Omnisec: Die zweite Firma

Nr. 8 –

Agierten auch bei der Zürcher Verschlüsselungsfirma Omnisec Geheimdienste im Hintergrund? 2013 deckte die WOZ Ungereimtheiten bei der grössten Konkurrentin der Crypto AG auf. Inzwischen hat Omnisec ihren Betrieb eingestellt. Doch die Zahl der offenen Fragen hat weiter zugenommen.

Illustration: Franziska Meyer

Seit letzter Woche ist endlich bewiesen, was jahrzehntelang vermutet wurde: Die Zuger Firma Crypto AG war eine Tarnfirma des US-Geheimdiensts CIA und seines deutschen Pendants BND. Enthüllt wurde dies, weil dem deutschen Journalisten Peter F. Müller zwei Geheimdienstberichte der CIA und des BND zugespielt wurden, die diese Operation dokumentieren. Während der BND zu Beginn der neunziger Jahre aus der Crypto AG ausstieg, steuerte die CIA die Schweizer Firma noch bis 2018 weiter.

Die Geschichte um die Crypto  AG wirft grundsätzliche Fragen zur Schweizer Neutralität und zur Zusammenarbeit der Schweiz mit ausländischen Geheimdiensten auf. Die Behörden müssen die Öffentlichkeit baldmöglichst darüber aufklären, wer in der Regierung, der Verwaltung und im Militärapparat was wusste. Brisant ist aber auch ein zweiter, bisher unbeachteter Fall: jener der grössten Schweizer Konkurrenz der Crypto AG, der Verschlüsselungsfirma Omnisec. Auch hier tun sich zahlreiche Ungereimtheiten auf – und die drängende Frage: War auch Omnisec von ausländischen Geheimdiensten gesteuert?

Angesichts des Aufwands, den BND und CIA mit der Crypto AG betrieben, ist es schlicht nicht vorstellbar, dass sie tatenlos zuschauten, wie eine Konkurrenzfirma aus dem zürcherischen Furttal tatsächlich abhörsichere Mobiltelefone, Faxgeräte oder solche zur computergestützten Datenübermittlung weltweit an Regierungen und Militärs auslieferte. Omnisec machte Geschäfte mit geostrategisch wichtigen Staaten wie Libyen, Venezuela, Nigeria, der Ukraine und den Staaten am Persischen Golf. Unter welcher Kontrolle stand sie? Wer finanzierte sie? Was wussten die Schweizer Militärs als grösste Kunden von Omnisec über die Besitzverhältnisse und die Einflüsse?

Kapital aus den Antillen

Die WOZ deckte 2013 auf, dass der Betrieb von Omnisec durch mehrere Geldspritzen unbekannter Quelle finanziert war (siehe WOZ Nr. 49/2013 ). Einträge im Handelsregister zeigen, dass die Briefkastenfirma Torcross aus den Niederländischen Antillen als benannte Hauptaktionärin am 2. November 1995 sowie am 7. Dezember 2000 fünf beziehungsweise fünfzehn Millionen Franken an die Firma Argonium zahlte, die wiederum Omnisec besass und finanzierte.

Omnisec gehörte zu diesem Zeitpunkt also auch Torcross. Als Zeichnungsberechtigter von Torcross fungierte der New Yorker Anwalt Donald Glascoff, der führende Funktionen bei der angesehenen Anwaltskanzlei Cadwalader innehatte. Von der WOZ damals auf dieses Mandat angesprochen, wollte sich Glascoff an nichts erinnern. Fakt ist: Cadwalader arbeitet oft mit US-Regierungsstellen zusammen und verfügt über exzellente Verbindungen zu US-Geheimdiensten. Bis heute bleibt unklar, wer hinter den Geldspritzen von den Antillen steht. Die WOZ hat inzwischen mit fast allen Beteiligten gesprochen, Verwaltungsräten, Geschäftsleitern und leitenden Angestellten: Niemand konnte oder wollte dazu etwas sagen.

Omnisec hatte seit ihrem Bestehen mit ihrer Swissness geworben. Nur Schweizer BürgerInnen würden, nach eingehender Sicherheitsüberprüfung, eingestellt: Alles sei in Schweizer Hand, die Besitzverhältnisse seien klipp und klar. Die Marketingbotschaft war eindeutig und wurde – so berichteten es diverse ehemalige Mitarbeiter – auch von den KundInnen verstanden: Omnisec ist sauber – ganz im Gegensatz zur Crypto AG, wo spätestens seit Mitte der neunziger Jahren viele Fragezeichen auftauchten.

Doch auch bei einem jahrelangen Aushängeschild der Firma enthüllen sich bei näherem Hinsehen Widersprüche und ein Täuschungsmanöver: So behauptet ein ehemaliges Verwaltungsratsmitglied von Omnisec, der «währschafte Schweizer» Beat Bettschart sei seit Firmengründung bis zu seinem Tod 2002 Besitzer der Firma gewesen. Andere wiederum geben den Genfer Anwalt Urs Ingold als ersten Besitzer an, der Ende der neunziger Jahre die Firma an Beat Bettschart verkauft haben soll.

