Landwirtschaft: «Der Boden ist zu kostbar»
Der Bauernverband sagt Ja zur Autobahnvorlage, doch seine Basis ist kritisch.
Jede Woche stellt die Zeitung «Schweizer Bauer» ihren Leser:innen eine Frage. Letzte Woche ging es um den Autobahnausbau – mit deutlichem Resultat: 72 Prozent der Teilnehmenden wollen am kommenden Sonntag Nein stimmen. Anders als die «Bauernzeitung» gehört der «Schweizer Bauer» zwar nicht dem Schweizer Bauernverband (SBV), steht ihm jedoch politisch nahe. Der SBV wirbt zusammen mit der SVP nach Kräften für ein Ja zu den Autobahnen. Gegen die eigene Basis? Ja, sagt Eva Fuhrimann, Landwirtin in Bützberg bei Langentha: «Ich erlebe das bäuerliche Umfeld als sehr kritisch.» Viele sähen den Sinn des Autobahnausbaus nicht: «Der Stau verschiebt sich nur, und dann muss man woanders weiter ausbauen.» Auch der Branchenverband Bio Suisse, die Kleinbauernvereinigung sowie die Walliser und die Genfer Sektion des Bauernverbands plädieren für ein Nein.
Fuhrimann engagiert sich in der IG Natur statt Beton, die letztes Jahr die Umfahrung von Aarwangen bekämpfte (siehe WOZ Nr. 7/23) – und die kantonale Abstimmung verlor. Die neue Strasse wird in der Nähe von Fuhrimanns Hof vorbeiführen. «Verbautes Land lässt sich nicht ersetzen, auch bei dieser Strasse nicht!» Vor der kantonalen Abstimmung sei es schwierig gewesen, Leute in anderen Kantonsteilen zu sensibilisieren. Jetzt sei die Diskussion viel breiter.
Fuhrimann sagt, oft höre sie das Argument: «Wir können doch nicht bei der Biodiversitätsinitiative sagen: Wir wollen kein Land hergeben, aber hier spielt es keine Rolle.» Das Gegenargument von SBV-Präsident Markus Ritter auf der Verbandswebsite: Beim Autobahnausbau gehe es nur um zehn Hektaren Agrarland. «Bei der Biodiversitätsinitiative wäre eine Fläche von gegen 200 000 Hektaren aus der Produktion genommen worden.» Der Vergleich hinkt: Ein Ja zur Initiative hätte (bei strenger Umsetzung) zu neuen Umweltauflagen für manche Landwirt:innen geführt, aber sicher nicht zu 200 000 Hektaren neuen Naturschutzgebieten. Und vor allem: Extensiv bewirtschaftetes Land liesse sich bei akuter Lebensmittelknappheit wieder intensiver nutzen. Unter dem Asphalt ist der Boden tot.
Der SBV betont, die Landwirtschaft und der Rest der Wirtschaft hätten gemeinsame Interessen. Fuhrimann hingegen kritisiert das Bündnis zwischen Bauernverband und Wirtschaftsverbänden als unheilige Allianz. Das habe sie auch Markus Ritter schon geschrieben. «Wir können unsere Produktion nicht in irgendwelche anderen Länder verlegen. Der Boden ist, wo er ist. Und er ist zu kostbar, um für etwas zerstört zu werden, das keinen langfristigen Nutzen hat.»