Gaza-Verhandlungen : Der Teufel steckt im Detail

Nr. 41 –

Seit Montag wird in Ägypten über Donald Trumps Plan für ein Ende des Kriegs im Nahen Osten gesprochen – bisher sind viele Punkte strittig. Israels Luftangriffe auf Gaza gehen derweil weiter.

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 Panzer in Bereitschaft an der Grenze zu Gaza
Die Hamas soll Geiseln freilassen, Israel seine Truppen abziehen. Panzer in Bereitschaft an der Grenze zu Gaza Anfang August. Foto: Jim Hollander, Laif

Auf dem Papier klingt es so einfach: Die Hamas gibt die 48 noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln frei, dafür stellt Israels Militär (IDF) den Krieg ein. Die Hamas legt ihre Waffen nieder, und Israel zieht seine Truppen ab. Das sind die wohl wichtigsten Punkte des Friedensplans für den Nahen Osten, den US-Präsident Donald Trump vor bald zwei Wochen präsentiert hat. Seither wird über die Umsetzung der von Trump vorgegebenen Punkte verhandelt. Dabei zeigt sich: Die Realität ist sehr viel komplexer als die Reissbrettideen.

Der Plan hat schon einige Änderungen erfahren: Als Trump ihn Mitte September am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York einer Reihe arabischer und muslimischer Länder vorstellte, umfasste er noch 21 Punkte. Dann folgte ein Treffen mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu, und aus den 21 Punkten wurden 20. Der Paragraf, dass Israel nicht erneut auf dem Boden des Golfstaats Katar angreifen würde – so wie es das Anfang September getan hatte –, fiel weg.

Veränderung zugunsten Israels

Weitreichender sind allerdings die Änderungen bezüglich des Abzugs israelischer Truppen aus dem Gazastreifen. Sie sind sicherlich auf Wunsch Netanjahus erfolgt. So stand im 21-Punkte-Plan: «Wenn Israel und die Hamas dem Vorschlag zustimmen, wird der Krieg sofort beendet, die IDF stellt alle Operationen ein und zieht sich schrittweise aus dem Gazastreifen zurück.» Im 20-Punkte-Plan steht hingegen: «Wenn beide Seiten diesem Vorschlag zustimmen, wird der Krieg sofort beendet. Die israelischen Streitkräfte werden sich auf die vereinbarte Linie zurückziehen, um die Freilassung der Geiseln vorzubereiten. Während dieser Zeit werden alle militärischen Operationen, einschliesslich Luft- und Artillerieangriffe, ausgesetzt. Die Frontlinien bleiben eingefroren, bis die Bedingungen für den vollständigen schrittweisen Rückzug erfüllt sind.»

Das ist eine deutliche Veränderung zugunsten Israels. Denn die Geiseln, um deren Freilassung es geht, sind der wohl einzige Trumpf, den die Hamas noch in der Hand hat. Israel ist militärisch deutlich mächtiger und hat in den vergangenen zwei Jahren mehrfach gezeigt, dass es sich in seiner Kriegsstrategie auch von den Mahnungen der internationalen Gemeinschaft kaum beeindrucken lässt. Doch was es nach verschiedenen Medienberichten länger davon abhielt, etwa die dicht besiedelte Metropole Gaza-Stadt anzugreifen, war die Möglichkeit, dass sich dort Geiseln befinden könnten. Davor hatte auch das Forum der Geiselangehörigen immer wieder gewarnt.

Sind die Geiseln also einmal frei, hielte die israelische Armee nichts mehr von einer weiteren Offensive ab. Das ist die Krux des trumpschen Vorschlags: Wie viel Vertrauen bringen die beiden Kriegsparteien Israel und Hamas einander entgegen? Und wie viel Vertrauen haben sie in die Vermittler, allen voran die USA, die jeweils beide Seiten dazu bringen müssen, sich an den Plan zu halten?

Diese Feinheiten – die letztlich über die Umsetzbarkeit des Plans entscheiden – werden derzeit in Ägypten diskutiert. Am Montag traf sich dort zunächst die Hamas mit Mediatoren, um unter anderem einen Fahrplan für die Gespräche selbst zu vereinbaren. Vertreten wird sie etwa von Chalil al-Haja, den Israel beim Luftangriff in Katar zu töten versucht hatte – nicht gerade ideale Startvoraussetzungen für vertrauensvolle Verhandlungen.

Neben dem Verlauf des Rückzugs israelischer Truppen aus Gaza ist auch die Freilassung palästinensischer Gefangener im Rahmen des 20-Punkte-Plans Gegenstand der Diskussionen. Der TV-Sender Al-Arabiya mit Sitz in Dubai berichtet: Wer im Rahmen des Deals freikommen solle, sei «eines der umstrittensten» Themen. Unter anderem steht auf der Wunschliste der Hamas ein Mann namens Marwan Barghuthi, eigentlich ein Mitglied der konkurrierenden Palästinenserpartei Fatah und seit 2002 in Israel in Haft für seine Beteiligung an Terrorangriffen. «Symbole des Terrors» wie Barghuthi, hat Netanjahu laut Al-Arabiya verkündet, kämen für eine Freilassung aber nicht infrage.

Laut dem 20-Punkte-Plan sollen 250 zu lebenslanger Haft verurteilte Palästinenser aus israelischen Gefängnissen freikommen, ausserdem 1700 nach dem Massaker der Hamas und anderer militanter Gruppen in Südisrael am 7. Oktober 2023 festgenommene Gaza-Bewohner:innen. Wieder steckt der Teufel im Detail: Denn auch Barghuthi ist zu lebenslanger Haft verurteilt – aber, wenn es nach Israel geht, nicht Teil des Deals.

Eine Menge Arbeit

In Anbetracht dieser deutlichen Gräben, die es zu überbrücken gilt, verwundert es nicht, dass Madsched al-Ansari, Sprecher des Aussenministeriums von Katar, nach dem ersten Verhandlungstag erklärte, es sei noch zu früh, um zu wissen, ob die Gespräche zum Erfolg führen würden. Er kritisierte ausserdem, dass Israel trotz der laufenden Gespräche seine Offensive im Gazastreifen fortführe. Tatsächlich, so berichten es Kontakte aus Gaza, sollen die Bodentruppen in Gaza-Stadt derzeit nicht vorrücken, sondern ihre Positionen halten. Die Luftangriffe im Gazastreifen gehen aber weiter; nach wie vor sterben dort täglich Menschen. Mindestens 67 000 sollen es in diesem Krieg mittlerweile sein.

US-Präsident Trump klingt derweil optimistischer: «Es besteht eine echte Chance, dass wir etwas tun können», erklärte er am Dienstag und wiederholte seine Forderung, die Hamas müsse die Geiseln sofort freilassen – als Grundlage für weitere Verhandlungen.

Die Bereitschaft der Hamas dazu ist gering. Hinzu kommt: Nicht nur sie hält Geiseln. Auch der Islamische Dschihad in Palästina (PIJ), dessen Kämpfer am 7. Oktober ebenfalls die Grenze nach Israel überquerten, hat einige in seiner Gewalt; mindestens einer von ihnen soll noch am Leben sein. Und laut einem Statement des PIJ, über das lokale Medien berichteten, will dieser nur dann Geiseln freilassen, wenn ein Ende des Kriegs in Gaza garantiert ist.

Auf die Vermittler wartet also noch eine Menge Arbeit. US-Präsident Trump hatte sich am Dienstag geweigert, eine Frist für die Verhandlungen zu verkünden. Doch für seine Geduld ist der US-Präsident nicht gerade bekannt.