Autobahnbau: Profite für die einen, Staub für die anderen
Ein paar grosse Baufirmen würden vom geplanten Autobahnausbau profitieren. Die betroffene Bevölkerung hingegen wäre über Jahre Baulärm ausgesetzt und verlöre wichtige Naherholungsgebiete.
Trotz der Millionen von Franken, die Bundesrat Albert Röstis Bundesamt für Strassen (Astra) laut Medienberichten in externe PR-Agenturen gesteckt hat, bröckelt die Zustimmung für den Autobahnausbau. Gemäss der jüngsten Umfrage der SRG stellt sich gar eine hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent gegen die Vorlage, über die das Stimmvolk am 24. November entscheidet. In den vergangenen Wochen haben Zivilgesellschaft und Medien die falschen Versprechen des Astra geradegerückt, die tatsächlichen Kosten offengelegt, eine Debatte darüber angeregt, ob Hunderttausende zusätzliche Tonnen Asphalt wirklich der Weg in die Zukunft sind. Doch wenig Licht fiel bislang auf das gigantische Geschäft, das der Autobahnausbau verspricht. Wie Recherchen der WOZ zeigen, würde eine Handvoll grosser Baufirmen finanziell enorm von den riesigen urbanen Bauprojekten profitieren. Die Belastung zu tragen hätten die Anwohner:innen, die über Jahre hinweg Bauemissionen ausgesetzt wären und wichtige Naherholungsgebiete verlören.
Meist teurer als geplant
Die WOZ hat sich die Berichte zum Beschaffungswesen des Astra von 2017 bis 2023 angesehen und mehrere Dutzend grosse Vergaben (über 50 Millionen Franken) detailliert nachrecherchiert. Dabei zeigen sich zwei Auffälligkeiten. Zum einen werden die Autobahnprojekte am Ende oft teurer als ursprünglich budgetiert, denn in vielen Fällen kommen sogenannte Nachträge hinzu, meist wegen «unvorhergesehener Mehrleistungen». Sanierungsarbeiten im Kanton Wallis wurden so 55 Prozent teurer als ursprünglich geplant, was 49 Millionen Franken Steuergeldern entspricht. Bei Arbeiten im Berner Oberland lagen die Mehrkosten bei 25 Prozent oder 39 Millionen Franken. Somit kann davon ausgegangen werden, dass zu den für den Autobahnausbau budgetierten 4,9 Milliarden Franken nochmals einige Hundert Millionen Franken an Nachträgen hinzukommen.
Zum anderen werden gerade die grossen Aufträge oft von den gleichen drei Firmen ausgeführt: der Implenia AG, der Marti Group und der Walo Bertschinger AG. Im Nationalstrassenbau scheint eine Art Oligopol zu bestehen: Die drei Generalunternehmen teilen den Milliardenmarkt weitgehend unter sich auf. «Grosse Marktmacht ist per se nichts Verwerfliches», sagt Kartellrechtler Peter Müller, Präsident des Thinktanks Fairer Wettbewerb und ehemaliger Vizedirektor im Bundesamt für Justiz, «doch sie bringt ein gewisses Potenzial für Kartellrechtsverletzungen mit sich.» Die entscheidende Frage sei, wie die Unternehmen mit ihrer Macht umgingen. Doch bei dieser Marktkonstellation braucht man gar nicht von missbräuchlichen Absprachen auszugehen, um zu sehen, dass diese Unternehmen vom Ausbau der Autobahnen profitieren. Überdies erhalten sie tatkräftige Unterstützung aus der Politik. So wird der Verwaltungsrat der Walo Bertschinger AG von FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen präsidiert, der sich als Vorstandsmitglied des Dachverbands der Schweizer Bauwirtschaft, Bauenschweiz, für ein Ja zum Autobahnausbau einsetzt.
Wie der «K-Tipp» Ende Oktober ausgerechnet hat, dürften die sechs Projekte etwa 7,1 statt der angegebenen 4,9 Milliarden Franken teuer werden – die zu erwartenden Nachträge im Baubereich sind hier noch ausgeklammert. Die Kosten für die Instandhaltung und den Betrieb des gesamten Autobahnnetzes betragen rund 3 Milliarden Franken jährlich, Tendenz steigend. Zwar werden diese Ausgaben durch verschiedene Abgaben und Steuern von Autofahrer:innen grundsätzlich selbst gedeckt, doch mit jedem zusätzlichen Kilometer Autobahn und jeder zusätzlichen Spur steigen die Kosten an.
Acht Prozent der Verkehrsemissionen
Während Wartung und Bau von Autobahnen immense Beträge in die Kassen der Grossunternehmen spülen, trägt die Allgemeinheit die Kosten. Wie die Zeitschrift «La Revue Durable» schätzt, wird allein der Bau der vom Bund bis 2030 geplanten Autobahnprojekte insgesamt 3,3 Millionen Tonnen CO₂, sprich 471 500 Tonnen CO₂ pro Jahr verursachen und somit für mehr als acht Prozent der kompletten Verkehrsemissionen verantwortlich sein. Den Asphaltmassen werden ausserdem fruchtbares Ackerland, Wälder und andere Grünflächen geopfert. Das hat Auswirkungen auf die Umwelt und die Biodiversität, aber auch ganz konkret auf die Menschen, die diese Flächen als Lebensgrundlage oder Naherholungsgebiete nutzen.
So sollen in Basel mehrere Schrebergartenanlagen verschwinden, weil sie als Installationsplätze für den Bau des Rheintunnels gebraucht werden. Ausserdem würden 1,6 Hektaren des Naherholungsgebiets Hardwald gerodet, und gemäss dem zuständigen Trinkwasserwerk würde gar die regionale Trinkwasserversorgung gefährdet. Besonders betroffen von der langjährigen Bauphase solcher Milliardenprojekte sind aber die direkten Anwohner:innen. Im Fall von Basel sind das jene in den Quartieren Matthäus und Klybeck. Wie die WOZ geschrieben hat (siehe Nr. 42/24), würde einer der wenigen grünen Flecken in den dicht bebauten Quartieren, die Dreirosenanlage, dem Autobahnbau zum Opfer fallen, und eine ganze Generation von Kindern in den beiden benachbarten Schulhäusern würde zehn Jahre lang mit Lärm, Staub und Bau-Chaos aufwachsen.
2,6 Milliarden Franken soll der Basler Rheintunnel kosten. Wird der Autobahnausbau angenommen, streicht eines der drei erwähnten Bauunternehmen wohl einen grossen Teil dieser Summe ein – während Tausende Menschen ihre Gärten und Freizeitgebiete verlieren.
Den Ausgang der Autobahnabstimmung analysieren wir bereits am Abstimmungssonntag: ab circa 18 Uhr auf woz.ch.