Durch den Monat mit Ricardo Lumengo (Teil 4): Sind Sie ein Kiffer?

Nr. 51 –

WOZ: Gleich in Ihrer ersten Nationalratssession ging es drunter und drüber. Wie haben Sie die Abwahl von Christoph Blocher erlebt?
Ricardo Lumengo: Da ich mir Sorgen um die Zukunft der Konkordanz machte, habe ich der Bundesratswahl mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Ich habe mich gefragt, ob es sich lohnt, eine politische Krise zu riskieren, um Blocher loszuwerden.

Sie fanden es heikel, Blocher abzuwählen?
Nein. Blocher war nicht tragbar als Bundesrat. Er hielt sich nicht ans Kollegialitätsprinzip, und inhaltlich war ich mit seiner Politik sowieso nicht einverstanden, speziell wegen der xenophoben Kampagnen, die er mitlanciert hat. Ich hab mich also über seine Abwahl gefreut. Heikel war hingegen die Frage, was mit seinem Sitz geschehen sollte. Die Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf war eine gute Lösung. Einerseits ist sie von der SVP, womit die Konkordanz bewahrt bleibt, andererseits wird sie im Bundesrat zur Kollegialität stehen.

Wann haben Sie zum ersten Mal gehört, dass Eveline Widmer-Schlumpf als Kandidatin gehandelt wird?
An der Fraktionssitzung vom Dienstag, am Vortag der Wahl. Noch bis zum zweiten Wahlgang am Mittwoch glaubte aber niemand in der Fraktion daran, dass der Plan aufgehen würde. Als Widmer-Schlumpf gewählt wurde, war ich mir sicher, dass sie die Wahl annehmen würde, schliesslich war ja schon mit ihr gesprochen worden, und es hatte entsprechende Signale gegeben.

Macht Ihnen die angedrohte SVP-Oppositionspolitik Angst?
Nein, von Angst würde ich nicht sprechen. Unser System ist so ausgestaltet, dass man immer mit Referenden und Initiativen Opposition betreiben kann. Diese muss aber konstruktiv sein. Eine destruktive Opposition wird von der Bevölkerung nicht goutiert und wird deshalb scheitern.

Wie wurden Sie eigentlich von 
Ihrer Fraktion in den Parlamentsalltag eingeführt?
Die erfahrenen Mitglieder der Fraktion helfen den Neulingen, so gut es geht. Es gibt kein eigentliches «Göttisystem», wie es beispielsweise im Grossen Rat gepflegt wurde, wo jeder Neuling einen bestimmten Ansprechpartner hatte. Hier sind alle für alle da. Wer Fragen hat, findet jemanden mit einer kompetenten Antwort. Die Stimmung in der Fraktion würde ich als sehr gut bezeichnen.

Im Gegensatz zur Mehrheit Ihrer Fraktion haben Sie sich im Nationalrat gegen die Hanfinitiative ausgesprochen. Haben Sie noch nie Cannabis konsumiert?
Nein, das habe ich noch nie. Ich bin der Meinung, dass man das Cannabisverbot beibehalten und auch durchsetzen sollte. Wenn eine Droge nicht verfügbar ist, dann gerät man auch nicht in Versuchung. Eine Liberalisierung würde die Leute dazu animieren, noch mehr zu konsumieren. Was den Konsum betrifft, so könnte ich mir eine Entkriminalisierung vorstellen. Da die Initiative aber auch Anbau und Handel liberalisieren will, habe ich sie abgelehnt.

Schwarzafrikaner geraten häufig in Polizeikontrollen, da sie von der Polizei für Drogendealer gehalten werden. Ist Ihnen das persönlich auch schon passiert?
Ich hatte tatsächlich einige unangenehme Begegnungen mit der Polizei. Zum Beispiel haben mich eines Abends in Biel zwei Polizisten angehalten und wollten meine Papiere sehen. Als ich verlangte, dass auch sie sich ausweisen sollten, warfen sie mich zu Boden. Nachdem sie meinen Ausweis überprüft hatten, sagten sie, sie hätten mich kontrollieren müssen, da neunzig Prozent der Schwarzen Drogendealer seien. Das war schmerzhaft und erniedrigend.

Wie könnte solch diskriminierendem Verhalten entgegengewirkt werden?
Ich habe bereits auf städtischer und kantonaler Ebene in Postulaten vorgeschlagen, dass man vermehrt Menschen mit Migrationshintergrund und insbesondere mit anderer Hautfarbe für die Polizeiarbeit gewinnen sollte. Damit könnten Vorurteile der Polizei gegenüber Migrantinnen und Migranten abgebaut werden. Gleichzeitig würde auch das Misstrauen der Ausländerinnen und Ausländer abnehmen, und es käme zu weniger Missverständnissen. Zurzeit warte ich auf die Umsetzung meines Postulats durch die Berner Kantonsregierung.

Ricaardo Lumengo (45) ist SP-Nationalrat und Jurist aus Biel. Er wird der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (SIK) angehören.