Margarete Stokowski: «Bäume fällen macht viel mehr Spass als Bäume pflanzen»
Die Kolumnistin Margarete Stokowski gilt spätestens seit ihrem Buch «Untenrum frei» als die neue feministische Stimme im deutschsprachigen Raum. Im Interview mit der WOZ erklärt sie, wieso ihr diese Zuschreibung nicht passt und was Feminismus, Whiskey und Baumfällen miteinander zu tun haben.
WOZ: Frau Stokowski, in Ihrem Buch «Untenrum frei» schreiben Sie anhand Ihrer eigenen Biografie über die grossen und kleinen Unfreiheiten, die das Leben von Frauen prägen. Zugleich könnte man das Buch als die Erfolgsstory einer zunächst unsicheren jungen Frau lesen, die nun darübersteht, wenn die Gynäkologin findet, sie sei zehn Kilo zu schwer. Sind Sie jetzt «untenrum frei»?
Margarete Stokowski: Ich glaube, es lässt sich oft erst im Nachhinein beurteilen, ob man in einer Situation frei war oder nicht – ob im Sexuellen oder Politischen oder überhaupt im Leben. Im Moment selbst fühlt man vielleicht, im negativen Fall, nur ein Unwohlsein und ist sich nicht sicher, ob da gerade eine Grenze überschritten wird oder nicht – oder wir entscheiden uns für etwas. Aber warum? Aus freiem Willen, aus Lust, Neigung, Selbstüberwindung, Pflichtgefühl? Aus der Situation heraus ist es oft schwer zu beurteilen, wie frei man eine Entscheidung fällt. Aber ich bin jetzt bestimmt freier als in den schwierigen Momenten, die ich im Buch beschreibe.
Woran merken Sie das?
Ich kann mittlerweile auch in konfliktgeladenen Situationen und in der Verwirrung entscheiden, wo ich mitmache, was ich mit mir machen lasse und was nicht. Im Buch gibt es etwa die Szene, in der mich mein Nachbar fragt, ob ich in der Intimzone rasiert bin. Damals hatte ich einfach aus einem Reflex heraus die Tür zugemacht. Aber mir war nicht klar, was das gerade für eine supermerkwürdige Situation war. Heute kann ich durchatmen und mir überlegen, was da gerade schiefläuft.
Sind wir schlechte Feministinnen, wenn wir uns nicht lösen können von gewissen Schönheitsidealen und Erwartungen, die an uns gestellt werden?
Ich glaube nicht, dass man eine schlechte oder gute Feministin sein kann. Entweder man ist eine und scheitert ab und zu an den eigenen Ansprüchen, oder man ist keine. Die Kriterien von gut und schlecht halte ich nicht für sinnvoll. Wer sollte diese festlegen? Es ist sehr hinderlich zu glauben, dass man in einem bestimmten Moment im Leben zur Feministin wird und dann plötzlich stärker ist, eine Haltung hat und alte Gewohnheiten ablegt. So geht Leben nicht. Feministin zu sein oder überhaupt eine politische Haltung zu haben, ist ein Prozess, der über Jahre dauert. Da beginnt man, Dinge lockerer zu sehen, oder man wird weniger streng mit sich selbst, und in anderen Fragen wird man radikaler.
Viele Männer in unserem Umfeld haben nicht verstanden, was Bikini-Waxing mit Unterdrückung und politischen Kämpfen zu tun hat. Können Sie es uns erklären?
Das geht ja nicht nur Männern so. Viele haben den Eindruck, dass es eine private Sphäre gibt, die etwa den Körper betrifft, und eine politische Sphäre, in der es um unsichtbare Dinge wie Staatsgewalt und Finanzen geht. Bezüglich Sexualität glauben zudem viele, wir seien halbwegs befreit und nur im Politischen gebe es noch Lohnungleichheit und weniger Frauen in Machtpositionen. Aber sie glauben, dass sich das eines Tages schon einrenken wird.
Doch dem ist nicht so. Alle Veränderungen finden statt, weil Leute dafür gekämpft haben. Was hat das nun mit Bikini-Waxing zu tun? Ich versuche zu zeigen, dass sich die Unfreiheiten, die es im Grossen gibt, auch im Kleinen widerspiegeln. Etwa haben viele Frauen das Gefühl, sie müssten ihren Körper auf eine bestimmte Art zurichten, um überhaupt gesellschaftsfähig zu sein. Das ist Unfreiheit.
