Durch den Monat mit Gabi Petri (Teil 3): Für Recht und Ordnung?

Für die «SonntagsZeitung» sind Sie die Verliererin der VCS-Delegiertenversammlung, für die «NZZ am Sonntag» haben Sie gewonnen. Wer hat Recht?
Für einmal die NZZ. Die Delegierten haben entschieden, dass der VCS bei der Handhabung der Verbandsbeschwerde weiterhin nur rechtlich-sachliche Kriterien anwendet. Sie wollen nicht, dass der VCS zur Imagepflege einen so genannt «geschmeidigeren Kurs» fährt.

Einig waren sich die zwei Zeitungen darin, dass Sie eine Hardlinerin sind.
Lieber Hardlinerin als Borderlinerin.

Sind Sie hart?
Ich bin konsequent. Nur wenn der VCS sich strikt am Recht orientiert, erhält er sich die Legitimation zur Führung von Beschwerden. Wer einmal hier und einmal da ein Auge zudrückt, der zeigt, dass er erpressbar ist. Und dem könnte man zu Recht vorwerfen, dass er die Verbandsbeschwerde missbraucht.

Ab wie vielen Mitgliedern Verlust geben auch Sie die konsequente Linie beim Rekurs gegen das Stadion in Zürich auf?
Für mich stellt sich die Frage anders. Die junge, urbane Bevölkerung und die Familien in Städten und Agglomerationen legen weniger Wert auf Autoversicherungen als auf Wohnqualität und Ruhe. Der VCS könnte enorm viele Mitglieder gewinnen, wenn er sich vermehrt als Umweltverband und nicht nur als Dienstleistungsunternehmen profilieren würde. Das sage ich der Zentrale seit Jahren, doch dort wird das ungeprüft bestritten.

In Zürich haben in den letzten Monaten 81 Mitglieder den VCS aus politischen Gründen verlassen.
Das sind bei 30 000 Mitgliedern drei Promille. Wer drei EM-Spiele wichtiger findet, als die Wohnbevölkerung vor 
Einkaufsverkehr zu schützen, dem haben wir unser Umweltengagement offenbar nicht verständlich machen können.

Auch sonst pokern Sie hoch, wenn Sie den Stadionrekurs weiterziehen: Der politische Druck auf die Verbandsbeschwerde wird noch einmal zunehmen.
Wir pokern nicht. Wir sorgen nur dafür, dass die Behörden die Gesetze einhalten. Auch beim Stadion Zürich. Die Verbandsbeschwerde ist zum Schutz der Landschaft, der Natur und der Umwelt da. Vielleicht muss man das Volk wieder einmal fragen, ob es noch hinter der Verbandsbeschwerde steht. Sie nicht zu benutzen, wenn sie unter politischen Druck gerät, wäre unglaubwürdig.

Sie wollen also riskieren, dass das Stadion nicht gebaut wird?
Das Stadion wird gebaut. Weil wir es weder verhindern noch gegenüber anderen Projekten privilegieren wollen, werden wir beim Verwaltungsgericht verlangen, in diesem Fall die aufschiebende Wirkung zu entziehen. So kann der Bau rechtzeitig begonnen werden, während die strittigen Verkehrsfragen auf dem Gerichtsweg entschieden werden.

Worum wollen Sie dann noch 
streiten?
Die Zahl der angesetzten Autofahrten liegt auch nach dem Regierungsratsentscheid mit jährlich 2,7 Millionen immer noch weit über dem Doppelten des gesetzlich Zulässigen. Darum muss die Zahl der Parkplätze und Fahrten nochmals sinken und im Bereich des öffentlichen Verkehrs etwas geschehen. Weil da viele Entscheidungsträger und auch das Volk mitreden, müssen wir uns damit begnügen, wenn das geplante Tram zwei Jahre nach der EM fertig ist.

Was fasziniert Sie an diesen spröden Auseinandersetzungen?
Es geht um klare Regeln. Die Politik ist modischen Wellen unterworfen, Wertdiskussionen finden da keinen Platz mehr. Der Rechtsstaat mit seinen klaren Grundlagen ist verlässlicher und entspricht meinem Naturell. Ich halte viel von Gerechtigkeit. Auch wenn Recht haben und Recht bekommen oft noch zwei Paar Schuhe sind.

Recht und Ordnung – dafür schwärmen viele Konservative.
Es ist vielleicht ein Unterschied, ob man die Polizei als Ausführende der Politik meint oder die Unabhängigkeit der Gerichte.
Sie glauben, dass man sich auf die dritte Gewalt im Staat verlassen kann?
Sie ist ausgleichend. Ich habe einmal an einer öffentlichen Beratung des Bundesgerichtes in Lausanne teilgenommen. Wie die Richter da hinter ihren grünen Lämpchen sassen und einen Fall mit grosser Sachkenntnis und Distanz zur Medienwelt sezierten – das hat mich beeindruckt.

Jetzt verklären Sie. Die Richter schielen doch stets mit einem Auge am Recht vorbei auf die politischen Verhältnisse.
Am Bundesgericht nach meiner Erfahrung nicht.

Sie haben an der Delegiertenversammlung als Sektionsleiterin einen VCS-internen Machtkampf gegen die Zentrale gewonnen. Würde Sie ein anderer Posten reizen?
Ich bin mit dem Kanton Zürich und seinen grossen Verkehrsproblemen als Aktionsradius völlig zufrieden. Denn Verkehr bleibt das Problem Nummer eins in den nächsten zwanzig Jahren.