WOZ recherchiert IV: Musik im Krankenhaus riecht schlecht
Tontechniker Manuel Gerber hat herausgefunden, dass Fenchel gut für kleinere Knochenbrüche ist. Auch für ein WOZ-Geräusch würde er zu frischem Gemüse greifen.
Was machst du als Tonmeister?
Manuel Gerber: Ich bearbeite den Ton für Filme. Dabei mische ich Sprache, Geräusche und Musik immer zusammen mit der Regie. Dramaturgisch muss das Sinn machen.
Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Gestaltung von Geräuschen. Wenn also zum Beispiel Gewalt in Filmen off-screen dargestellt wird, also für die Zuschauer unsichtbar, lassen wir mit dem passenden Ton den Horror in deren Köpfen entstehen. Brechende Arme bringen wir mit zerbrechendem Stangensellerie zum Klingen. Und rohe Eier eignen sich ausgezeichnet für glitschige Eingeweide.
Hast du ein Lieblingsgemüse dafür?
Am liebsten habe ich Fenchel. Der ist ideal für kleinere Brüche und schmeckt auch roh sehr gut. Natürlich übernehmen wir die Geräusche selten eins zu eins, sondern bearbeiten sie oder überlagern sie mit anderen Klängen.
Es klingt also nichts in Wirklichkeit so wie im Fernsehen?
Einen Grossteil der Geräusche erschaffen wir tatsächlich von Grund auf neu, weil der Klang der Wirklichkeit nicht imposant genug ist und beim Zuschauer nicht die gewünschte emotionale Wirkung erzielt. Oder aber, die Klangquelle existiert in Realität gar nicht und muss erst erfunden werden. Dafür gibt es berühmte Beispiele: Der T-Rex aus «Jurassic Park» ist eigentlich ein Koalabär, der mit Geräuschen von Baby-Elefanten, Alligatoren und Löwen überlagert und anschliessend tiefer abgespielt wurde.
Ist das nicht auch problematisch?
Gerade im Dokumentarfilm gibt es rege Diskussionen darüber, welche Mittel erlaubt sind. Die oft gehörte Forderung nach "objektiven" Filmen ist meiner Meinung nach unmöglich einzulösen. Als Regisseur kann man die Realität nicht verändern. Aber durch die Wahl der filmischen Mitteln, und dazu gehört auch der Ton, kann eine persönliche Haltung transportiert, eine Thematik verstärkt werden. Das finde ich legitim.
Hat deine Arbeit Einfluss auf deinen Alltag?
Obwohl ich am Konservatorium in Basel Komposition studierte, höre ich nach der Arbeit kaum noch Musik. Ich lasse mich in Gesprächen auch leicht von Geräuschen ablenken. Und hasse zum Beispiel akustische Umweltverschmutzung.
Was meinst du damit?
Wenn mir in Restaurants oder öffentlichen Räumen Musik aufgezwungen wird, ist das wie ein schlechter Geruch, den man nicht mehr aus der Nase kriegt. Es ist mir dann egal, ob ich die Musik unter anderen Umständen gut fände.
Du kommst gerade aus den Ferien in Afrika. Hast du etwas aufgenommen?
Klar, ich nehme immer ein Aufnahmegerät mit. Wenn andere in der Wildnis fotografieren, nehme ich die Geräusche von Affen und Grillen auf. Vielleicht mache ich eine CD mit den schönsten Geräuschen für meinen Vater, der auch dabei war. Andere machen ja auch Dia-Schauen von ihren Reisen.
Wie klänge denn die WOZ in einem Ton von dir?
Es müsste etwas präzises sein. Also bestimmt kein Radieschen. Irgendwie ein saftiges Gemüse. Oder vielleicht das Plätschern, wenn jemand ins Wasser springt, das dumpfe Pochen eines langen Tauchgangs. Ihr taucht ja auch tief in eure Themen ein. Das hat etwas investigatives. Darüber ein scharfes Geräusch für die Klarheit in der Haltung.