Abstimmung zum Eigenmietwert: Die Sorgen der Hüslischweiz
Der Slogan der Befürworter:innen des sogenannten Systemwechsels bei der Wohneigentumsbesteuerung ist geschickt: «Wohnen ohne Sorgen» ist auf den Plakaten zu lesen – wer will das nicht? Ebenfalls geschickt ist die propagandistische Behauptung, der Eigenmietwert, der mit dem Systemwechsel abgeschafft würde, sei «ungerecht», man trete «für faire Steuern» ein. Und verwirrend ist es, dass das sperrige Wort «Eigenmietwert» gar nicht auf dem Abstimmungszettel erscheint, sondern die Frage dasteht, ob man den Bundesbeschluss «über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften» annehmen wolle. Sorglosigkeit, Gerechtigkeit, Liegenschaftssteuern? Klingt irgendwie gut.
Das ist es nicht. Das Parlament will die Steuer auf den Eigenmietwert abschaffen, die alle entrichten, die nicht zur Miete, sondern im Eigenheim wohnen. Als Ausgleich dazu sollen Hypothekarschulden und Sanierungskosten nicht mehr von den Steuern abgezogen werden dürfen. Und weil dieser Systemwechsel für die Bergkantone, in denen die Wohneigentumsquote überdurchschnittlich hoch ist, enorme Verluste bedeuten würde, könnten diese neu zusätzliche Steuern auf Zweitwohnungen erheben. Bloss letzteres steht auf dem Abstimmungszettel – doch abgestimmt wird über das gesamte Paket inklusive Systemwechsel. Dass das Ganze mitnichten ausgewogen ist, zeigt schon die Berechnung des Bundes, wonach bei einem Ja 1,8 Milliarden Franken Steuereinnahmen jährlich wegfallen würden, was wohl Sparmassnahmen nach sich zöge. Steuererleichterung für die besitzenden 36 Prozent der Bevölkerung – negative Folgen für alle?
Es stimmt, dass Eigentümer:innen nicht zwingend reich sind. Eine Analyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) für den Kanton Luzern zeigt jedoch exemplarisch, dass Erwerbshaushalte mit steuerbarem Einkommen von über 175 000 Franken zu rund 65 Prozent auch über Wohneigentum verfügen. Je tiefer die Einkommensklasse, desto geringer ist dieser Anteil, je höher das Einkommen, desto eher haben wir es also mit Hausbesitzer:innen zu tun. Unter ihnen würden zudem nicht alle gleichermassen profitieren – einkommensstarke Haushalte, die wenig Schulden haben, am meisten. Der Systemwechsel schüfe damit nicht nur gegenüber den Mieter:innen, sondern auch unter Eigentümer:innen mehr Ungerechtigkeiten.
Für einige mag die Steuer eine finanzielle Belastung sein. Doch wenn man die vielen Möglichkeiten berücksichtigt, die existieren, um den Eigenmietwert zu senken, oder die Sicherheit, die ein Eigenheim gegenüber einem Mieter:innendasein bedeutet, oder die Härtefallklauseln in Betracht zieht, die in vielen Kantonen bei Engpässen für Eigentümer:innen da sind – dann muss man einwenden: Erstens scheint bei jenen, die gerade viel von Ungerechtigkeit reden, das Wissen um die eigenen Privilegien und das Bewusstsein für andere Lebensrealitäten verschwindend gering zu sein. Und zweitens stellt sich die Frage, was wir hier eigentlich diskutieren. Die Konferenz der Kantonsregierungen schrieb in einer Medienmitteilung: «Es gibt keinen Handlungsbedarf für diese einschneidende Reform.» Damit ist eigentlich viel gesagt.
Es ist ja durchaus sinnvoll, darüber nachzudenken, was es braucht, damit alle ohne Sorgen wohnen können, nicht nur die Besitzenden. Die Mieter:innen, 64 Prozent der Bevölkerung, werden gegenüber Eigentümer:innen ökonomisch schon seit Jahrzehnten benachteiligt. Die Mieten haben sich in den letzten fünfzehn Jahren verdoppelt, obwohl sie wegen der Zinsen hätten sinken sollen. Und nichts an Mietzinsen lässt sich von den Steuern abziehen. Doch statt dass wir über die ungerechte Verteilung von Eigentum oder die Absurdität von Renditen sprechen, diskutieren wir zum vierten Mal in rund 25 Jahren über eine Steuererleichterung für Eigentümer:innen. Das zeigt, welches Gewicht diese in der Politik haben, wessen Sorgen in der Hüslischweiz gehört werden – oder auch einfach: wie unbeirrt der Hauseigentümerverband (HEV), dessentwegen wir überhaupt abstimmen, für seine Klientel agitiert. Bisher ist er stets an der Urne gescheitert, obwohl die Eigentümer:innen unter den Stimmenden übervertreten sind. Möge er auch dieses Mal ein Nein kassieren.