Griechenland: Die Hoffnung steht links

Nr. 5 –

So schnell kanns gehen. Noch an Weihnachten hätte kaum jemand einen Cent darauf verwettet, dass einen Monat später – erstmals in der griechischen Geschichte – eine entschiedene Linke die Regierungsgeschäfte übernehmen würde. Zu den vorgezogenen Neuwahlen war es gekommen, weil sich der bisherige Ministerpräsident Antonis Samaras von der Nea Dimokratia (ND) grandios verspekuliert hatte. Dessen Versuch, den früheren EU-Kommissar Stavros Dimas vorzeitig zum Präsidenten wählen zu lassen, ging – trotz seiner düsteren Warnungen vor Chaos und Untergang – daneben. Daneben gingen auch die Drohungen, mit denen Berlin und Brüssel den Wahlkampf eröffnet hatten (siehe WOZ Nr. 1+2/2015 ); sie setzten eine Dynamik in Gang, die kaum mehr zu stoppen war.

Denn dadurch wurde vielen klar, worum es ging: einerseits um die Chance eines Ausbruchs aus dem Elend, andererseits um die Fortsetzung der Austeritätspolitik, die Hunderttausende in die Verzweiflung getrieben hatte. Und so stimmten nicht nur LinkssozialistInnen für Syriza, die sich mit Alexis Tsipras an der Spitze von einer breiten «Koalition der radikalen Linken» zu einer pragmatischen Partei gewandelt hatte, sondern auch Leute, die früher konservativ und sogar rechts gewählt hatten.

Allerdings ist nur der erste – und vielleicht einfachste – Schritt getan. Denn die Partei, die knapp die Parlamentsmehrheit verfehlte, wird noch viele schmerzhafte Kompromisse eingehen müssen. Da ist etwa die rasch vollzogene Koalition mit den Unabhängigen Griechen (Anel), die zwar genauso entschieden das Spardiktat von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission – der sogenannten Troika – ablehnen, die aber, als ND-Abspaltung, in der Migrationspolitik, in der Aussenpolitik oder bei gesellschaftlichen Themen wie der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft konträre Positionen vertreten. Da ist auch der nur schwer umzusetzende Plan, EZB, IWF und die anderen EU-Regierungen für eine Schuldenkonferenz zu gewinnen, die den Forderungen von Syriza entgegenkommt und Griechenland einen grossen Teil der Staatsschulden erlassen soll. Allein wird das die neue Regierung nicht schaffen.

Und da ist auch die Herausforderung, die spätestens dann auftaucht, wenn sich zeigt, dass sich Träume doch nicht so schnell erfüllen lassen und sich WählerInnen frustriert abwenden. Zumindest dafür aber scheint Syriza gut gewappnet. Denn anders als die anderen Parteien setzt sie konsequent auf das Bündnis mit den vielen sozialen Bewegungen (siehe WOZ Nr.  4/2015 ), die ganz entscheidend zum Wahlerfolg beigetragen haben. Dieser basisdemokratische Ansatz, die eng gestrickte Vernetzung mit autonomen Selbsthilfegruppierungen, das Mitspracherecht auch für Nichtparteimitglieder, die vielen öffentlichen Versammlungen und die allumfassende Kommunikationsbereitschaft – all das könnte dazu beitragen, dass Griechenland die politische Spaltung überwindet, die das Land seit dem Bürgerkrieg (1944–1949) und der Militärdiktatur (1967–1974) prägt.

Besonders radikal ist die neue Regierung nicht. Sie plant nicht den Umsturz der bestehenden Verhältnisse. Sie will auch nicht von heute auf morgen eine sozialistische Gesellschaft errichten. Sie konzentriert sich momentan ganz auf die Linderung der Not, die das Klientelsystem der alten Elite, die Finanzmarktkrise und die Troika den Menschen gebracht haben. Und sie wird zumindest ihr bescheidenes Sofortprogramm (Wohngeld für Obdachlose, kostenlose Strom- und Gesundheitsversorgung für die Allerbedürftigsten, Nahrungsmittelhilfe, Anhebung des Mindestlohns) umsetzen können.

Syrizas Erfolg lässt sich nicht einfach übertragen, zu unterschiedlich sind die Verhältnisse in den anderen Krisenstaaten, zu divers linke Traditionen und Kräfte. Aber er lässt Europas Linke aufatmen und verleiht ihr Schub: Endlich hat sich in einem Land die Bevölkerung der angeblichen Alternativlosigkeit zur Austeritätspolitik widersetzt. Nun könnte sie auch von Syriza lernen: Ohne Vertrauen auf Selbstorganisation und demokratische Partizipation ist ein Wandel nicht zu schaffen.