Wie dem auch sei: Beat Bettschart wird 1999, also zehn Jahre nach ihrer Gründung, Verwaltungsratspräsident von Omnisec. In dieser Zeit verfügt er auch über ein eigenes Büro am Firmensitz in Dällikon und besucht hin und wieder Kunden. Von einem klassischen Schweizer kann jedoch keine Rede sein: Bettschart lebte seit den fünfziger Jahren in den USA. Er heiratete dort und wurde Vater von sechs Kindern. In den siebziger und achtziger Jahren arbeitete er am Hauptsitz des Grosskonzerns Rockwell in führender Position. Bettscharts Lebensmittelpunkt bleiben auch während seiner Zeit bei Omnisec die USA. Am 20. April 2002 stirbt er dort und wird in Pittsburgh begraben.

Aufbau, Übernahme, Liquidierung

Wurde Omnisec mit Geldern der CIA finanziert? Noch sind die Quellen zu den Cryptoleaks nicht öffentlich. Dem Vernehmen nach gibt es in den beiden Geheimdienstberichten aber Hinweise darauf. So wurde die Gretag, die Vorgängerfirma von Omnisec, von der CIA als grösste Gefahr angesehen. Offenbar gelang es CIA und BND aber nie, sie unter Kontrolle zu bringen. Als die Firma jedoch Mitte 1980 ihr Verschlüsselungsgeschäft abstiess, schien die Gelegenheit günstig gewesen zu sein. Laut Quellen der «Washington Post» nutzte die CIA Geldmittel, die durch die Einnahmen aus dem Geschäft der Crypto AG generiert worden waren, um «eine weitere Firma zu übernehmen und eine weitere aufzubauen». Genaueres ist nicht bekannt.

Tatsächlich wurde aus dem Verschlüsselungsgeschäft der Gretag in den achtziger Jahren eine neue Firma aufgebaut: Omnisec, die sich ausschliesslich um staatliche und militärische Kunden kümmerte. Den zivilen Teil, der insbesondere auch das Geschäft mit der Verschlüsselung von Bankeninformationen beinhaltete, verkaufte die Gretag 1991 dem US-Telekomkonzern AT & T. Dieser reichte das Unternehmen 1995 an eine Firma mit dem Namen Resource Engineering weiter, die zuvor von zwei ehemaligen Mitarbeitern des US-Geheimdiensts NSA gegründet worden war.

2017 wurde die WOZ von einem Leser auf die Betriebseinstellung der Omnisec aufmerksam gemacht. Als Mitarbeiter einer Firma, die die Omnisec mit technischen Geräten beliefert hatte, wunderte er sich über die Liquidierung. «Die hatten noch kurz zuvor teure Geräte eingekauft», sagte der Mann, der anonym bleiben wollte. Omnisec habe die Geräte bei der Liquidierung zu Schleuderpreisen abgestossen.

Gewundert über die Betriebsschliessung haben sich auch damalige Mitarbeiter. Viele Staaten hätten explizit Verschlüsselungsgeräte der Omnisec gewollt, weil sie zwar der Neutralität der Schweiz vertraut hätten, der Crypto AG hingegen nicht, war zu hören. Im Umfeld der Omnisec war man ebenfalls erstaunt darüber, dass der damalige Besitzer Clemens Kammer die Firma nicht weiterverkaufte.

Clemens Kammer sagte 2017 im Gespräch, dass die Firma nicht Konkurs gehe, sondern finanziell gut dastehe. Er behauptete allerdings, keinen Nachfolger zu finden. Das Geschäft würde sich nicht mehr lohnen: «Unsere Eigenentwicklungen auf dem Markt sind einfach zu teuer.» Viele Kunden würden sich mit günstigeren Standardlösungen zufriedengeben, weil sie davon ausgingen, dass absolute Sicherheit sowieso nicht möglich sei. Tatsächlich sei es immer schwieriger geworden, diese zu garantieren.

Heute weiss man: Omnisec hat just zu dem Zeitpunkt ihr Geschäft eingestellt, als die CIA sich daran machte, die Crypto AG aufzulösen.

«Wir waren nur eine kleine Firma»

Viele Fragen bleiben offen. Einige davon könnten möglicherweise frühere und heutige Funktionäre der Schweizer Armee beziehungsweise des militärischen Geheimdiensts beantworten.

Omnisec war von Anfang an sehr eng mit Armeekreisen verbunden, wie verschiedene frühere Omnisec-Verwaltungsräte sagten. Die Gründung der Firma sei auf Bestreben der damaligen Gruppe für Rüstungsdienste (heute Armasuisse) des Militärdepartements erfolgt. Der offizielle Gründer von Argonium, der inzwischen verstorbene Genfer Anwalt Urs Ingold, soll im militärischen Nachrichtendienst aktiv gewesen sein. Er war als Oberstleutnant zeitweilig Platzkommandant von Genf. Hans-Jörg Bärtschi, der Omnisec offiziell zwischen 2004 und 2014 besass, amtet derzeit als Präsident der schweizerischen Rüstungskommission (zur WOZ sagte er vor drei Jahren: «Wir waren nur eine kleine Firma. Da gab es keine Interessen der Geheimdienste.»). In der Geschäftsleitung von Omnisec sass in ihren letzten Jahren zudem ein Oberst der Schweizer Armee, der heute beim VBS für Cyber Security zuständig ist.

Insbesondere stellt sich die Frage: Wieso liess die Schweizer Armee zu, dass einer ihrer Hauptlieferanten für Verschlüsselungstechnik aus dubiosen Quellen Geldspritzen erhielt? Oder wusste sie womöglich nichts davon?

Eines ist hingegen klar: Wenn nun das Parlament die Machenschaften um die Crypto AG untersuchen will, dann müssen auch die Vorgänge rund um Omnisec aufgedeckt werden.