Autobahn: Eine Sensation liegt in der Luft
Die Umfrageergebnisse könnten knapper nicht sein: 49 Prozent wollen Ja, 48 Prozent Nein stimmen, vermeldet eine Tamedia-Umfrage, umgekehrt lautet die Prognose der SRG: Da sagen 51 Prozent Nein und 47 Prozent Ja.
Eine Sensation liegt in der Luft: Der Ausbau der Schweizer Autobahnen, quer durch die Schweiz in fünf Städten von Genf über Bern, Basel, Schaffhausen bis St. Gallen, könnte auf den letzten Metern gestoppt werden. Dass eine Überraschung möglich ist, merkt man auch an gut besuchten Podien, bei denen mit hoher Emotionalität über das technische Thema Strassenbau diskutiert wird. Und tatsächlich geht es um weit mehr, als dass in den fünf Städten bloss der Betonmischer angestellt wird:
- Diese Vorlage steht quer zum Klimaziel, zu dem sich die Schweiz verpflichtet hat. Sowohl die Baustellen wie auch der spätere Betrieb werden den CO2-Ausstoss deutlich erhöhen. Allein deshalb hätte der Ausbau gar nie zur Abstimmung kommen dürfen.
- Diese Vorlage bedeutet einen starken baulichen Eingriff in die einzelnen Städte. Sie folgt veralteten Verkehrskonzepten des 20. Jahrhunderts, wonach die Bestimmung jeder Stadt darin liegt, dass die Autos aus dem Umland einen Parkplatz direkt im Zentrum finden.
- Die Vorlage kostet offiziell 4,9 Milliarden Franken, ohne Teuerung und Mehrwertsteuer. Der Bundesrat hat gleichzeitig ein Sparprogramm über 4,3 Milliarden aufgelegt, mit dem auch Klimaschutzmassnahmen rückgängig gemacht werden. Finde den Fehler.
- Und schliesslich stellt die Vorlage ein Diktat aus Bundesbern dar. Die betroffenen Städte können kaum mitreden – es ist durchaus anzunehmen, dass sie alle die Ausbauten ablehnen, diese aber schweizweit knapp angenommen und dann eben doch realisiert werden.
Der Autobahnbau in der Schweiz war historisch schon immer ein äusserst undemokratisches Werk. Seit er 1958 von der Stimmbevölkerung angenommen wurde, fand kaum je eine Abstimmung dazu statt. Umso besser, haben Umweltorganisationen, Grüne und SP diesmal das Referendum ergriffen. Das Meinungsbild, heisst es in den Umfragen, sei gefestigt. Das bedeutet, dass es in den verbleibenden Tagen bis zum 24. November auf die Mobilisierung ankommt. Insbesondere die Frauen stehen dem Ausbau skeptischer gegenüber als die Männer, die Westschweiz ist stärker dagegen als die Deutschschweiz. Hoffen lässt, dass der Trend insgesamt zu einem Nein geht.
Eine Niederlage wäre auch ein Misstrauensvotum gegen Umweltminister Albert Rösti. Sein Bundesamt für Strassen und er selbst operieren immer wieder mit Fake News und unvollständigen Berechnungen. Die Linie seiner Partei setzt Rösti, einer der selbstherrlichsten Bundesräte der letzten Jahrzehnte, häufig auf dem Verordnungsweg durch. Vermutlich hat der Vertreter der sogenannten Volkspartei Angst vor dem Stimmvolk.