleugnerinnen haben Oberwasser. Das Weisse Haus in Washington ist seit der Amtseinsetzung von Donald Trump in ihren Händen. Die fossile Industrie, die seinen Wahlkampf massgeblich mitfinanziert hat, bekommt, was sie will.

Trump macht alles dafür, dass auch im Ausland mehr Öl und Gas verbraucht werden. So hat er zum Beispiel der EU abgerungen, dass sie in den nächsten drei Jahren für 750 Milliarden US-Dollar Flüssiggas aus den USA kauft. Das braucht teure Strukturen, die bleiben werden und amortisiert werden müssen. Im Gegenzug verhängte er einen Zollsatz von «nur» 15 Prozent. Der Bundesrat scheint ebenfalls willig, zu kuschen und sich anzupassen, um den 39 Prozent Zoll zu entkommen.

Der Rollback gelingt auch, weil die Gegenwehr fehlt. Zur neuen Normalität gehört ein Gefühl von Machtlosigkeit. Doch die Erfahrung zeigt, dass sich das ändern lässt. Dazu braucht es Politiker:innen, die nicht nur im Parlament grosse Reden halten, sondern auch die Basis ihrer Parteien auf die Strasse bringen. Es braucht NGOs, die nicht nur immer neue Masterpläne schreiben und Politiker:innen beraten, sondern ihre Ressourcen für die Massenmobilisierung aufwenden. Und es braucht Aktivist:innen, die aus ihren Erfahrungen Schlüsse ziehen und neue Strategien ausprobieren. Der Wandel ist dringend notwendig – von allein kommen wird er nicht.