Globale Mindeststeuer: Ueli Maurer will den Steuerwettbewerb anheizen

Nr. 8 –

Bald wird bekannt, wie die Schweiz die globale Mindeststeuer umsetzen will. Die WOZ konnte bereits einen Blick auf die Vorlage werfen. Finanzminister Maurer zieht darin eine Drohkulisse auf, um Steuersenkungen durchzusetzen.

Wie die WOZ vergangene Woche berichtete, planen mehrere Kantone angesichts der globalen Mindeststeuer Steuersenkungen für Vermögende. Als die WOZ in den Kantonen nachfragte, haben auch viele Kantone gebremst: Man warte die Umsetzungsvorlage des Bundesrats ab – und positioniere sich erst, wenn deren Regeln bekannt seien.

Nun zeigt sich: Die Zurückhaltung der Kantone scheint unangebracht, denn das Departement Maurer plant kaum Regeln. Der WOZ liegt Ueli Maurers Umsetzungsvorlage vor, die Mitte März in die breite Vernehmlassung geht. Der Verfassungstext erlaubt dem Bund, «grosse internationale Konzerne» separat zu besteuern, insbesondere eben die Mindeststeuer zu erheben. In den Übergangsbestimmungen finden sich Absätze, die zu hochgezogenen Augenbrauen führen: So sollen etwa «Gewinne und Verluste aus der internationalen Schifffahrt» von der Mindeststeuer ausgenommen werden.

Düstere Prognose

Maurer trifft im erläuternden Bericht eine düstere Prognose: «Für die Schweiz stehen damit ein weiteres Mal Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze sowie Steuereinnahmen auf dem Spiel.» 150 Konzerne und 1500 bis 2000 ausländische Tochtergesellschaften sind laut Finanzdepartement von der neuen internationalen Mindeststeuer von fünfzehn Prozent betroffen. Nach Vorgaben der OECD gilt diese für Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro. Maurers Beamt:innen errechnen ein bis zwei Milliarden Franken mehr an Steuern für die Kantone.

Doch wie es sich seit Monaten abzeichnet, freut sich Bundesrat Maurer nicht auf das Geld. In den Dokumenten fürchtet man, dass «Unternehmen ihre Investitions- und Standortentscheidungen zuungunsten der Schweiz» treffen könnten. Konzerne würden wegziehen, alle anderen Steuern weniger Einnahmen abwerfen und die Beiträge an AHV und andere Sozialversicherungen abnehmen. «Die Schweiz dürfte gesamthaft betrachtet verlieren», resümiert das Finanzdepartement – freilich ohne dies zu belegen. Die Schwarzmalerei, das wird aus den vorliegenden Papieren deutlich, dient einem Zweck: Als erster Schritt sollte die Stempelsteuer abgeschafft werden, in einem zweiten die Verrechnungssteuer fallen. Als Nächstes würde die Tonnagesteuer ein neues Schlupfloch für die Frachtschifffahrt schaffen. Mindestens so wichtig scheint dem Finanzdepartement aber, dass der Steuerwettbewerb unter den Kantonen ungebremst weitergeht.

Die Kantone sollen «souverän entscheiden», ob sie «Standortmassnahmen ergreifen». Standortmassnahmen: Das ist Beamt:innensprech für Steuersenkungen – oder Subventionen an Unternehmen, wie sie etwa in der EU bereits verbreitet sind. Schwarz auf weiss heisst es: «Der Bund wird ihnen hierbei keine Vorgaben machen.» Manche Finanzdirektor:innen sind so neoliberal, dass sie gegenüber solchen Subventionsideen skeptisch sind. Aber hier bietet das Finanzdepartement Stützräder: Das Beratungsunternehmen KPMG hat den Auftrag gefasst, auszuloten, mit welchen Tricks andere Länder agieren, um Forschung zu subventionieren.

Zweckgebundene Rückverteilung

Abgesehen von «verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben», soll der Steuerwettbewerb der Kantone trotz globaler Mindeststeuer ungebremst wirken. Die WOZ liest die Passage SP-Kopräsident Cédric Wermuth vor. «Genau das kommt nicht infrage», sagt Wermuth, der die Dokumente noch nicht kennt. Wenn national nicht mindestens ein Rahmengesetz komme, könnten «Kantone wie Zug ihr Steuerdumping auf ein ganz anderes Niveau führen». Die SP arbeite bei der Umsetzung der Mindeststeuer auf «so viel schweizweite Steuerharmonisierung wie möglich» hin. «Das Geld gehört den Menschen, nicht den Finanzdirektor:innen. Wenn 26 Kantone für sich fuhrwerken, führt das zu noch mehr Intransparenz und noch absurderem Steuerwettbewerb.»

Die Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser sagt: «Ueli Maurers Strategie bei der Mindeststeuer ist relativ klar.» Darum erarbeiten die Grünen bereits ein Alternativmodell: Die Einnahmen aus der neuen Mindeststeuer sollen nicht an die Kantone, sondern an den Bund gehen. Mit dem Geld wollen die Grünen den Umbau der Wirtschaft finanzieren. «Wir verfolgen die Idee einer zweckgebundenen Rückverteilung an alle Unternehmen.» Die Subventionen sollen nicht einfach Konzerne milde stimmen, sondern auch kleinen Unternehmen «Transitionsprojekte zur Bewältigung der Klimaherausforderung» ermöglichen. Derzeit würden die Grünen konstruktiv auf eine «gute Umsetzung» hinarbeiten, so Ryser. Doch zeichne sich ab, dass sich nur «neue Geschenke und Entlastungen für Konzerne durchsetzen», könnten sie sich dagegenstellen.

Es ist möglich, dass Maurer die Linke in der bevorstehenden Volksabstimmung zur Mindeststeuer braucht. Zwar haben SVP-Finanzdirektor:innen von Zug bis Zürich ein Interesse daran, dass die Schweiz die Mindeststeuer auf international akzeptierte Art umsetzt. Doch grosse Teile der SVP stellen sich aus Prinzip gegen jede internationale Abmachung. Falls Widerstand von rechts droht, besteht die Chance, dass SP und Grüne einige Anliegen in der Umsetzung der Mindeststeuer durchsetzen. Die globale Mindeststeuer könnte dann zu weniger statt zu mehr Schlupflöchern führen.