Umweltpolitik: Macht demonstrieren und die Sonne miesmachen

Nr. 40 –

Ganz so weit geht Mitte-Rechts in der Schweiz nicht: Doch eine «Trumpisierung» der Umweltpolitik lässt sich auch hierzulande ausmachen.

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städtische Zürcher Überbauung mit Solaranlagen
Alles rückwärts – die Solarinitiative der Grünen droht schon im Sammelstadium zu scheitern: Zürcher Überbauung mit Solaranlagen.

Einst galten sie als Heiligtümer der USA, als Ersatz für die fehlenden Kathedralen auf dem Kontinent: die Nationalpärke. Donald Trump sieht in ihnen nur Rohstofflager voller Ölquellen und seltener Erden. Er hat ein Viertel der Nationalparkangestellten entlassen und den Rest eingeschüchtert. Er hat die Umweltbehörde EPA zusammengekürzt und dazu gebracht, Treibhausgase nicht mehr als gesundheitsschädlich einzustufen. Dahinter sind zwei Strategien sichtbar: Umweltschützer:innen unter Druck setzen. Und den Schutz der Bevölkerung vor Schadstoffen torpedieren.

In der Schweiz geht Mitte-Rechts nicht ganz so grobschlächtig vor. Doch die Trumpisierung der Umweltpolitik schreitet voran. Manchmal zeigt sich das an Details. Etwa in der Fragestunde der Herbstsession. «Kann der Bundesrat garantieren, dass ideologische Haltungen keinen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Agrarpolitik haben?», wollte der Zürcher SVP-Nationalrat Martin Haab wissen. Er prangerte an, dass sich ein leitender Angestellter des Bundesamts für Landwirtschaft in der Freizeit als Kopräsident einer kantonalen Sektion des WWF engagiert. Als wären Umweltschutz und Landwirtschaft grundsätzlich Feinde. Als wäre der WWF eine radikale Organisation. Als hätte Haabs Seite keine Ideologie.

Fragwürdige Einschränkung

Doch es geht nicht nur um Nebenschauplätze wie die Fragestunde. Am 28. September nahm das Parlament fast einstimmig den Beschleunigungserlass an, der dafür sorgen soll, dass Wasser-, Wind- und Solarkraftwerke schneller gebaut werden können. Für Links-Grün war es ein schmerzhaftes Ja, denn der Ständerat hat einen Abbau des Verbandsbeschwerderechts (VBR) in den Erlass integriert: Beschwerden der Umweltverbände gegen die sechzehn Wasserkraftprojekte, die laut dem 2024 angenommenen Stromgesetz Vorrang haben, dürfen nicht ans Bundesgericht weitergezogen werden.

Vorausgegangen war ein monatelanger Machtpoker des Ständerats, der das VBR für die sechzehn Wasserkraftprojekte ganz abschaffen wollte. In der Herbstsession kam dann aus der kleinen Kammer in letzter Minute der «Kompromiss» mit der Einschränkung des Weiterzugs zum Bundesgericht – wer zuerst Maximalforderungen stellt, wirkt bei etwas Nachgeben schon gemässigt.

Schwierige Mobilisierung

Es wird knapp für die Solarinitiative der Grünen. Ende November läuft die Sammelfrist ab, und es fehlen noch über 30 000 Unterschriften. Die Initiative fordert eine Solarpflicht auf geeigneten «Flächen von Bauten und Anlagen». Ein grosser Teil der Bevölkerung unterstützt dieses Anliegen, wie Umfragen zeigen: Solaranlagen auf Dächern sind weitherum akzeptiert – viel mehr als solche in freier Natur.

Es sei auch überhaupt nicht schwierig, Unterschriften zu bekommen, wenn man am Sammeln sei, sagt die grüne Zürcher Nationalrätin Marionna Schlatter. «Aber die Mobilisierung ist über den harten Kern von grünen Aktivist:innen hinaus viel schwieriger geworden. Weniger Leute sammeln spontan als bei früheren Initiativen. Auch die Medien berichten viel weniger über Klimaschutz als vor einigen Jahren.» Auf der Strasse höre sie oft: «Ich wusste gar nicht, dass es diese Initiative gibt.» Die Initiative ist eine wichtige Alternative zu den AKW-Plänen der Rechten; ein Scheitern in der Sammelfrist wäre ein harter Schlag für Links-Grün.