Warum interessieren sich auch linke Männer oft mehr für Karl Marx und Henri Lefebvre – und identifizieren sich tendenziell weniger mit dem Motto «Das Private ist politisch»?
Weil man sich dann nicht mit sich selbst auseinandersetzen muss. Es ist immer leichter, über Theorie zu sprechen, sofern man ein bestimmtes intellektuelles Niveau hat. Zudem wird der Satz, das Private sei politisch, heute oft auch missverstanden. In den siebziger Jahren war damit gemeint, dass sich bestimmte private Probleme nicht auf der individuellen Ebene lösen lassen, sondern eine politische Lösung brauchen. Feministinnen haben festgestellt, dass sie etwa in Beziehungsfragen immer wieder ähnliche Probleme haben. Wenn sich alle Einzellösungen dafür suchen, wird sich gesellschaftlich nichts ändern. Denn es geht eigentlich um Machtverteilung und Normen. Heute wird das Motto oft so verstanden, dass es reicht, das Private geklärt zu haben. Eine komische Verdrehung. Es war nicht als eine Art Rückzug gemeint, sondern als Öffnung. Da ist etwas schiefgegangen. Oft steckt natürlich auch Faulheit dahinter, wenn man lieber nur das Eigene klärt. Das scheint überschaubarer.
Haben Sie deshalb das Buch geschrieben?
Es gab zwei Beobachtungen, die mich dazu gebracht haben, eine These zu formulieren und nicht etwa einen Roman zu schreiben. Erstens, weil von einer Übersexualisierung in der Gesellschaft gesprochen wird. Ich sehe aber nicht, wo die sein soll. In der Werbung wird ja nicht Sex als Handlung gezeigt, sondern nackte Frauen. Das eine steht symbolisch für das andere. Warum eigentlich?
Und das andere war der Begriff der sexuellen Revolution. Ich dachte: Wie krass wäre es, wenn es das gegeben hätte! Ich habe recherchiert und mit vielen Leuten geredet und bin zum Schluss gekommen, dass die «sexuelle Revolution» weder sexuell noch revolutionär war. Niemand wurde befreit, und nichts Grundlegendes wurde geändert. Es wurden bloss Themen neu öffentlich gemacht. Das war gut und wichtig, aber wir sind längst nicht fertig damit.
In Ihrem Buch schreiben Sie über den Sexismus in «Bravo Girl», schlechten Sex und machoide Philosophiestudenten und erzählen von sehr persönlichen Erlebnissen. Man fühlt sich beim Lesen fast, als wäre man Ihre Freundin. Werden Sie seit der Veröffentlichung oft um Rat gefragt?
Es gibt ziemlich viele Leute, die nach dem Lesen des Buchs glauben, mich zu kennen, und anfangen, mir ihre Geschichte zu erzählen. Das ist mir manchmal zu viel, weil ich nicht angemessen darauf reagieren kann. Aber das passiert wohl, wenn man persönliche Sachen öffentlich erzählt. Ich wollte bewusst Dinge erzählen, die sehr banal scheinen mögen, etwa frühe Masturbations- oder Schminkversuche, die andere Leute jedoch auch erlebt haben, und so einen Denkprozess auslösen. Aber es ist kein Selbsthilfebuch. Lustigerweise findet man es in den Buchhandlungen oft unter Lebenshilfe oder noch schlimmer: Esoterik. Da liegt es dann neben «Die ersten 100 Tage mit meinem Baby», «Wie die Sterne stehen» und «Wolfsfrau. Die Kraft der weiblichen Urinstinkte».
Sie schreiben im Buch auch über Gewalterfahrungen, die Sie selbst gemacht haben, so zum Beispiel eine Vergewaltigung. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
So kann ich meinen Standpunkt besser darlegen. Wenn ich auch die hässlichen Seiten erzähle, merkt man, dass es mir sehr ernst ist. Es geht mir nicht nur um das Binnen-I oder Unisextoiletten. Also Dinge, die den Leuten wie Kleinigkeiten vorkommen. Es geht mir um sehr grundlegende Formen von Selbstschutz und eigenen Grenzen, die man zwischen sich und dem Rest der Welt setzt.
Manche sagen, ich mache mich zum Opfer, weil ich von Diskriminierung erzähle. Aber ich finde vielmehr, dass man sich ent-opfert, sobald man davon erzählt.
