Verrechnungssteuer: Bestell dir eine Studie
Was tun, wenn man eine Wirtschaftsabstimmung zu verlieren droht? Man bestellt sich wie die Befürworter:innen der Verrechnungssteuerreform eine massgeschneiderte Studie: Die Reform brächte dem Fiskus jährlich 300 Millionen Franken mehr ein, behauptet das Forschungsbüro BAK Economics. Die Studie ist jedoch nicht nur massgeschneidert. Es ist gravierender.
Konzerne, die sich Geld leihen, indem sie Investoren Obligationen vergeben, zahlen heute 35 Prozent der Zinsen direkt ans Steueramt, die sie dann wieder zurückverlangen können. Dies verhindert, dass Investoren Zinsen hinterziehen. Konzerne klagen seit Jahren, dass ausländische Investoren nicht hier investierten, weil die Rückforderung der Steuer zu mühsam sei. Darum soll sie gestrichen werden.
Dies wird zu Steuerausfällen von mehreren Hundert Millionen Franken führen, weil ausländische Investoren heute einen Teil der Verrechnungssteuer nicht zurückerhalten und einige Geldgeber ihre Steuern hinterziehen werden. Die Reform, so die Studie, werde jedoch zu einem Ausbau des Obligationengeschäfts um 900 Milliarden Franken führen, was zusätzliche Steuereinnahmen bringe; die Ausfälle würden damit überkompensiert.
Die genannten 900 Milliarden entstammen allerdings einem Blogeintrag der Bankiervereinigung, in dem ein paar Zahlen ohne klare Quellenangaben addiert werden, wie der Lausanner Ökonomieprofessor Marius Brülhart auf Twitter bemerkte. Diese Zahl wird dann mit «gängigen Margen» multipliziert, um zu den angeblich zusätzlichen Steuereinnahmen zu gelangen. Man kann dem sonst politisch eher zurückhaltenden Brülhart nur zustimmen, der von «Propaganda» spricht.
Doch das ist noch nicht alles: Die drohenden Ausfälle wegen Steuerhinterziehung (die die Verrechnungssteuer heute verhindert) werden im Papier gar nicht erst berücksichtigt, wie es irgendwo beiläufig heisst. Das sei nicht quantifizierbar. Diese Studie ist nicht einfach nur massgeschneidert. Sie ist schlicht Unsinn.