Rechte Blackbox in Den Haag

In Zeiten des Stillstands ist auch ein bisschen Bewegung eine grosse Neuigkeit: In Den Haag wird in den nächsten Monaten eine neue Regierung antreten. Von der gemässigt-konservativen Nieuw Sociaal Contract (NSC) über die liberal-rechte Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) und die BoerBurgerBeweging (BBB) bis zur identitären, rabiat-populistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) wird sie ein breites rechtes Spektrum abdecken.

Dass Wahlsieger Geert Wilders von der PVV selbst nun nicht Premier wird, ist eine der wenigen positiven Nachrichten.

Zunächst aber haben die vier Parteien, die seit den Parlamentswahlen Ende November in zähen Verhandlungen stecken, nicht mehr als eine Absichtserklärung erreicht: Sie wollen zusammen das Land regieren. Wie das konkret aussehen soll, bleibt vorerst mit vielen Fragezeichen verbunden. Angestrebt wird ein «ausserparlamentarisches Kabinett» – mit Minister:innen, die zwar von den Parteien benannt werden, aber nicht unbedingt zu deren Schlüsselpersonal zählen.

Zum einen bedeutet das, dass die Parteichef:innen vom Verhandlungstisch nicht in die Regierung eintreten, sondern im Parlament Platz nehmen werden. Zweites Kennzeichen ist ein eher loser Koalitionsvertrag, der Richtungen und Basisprinzipien vorgibt statt bis ins Detail formulierte Lösungsansätze, um mit gegebenenfalls wechselnden Mehrheitsverhältnissen flexibel umgehen zu können.

Insbesondere NSC-Chef Pieter Omtzigt, dessen Agenda stark darauf setzt, die Glaubwürdigkeit des politischen Systems wiederherzustellen, bevorzugte ein solches Modell von Beginn an. Das zeugt davon, wie viel Vertrauen die vorherigen vier Regierungen unter Mark Rutte durch mehrere grosse Skandale verloren haben. Im konkreten Fall belegt es aber auch die Bauchschmerzen, die es den bürgerlichen Parteien NSC und VVD trotz mancher inhaltlicher Überschneidungen bereitet, tatsächlich mit der rechtsextremen PVV von Geert Wilders zusammenzuarbeiten.

Entscheidend werden in den kommenden Wochen nun zwei Aspekte: zum einen die Basisprinzipien, auf die sich die vier Parteien verständigen und die eine Art Minimalkonsens umreissen. Zum anderen das politische Personal, das die Schlüsselposten, sprich Ministerien in diesem Experiment übernehmen wird. Beides gibt Aufschluss über den Wind, der künftig in Den Haag weht.

Für progressive Akteure bedeutet das, sich darüber klar zu werden, wie man mit einer solchen Regierung umgehen will und wie die eigenen Inhalte formuliert und vermittelt werden – gegen eine rechte Mehrheit, die zahlenmässig deutlich ist, inhaltlich aber, wie die Verhandlungen zeigen, durchaus Bruchlinien hat. Zeit zu verlieren gibt es nicht: Die Europawahl Anfang Juni dürfte näher sein als der Antritt der neuen Koalition.