Durch den Monat mit Andrea Staka (Teil 5): Wie soll es weitergehen?

Nr. 39 –

Andrea Staka: «Ich möchte ehrlich gelebt haben.»

Wie haben Sie die letzten Tage vor der Abstimmung erlebt?
Ich war im Welschland auf Promotour für «Das Fräulein». In den Publikumsdiskussionen wurde viel über Emigration und Integration gesprochen. Die Zuschauer waren für mich der Lichtblick, sie reflektierten die Problematik stark. Die Menschen in der Westschweiz waren den Abstimmungen gegenüber liberaler gesinnt. So hoffte ich auf eine Ablehnung des Asyl- und Ausländergesetzes …

Was sagen Sie zum Abstimmungsresultat?
Eine konservative, verschlossene Schweiz hat da gewonnen. Im Vordergrund stand leider die Angst vor dem Fremden. Die liberalen Organisationen haben es nicht geschafft, mehr Menschen zu einem Nein zu bewegen. Das drückt viel aus: Ich finde, die Verantwortung liegt nun beim Staat, mit einer klaren und klugen Integrationspolitik zu beginnen und gegen das negative Bild der Ausländer in unserer Gesellschaft anzukämpfen. Das Okay zur Integrationspolitik haben sie vom Volk jetzt ja durch die Annahme des Ausländergesetzes erhalten. Ich hoffe, die Schweiz vergisst nicht, was sie einmal war: ein Land, das Menschen in Not hilft.

Ihre ersten drei grösseren Filme sind dem Thema «Frauen aus Exjugoslawien» gewidmet: Könnte es sein, dass Sie sich als Filmerin aus diesem Themengeflecht wegbewegen werden?
Klar. Aber in erster Linie sehe ich als Thema meiner Filme Stadt, Entwurzelung, Einsamkeit, Angst. Ich behandle immer Themen, die mich grad interessieren, berühren. Mal sehen, was als Nächstes kommt.

Mit welcher Vorstellung war damals Ihr Entschluss verbunden, Filmemacherin zu werden?
In London besuchte ich den Vorkurs in Film und Fotografie und machte dort mit Studenten einen ersten Kurzfilm, so habe ich das Filmen entdeckt. Mir gefiel, dass ich mit einem Team kreativ arbeiten konnte. Das Kino hatte für mich aber schon immer etwas sehr Magisches. Ich tauche gerne in andere Welten ein. Film ist für mich die Kunst, die am meisten mit unserer Seele zu tun hat. Durch meine Filme drücke ich meine Gefühle aus, und das ist lebenswichtig für mich.

Was waren Ihre Schlüsselerlebnisse als Zuschauerin im Kino?
Ich ging schon als Kind gern ins Kino. «Heidi» war für mich ein wichtiges Erlebnis. Ich musste damals sehr weinen. Als Zehnjährige sah ich Ingmar Bergmans Film «Zauberflöte», ich verstand davon zwar noch nicht viel, doch da war die Atmosphäre und die klassische Musik … Das berührte mich tiefer, als wenn mir nur eine Geschichte erzählt worden wäre.

Gibt es etwas, worüber Sie schon immer einen Film machen wollten?
Ein Remake der Kinderserie «Die Rote Zora». Ich habe schon immer den Mut und die Unabhängigkeit der Zora bewundert. Und ich finde, man könnte diese Geschichte auch heute noch aktuell erzählen.

Haben Sie eine Methode, wie Sie neue Themen und Ideen finden?
Das ist bei jedem Film anders. Es kann eine Figur sein, die mich intrigiert, eine Atmosphäre, ein Buch.

Wie werden Sie die Preisgelder einsetzen?
Das werde ich mir gut überlegen. Einen Teil werde ich sicher zum Leben brauchen; auf diese Weise kann ich mir auch mehr Raum zum Nachdenken über neue Projekte nehmen.

Was möchten Sie in Ihrem Leben auf jeden Fall gemacht haben?
Ehrlich gelebt haben – und mit dem Auto einmal quer durch Amerika gereist sein.

Andrea Staka fotografierte bereits in ihrer Jugend. 1992 wurde sie am London College of Printing aufgenommen, hier verlagerte sich ihr Interesse zum Film. Ihr Studium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich schloss sie 1998 ab. Ihr Film «Das Fräulein» über Frauen aus Exjugoslawien in der Schweiz wurde mit dem Goldenen Leoparden 2006 ausgezeichnet.