Durch den Monat mit Felix Lang (Teil 3): Importe beschränken?

Nr. 12 –

Felix Lang: «Den Gewerkschaften geht es um Löhne, den Bauern um Preise. Aber letztlich sind das auch Löhne!» Foto: Ursula Häne

WOZ: Was beschäftigt Sie in der Landwirtschaftspolitik am meisten?
Felix Lang: Ich glaube, ich habe selbst innerhalb von Links-Grün eine exotische Meinung: Ich sehe die Landwirtschaft immer mehr als einen Indikator für die ganze Wirtschaft. Wenn die Wirtschaft gesund wäre, angepasst an die Umwelt, dann würde die Landwirtschaft gar keine staatliche Unterstützung brauchen. Was jetzt passiert, bestätigt mir, dass die Wirtschaft nicht der Natur angepasst ist. Es gibt darin keine Kreisläufe.

Aber die Wirtschaft ist doch voller Kreisläufe …
Ich meine geschlossene Kreisläufe, wie wir sie in der Biolandwirtschaft zu schaffen versuchen: Die Kuh frisst Gras und düngt mit ihrem Mist wieder die Wiese. Pflanzen setzen Sauerstoff frei, Menschen und Tiere verbrauchen ihn und atmen Kohlendioxid aus, das die Pflanzen wieder aufnehmen. Die ganze Wirtschaft sollte so aufgebaut sein. Aber was wir im Moment -haben, ist ein riesiges Schneeballsystem. Der Finanzmarkt ist ja nichts als ein Schuldengeldmarkt – und jetzt finden sie keinen Gegenwert mehr für die Schulden. Das Ganze ist inzwischen so undurchsichtig, dass sogar Fachleute nicht mehr wissen, wie es genau funktioniert. Ich sehe da wirklich sehr schwarz.

Bundesrätin Doris Leuthard verhandelt zurzeit über einen Agrarfreihandel mit der EU. Diese Frage hat die Biobauern gespalten: 
Der Vorstand der Bio Suisse ist dafür, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden. Die Basis ist sehr skeptisch.
Im Prinzip wollen ja alle das Gleiche, auch die konventionellen Bauern: Wir wollen die Wertschöpfung und die hohe Qualität der Schweizer Lebensmittel erhalten – die Frage ist nur wie.

Die Bio Suisse setzt auf eine Qualitätsstrategie: Landwirtschaft, Verarbeiter und Lebensmittel
handel sollen zusammenarbeiten und die Kundinnen mit ökologisch her-gestellten Qualitätsprodukten 
an sich binden. Was halten Sie davon?
Die Qualitätsstrategie finde ich super – aber sie reicht nicht. Es braucht -irgendeinen Schutz für die Qualität und für unsere Standards. Vor allem, weil die Lebensmittelpreise noch stärker unter Druck kommen werden, wenn die Rezession zuschlägt.

Sie haben in der Zeitung «Schweizer Bauer» den Vorschlag gemacht, dass nur noch Produkte importiert werden dürfen, die nach unseren Standards hergestellt werden. Also keine Eier von Batteriehühnern, kein Hormonfleisch …
Das müsste das Ziel sein, ja. Es geht doch nicht, dass wir in der Schweizer Landwirtschaftspolitik die Ökologie, das Tierwohl betonen und gleichzeitig solche Waren importieren. Das ist Heuchelei.

Eine solche Importbeschränkung ist aber nicht realistisch.
Ich weiss. Möglich wäre eine Abgabe auf unfair oder unökologisch produzierte Produkte. Die Einnahmen aus dieser Abgabe könnten so eingesetzt werden, dass sie dort, wo die Waren herkommen, die Standards heben – zuerst einmal im sozialen Bereich. Darum sollten in die Diskussionen um den Agrarfreihandel auch Gewerkschaften einbezogen werden. Heute sagen viele Gewerkschafter: «Ja, sofort Freihandel, dann werden die Lebensmittel billiger, das gibt mehr Kaufkraft.» Das ist ja auch verständlich. Aber es fragt sich, zu welchem Preis. Wenn die Gewerkschaften sich bewusst werden, dass für diese Billigprodukte Landarbeiter in Spanien wie Sklaven schuften müssen, werden sie hoffentlich umdenken. Ich erwarte schon, dass sie noch etwas internationale Solidarität zeigen.

Auch in der Schweiz sind die Bedingungen im Gemüsebau nicht rosig.
Ja, da sind wirklich jene Bauern die -Beschissenen, die ehrlich sind und noch anständige Löhne zahlen. Die haben keine Chance mehr, wenn die Grenzen aufgehen und sie mit Gemüse aus Südspanien konkurrieren müssen. Eigentlich fordere ich nichts anderes, als was die Gewerkschaften bei der Personenfreizügigkeit gefordert haben: Schutz für die Beschäftigten. Nur ging es dort um Löhne – da ist man noch etwas sensibler –, und bei den Bauern geht es um Produktpreise. Aber letztlich sind das auch Löhne!

Wie geht es weiter mit dem Agrarfreihandel?
Ich glaube nicht mehr, dass wir akzeptable Bedingungen aushandeln können. Und somit wird es auf einen Abstimmungskampf hinauslaufen. Da stört es mich nicht, mit der SVP zusammenzuspannen, auch wenn ich andere Gründe habe als sie.