Griechenlands Misere: Zurück aufs griechische Konto

Nr. 9 –

«Frech» seien sie aufgetreten, «anmassende Forderungen» hätten sie gestellt, «die Nerven strapaziert». Die NZZ – und mit ihr viele andere Medien in der Schweiz – zeigt gegenüber der neuen griechischen Regierung kaum Sympathie. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sei ein «gescheiterter Held», schreibt die «NZZ am Sonntag» und jubelt, Brüssel habe sich auf der ganzen Linie durchgesetzt. Woher kommen diese Verachtung, diese Häme, ausgerechnet von Schweizer Zeitungen?

Am 26. Januar ist die linke Partei Syriza in die Regierungsverantwortung gewählt worden, weil sie einen Neuanfang versprach. Sie wollte nicht akzeptieren, dass mehr und mehr GriechInnen verarmen, weil sich das hoch verschuldete Land zu einer abstrusen Austeritätspolitik verpflichten musste. Syriza spricht von einer «humanitären Katastrophe»: Mehr als ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung ist arbeitslos, die Löhne sind dramatisch gesunken, das öffentliche Gesundheitswesen ist nahe am Zusammenbruch. Das Rezept der neuen Regierung ist es, im Rahmen des Kapitalismus den Teufelskreis der Sparpolitik zu stoppen, damit das Land aus der Krise kommt und faschistische Kräfte nicht noch mehr erstarken (vgl. «Rettet den Kapitalismus!» ).

Vielleicht hatte Syriza zu viel versprochen. Möglich, dass sie die Machtverhältnisse in der EU falsch eingeschätzt hatte. Denn schon bald standen bei den Verhandlungen um einen Schuldenschnitt oder zumindest um eine Abschwächung der Reformen alle gegen einen. Auf vieles, was die neue Regierung umsetzen wollte, muss sie jetzt – zumindest vorerst – verzichten: Bereits angefangene Privatisierungsvorhaben der Vorgängerregierung können nicht abgebrochen, sondern müssen weitergetrieben werden. Der Mindestlohn soll, wenn überhaupt, nur schrittweise auf 751 Euro pro Monat steigen. Immerhin darf die Armut jetzt etwa mit der Abgabe von Lebensmittelmarken für die Bedürftigsten gemildert werden, und der Zugang zu einer Gesundheitsversorgung für alle soll wieder garantiert werden. Die Massnahmen, die die griechische Regierung am Dienstag der Eurogruppe vorlegte und die von dieser akzeptiert wurden, sind darüber hinaus so formuliert, dass sie viel Spielraum offen lassen.

Entscheidend wird in den kommenden Monaten sein, ob es der griechischen Regierung gelingt, mehr Steuern einzutreiben. Nur so wird sie die Mittel haben, um eine sozialere Politik umzusetzen. Ministerpräsident Alexis Tspiras spricht in seiner Regierungserklärung vom 8. Februar vom «wahrhaft grossen Kampf». Steuerhinterziehung und Steuererleichterungen seien es, die das Land «an den Rand des Abgrunds geführt haben».

Genau in diesem Punkt ist die neue griechische Regierung abermals vom Ausland abhängig – speziell auch von der Schweiz. Syriza schätzt, dass allein seit Beginn der Krise 2010 rund achtzig Milliarden Euro ins Ausland transferiert wurden. Wie viel griechisches Kapital in der Schweiz liegt, ist unbekannt, Schätzungen reichen von zwei- bis dreistelligen Milliardenbeträgen. Steuerfluchtgelder werden meist nicht direkt, sondern via Trusts von Offshorefinanzplätzen wie den Bahamas in die Schweiz transferiert. Wer letztlich hinter so einem Trust steht, ist nach heutigem Recht kaum herauszufinden. Steuereintreibung wird so von vornherein verunmöglicht.

Selbst im Fall der über 2000 GriechInnen, die rund 2,6 Milliarden US-Dollar bei der Schweizer Tochterfirma der britischen Bank HSBC deponiert hatten, wird es für Griechenland schwierig, Schweizer Hilfe zu bekommen. Da die Informationen zur HSBC auf den «gestohlenen Daten» des Whistleblowers Hervé Falciani beruhen, verweigerten die hiesigen Behörden bislang – mindestens offiziell – eine Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden anderer Länder.

Die Schweizer Regierung könnte trotzdem handeln: Sie könnte die Schweizer Banken verpflichten, Griechenland eine pauschale Abgeltung für all die Milliarden zu zahlen, die dem Land durch hiesige Steuerfluchttricks verloren gegangen sind. Bei Forderungen aus den USA zeigten Banken und Bundesrat sehr viel Flexibilität. Allerdings bräuchte es im Fall des deutlich weniger mächtigen Griechenland sehr grossen innenpolitischen Druck. Hämische Schweizer Medien scheinen das schon im Voraus abblocken zu wollen.