«Damit wird die Energiewende gefährdet», sagt die grüne Zürcher Nationalrätin Marionna Schlatter. «Denn Grossprojekte haben dann eine breite Akzeptanz, wenn sie im Einklang mit dem Umweltrecht umgesetzt werden.» Dabei hatte der Bundesrat vor der Stromgesetzabstimmung versprochen: «Die Beschwerdemöglichkeiten von Privaten und Verbänden bleiben bestehen.»

Mit dem VBR können Umweltverbände gerichtlich prüfen lassen, ob grosse Bauprojekte gesetzeskonform sind – und haben oft Erfolg damit (siehe WOZ Nr. 42/24). «Verbandsbeschwerden von Umweltorganisationen machen einen sehr kleinen Anteil der Beschwerden ans Bundesgericht aus – 2024 waren es gerade dreizehn», sagt Alain Griffel, Rechtsprofessor an der Universität Zürich. «Aber dann geht es um grundsätzliche Fragen. Diese Bundesgerichtsentscheide haben wesentlich zur Weiterentwicklung des Umweltrechts beigetragen.»

Die Einschränkung des VBR sei «übel», sagt Griffel. «Damit müssen kantonale Gerichte abschliessend über komplexe bundesrechtliche Fragen entscheiden. Das ist systemwidrig. Rechtssicherheit wird so nicht geschaffen.» Es sei Aufgabe des Bundesgerichts, nicht der Kantone, Bundesrecht auszulegen – für die ganze Schweiz einheitlich.

Treibende Kraft bei den Angriffen auf die Verbandsbeschwerde sind nicht nur SVP-, sondern auch FDP- und Mitte-Politiker:innen, besonders die Walliser Beat Rieder und Philipp Bregy. Gleichzeitig unterläuft SVP-Bundesrat Albert Rösti mit seinen AKW-Plänen und der gezielt geschürten Angst um die Versorgungssicherheit die Energiewende – und die Solarinitiative der Grünen droht schon im Sammelstadium zu scheitern (vgl. «Schwierige Mobilisierung»). «Die Rechten machen die Fotovoltaik schlecht», sagt Marionna Schlatter. «Anstatt darüber zu reden, welches Potenzial Solarstrom auch im Winterhalbjahr hat, sprechen sie über zu viel Solarstrom im Sommer. Dabei lässt sich das technisch einfach lösen. Fotovoltaik auf Dächern und Infrastrukturen bleibt der günstigste und effizienteste Weg zur Energiewende.»

Wegschauen beim Gift

Auch die zweite trumpsche Strategie, das Unterlaufen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, beherrscht Mitte-Rechts. Insbesondere Bundesrat Rösti. Anfang Jahr zeigte eine Recherche der SRF-«Rundschau»: Das Rösti unterstellte Bundesamt für Umwelt (Bafu) verzichtete unter Druck des Bauernverbandes darauf, Grenzwerte für vier Pestizide festzulegen. Besonders bedenklich ist das beim hochgiftigen Deltamethrin. Auch im Umgang mit den «Ewigkeitschemikalien» PFAS hat für Rösti und die Mehrheit des Nationalrats der Gesundheitsschutz offensichtlich nicht oberste Priorität: Es gebe diese Grenzwerte «beim Fleisch, beim Fisch und auch beim Wild, und als Lösung für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe ist tatsächlich vorgesehen, mit einer Massnahme, der Mischung von Lebensmitteln, dazu beizutragen, dass die Produkte nicht weggeworfen werden müssen», sagte Rösti am 9. September in der Parlamentsdebatte – obwohl Expert:innen warnen, dass eine solche Vermischung nur noch mehr Menschen gefährde (siehe WOZ Nr. 37/25).

Denn PFAS, die unter anderem Krebs auslösen und ungeborene Kinder schädigen können, sind keine Stoffe, die der Körper schnell wieder ausscheidet. Im Gegenteil: Sie reichern sich an. «Sollen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit begrenzt werden, ist ein weitgehender Ausstieg aus PFAS und ein Wechsel zu sichereren Alternativen notwendig», schreibt die Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT). Das Parlament macht das Gegenteil: Es hat beschlossen, dass beim Festlegen von PFAS-Grenzwerten auch die wirtschaftlichen Folgen berücksichtigt werden müssen.

Wie lässt sich der umweltpolitische Trumpismus bekämpfen? «Die bürgerliche Mehrheit macht nur etwas für die Umwelt, wenn sie merkt: Das ist der Gesellschaft wichtig», sagt Marionna Schlatter. «In der letzten Legislatur mit den grossen Klimademos hat das recht gut funktioniert.» Darum sei der Druck der Zivilgesellschaft entscheidend. «Sie ist genauso in der Verantwortung wie wir im Bundeshaus.»