Petra Krause (1939–2025): Gewaltfreiheit als «bourgeoiser Luxus»

Nr. 15 –

Sie entging der Justiz, löste eine diplomatische Krise aus und wurde gefeiert wie ein Popstar. Zum Tod einer prägenden Figur der linken siebziger Jahre.

Diesen Artikel hören (4:42)
-15
+15
-15
/
+15
Petra Krause auf dem Flughafen Kloten im August 1977 bei ihrer Überführung nach Italien
Am Ende ein Freispruch: Petra Krause auf dem Flughafen Kloten im August 1977 bei ihrer Überführung nach Italien. Foto: Keystone

Die sehr kurz gehaltene Wikipedia-Biografie bietet nur grobe Orientierung, beginnend mit dem Satz: «Petra Krause war eine deutsch-italienische Terroristin, die mit ihrer Bande in den 1970er-Jahren unter anderem die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Roten Brigaden mit Waffen belieferte.» Jüngeren sage der Name kaum noch etwas, schreibt die linke italienische Tageszeitung «l’Unità» in ihrem Nachruf.

1939 in Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren, wurde Petra Krause mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert, wo ihre Mutter ermordet wurde. Sie selbst überlebte Misshandlungen und medizinische Experimente. Über Ost- und Westdeutschland zog sie 1957 nach Italien; dort politisierte sie sich in den sechziger Jahren. Das Schweigen über die deutschen Menschheitsverbrechen habe sie motiviert; mit politischem Aktivismus habe sie auf ihre eigene Angst reagiert, sagte sie später.

Sie schrieb für «konkret», bereiste Afrika, Asien und Amerika und kam zum Schluss, dass zur Veränderung der Welt revolutionäre Mittel notwendig seien. Gewaltfreiheit sei «ein bourgeoiser Luxus».

Kurt Furgler tobt

Als sie 1975 in Zürich verhaftet wurde, lautete die Anklage, sie habe Sprengstoff und Waffen geschmuggelt und ihr Auto für einen Anschlag auf ein Tochterunternehmen des Mischkonzerns ITT zur Verfügung gestellt. Im Untersuchungsgefängnis wurde sie in Isolationshaft gehalten, wogegen sie mit drei Hungerstreiks protestierte. Nach dem dritten wog sie nur noch 35 Kilo. Im Juli 1977 attestierten ihr zwei Ärzte Haftunfähigkeit.

Wie der «Tages-Anzeiger» vor einigen Jahren publik machte, erregte der Entscheid auch auf höchster Ebene die Gemüter. Bundesrat Kurt Furgler von der CVP tobte demnach in einer Stabssitzung: «Ein Terrorist braucht nichts anderes zu tun, als dank eines Hungerstreiks krank zu werden, um zu erreichen, dass sich die Gefängnistore öffnen.» Doch frei kam Petra Krause nicht. Am 15. August 1977 wurde sie nach Rom ausgeliefert. Dort empfing eine jubelnde Menge sie «wie einen Popstar», wie rechte Medien empört berichteten. Etwa zur selben Zeit erreichte der «Deutsche Herbst» seinen Höhepunkt; die militärische «Offensive 77» der RAF war im Gang, und erst im April waren Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Derweil forderte in Italien eine militante Jugendbewegung den Staat heraus, der mit heftiger Repression reagierte. Zu Krauses prominentesten Unterstützer:innen in Italien zählten die Schauspielerin Franca Rame und ihr Ehemann, der Autor und spätere Nobelpreisträger für Literatur Dario Fo.

Niemals geständig

Das Verfahren gegen Petra Krause sorgte für erhebliche diplomatische Spannungen zwischen Italien und der Schweiz. Italien hatte bereits 1975 ein Auslieferungsgesuch gestellt, um sie wegen eines Brandanschlags auf eine Phosphorfabrik und wegen Waffenhandels vor Gericht zu stellen.

Der Prozess in Neapel endete 1977 allerdings mit einem Freispruch. Die Schweizer Justiz erwartete daraufhin eigentlich Krauses Rückführung, die Italien aber verweigerte. Das Zürcher Obergericht verurteilte Petra Krause schliesslich in Abwesenheit zu dreieinhalb Jahren Gefängnis, wovon sie zwei Drittel bereits in Untersuchungshaft verbüsst hatte. Ein Geständnis legte sie nie ab, und nach 1977 musste sie keine Haft mehr verbüssen.

Petra Krause starb am 2. April in Mailand. Sie wurde 86 Jahre alt. Ihr Sohn Marco Ognissanti, der bei ihr war, sagte nach ihrem Tod: «Gestorben ist ein Stück Geschichte und ein Stück von mir.» Für «l’Unità» verkörperte Krause die linken siebziger Jahre «zwischen Revolution, Befreiungskämpfen und Gefängnis».