Sie wurden noch mit der «Bravo» sozialisiert. Doch heute mit Instagram und Social Media kommt für viele Jugendliche noch mal eine ganz andere Ebene dazu, die in Ihrem Buch nicht vorkommt. Haben Sie das absichtlich ausgelassen?
Es kommt wenig vor im Buch, aber ich erwähne es dort, wo ich diese Beauty Challenges mit Hashtags beschreibe, wie zum Beispiel #thighgap oder #bikinibridge. Oder wo man sich beispielsweise Münzen in diese Kuhle beim Schlüsselbein reinlegt oder ein A4-Blatt vor die Taille hält, wobei der Torso so schmal sein muss, dass er hinter dem Blatt verschwindet. Das fühlt sich zunächst vielleicht ermächtigend an. Man gehört zu einer Gemeinschaft. Das ist viel einfacher, als cool zu sein. Denn cool sein kann man nicht so leicht abmessen, diese Challenges aber schon. Das gibt Halt und Sicherheit. Gleichzeitig steht und fällt es damit, dass bald die nächste Challenge kommt, bei der man vielleicht nicht mehr mitmachen kann. Früher musstest du wissen, in welchem Café sich die coolen Leute treffen. Und für die Social-Media-Sachen brauchst du nur ein Handy. Ich habe keine kulturpessimistische Sicht; ich denke nicht, dass alles nur noch schlimmer wird. Social Media sind zum Beispiel für Leute, die auf dem Land aufwachsen, eine Chance, bei etwas mitzumachen, wo sie sonst ausgeschlossen wären. In diesem Sinne kann es also auch stärken.
Sie zitieren sowohl Beyoncé als auch Theodor W. Adorno. Wie können sich die so unterschiedlichen Genres Popmusik und Philosophie befruchten?
Lustig, dass immer Adorno allen auffällt. Dabei zitiere ich ja auch Simone de Beauvoir – und die ist noch viel komplizierter zu lesen. Der Mix ist keine Absicht. Es ist einfach alles, was mir eingefallen ist. Ich habe studiert, aber ich lebe nicht mit dem Kopf in einem Buch. Wenn man eine Weile an einem Thema arbeitet, fällt einem viel in der Welt auf, das dazu passt. Das ist manchmal Musik, manchmal halt Philosophie. Beim Schreiben habe ich darauf geachtet, nicht zu akademisch zu sein, um die Leute nicht abzuschrecken. Auch ohne Schulabschluss sollte man durch den Text kommen.
Und dennoch haben Sie kürzlich in Ihrer Kolumne über die Wichtigkeit der Geisteswissenschaften geschrieben.
Die ständige Abwertung der Geisteswissenschaften als «Laberfächer» ergibt einfach keinen Sinn. Viele Leute stehen den Reden von Donald Trump und anderen Rechten hilflos gegenüber. Im Gespräch mit der Familie oder mit Kollegen fehlen ihnen die Argumente.
Ich habe hauptsächlich deshalb Philosophie studiert, weil ich mehr davon verstehen wollte, wie man sinnvoll über die Welt reden kann und wie Argumente überhaupt funktionieren. Wenn ich früher das «Zeit»-Feuilleton gelesen habe, dachte ich immer: Wie krass ist das denn? Wie kann man solche Texte schreiben, in denen steht, wie die Leute denken, wie die Gesellschaft funktioniert? Damals wusste ich noch nicht, dass es Fächer wie Soziologie gibt. Ich dachte, das sei fast so wie Magie.
In Ihrem Buch geht es ja nicht nur um Feminismus, sondern letztlich auch um Anarchismus. Sind Sie der Idee des Anarchismus ebenfalls an der Uni begegnet?
Nein, aber ich fand Anarchismus immer schon interessant. Wenn man mit sechzehn Punk hört, hält man sich selbst für voll anarcho, aber weiss eigentlich nicht, was das heisst. Irgendwann habe ich dann angefangen, mehr darüber zu lesen. Der Begriff wird oft als Metapher für Unordnung gebraucht, aber besagt das Gegenteil von dem, was in der Theorie gemeint ist. Viele assoziieren Anarchie mit Gewalt, Chaos, Apokalypse. Dabei ist die Theorie sehr kompatibel mit den Neurosen ordnungsliebender Menschen. Es geht viel um Absprachen und Austausch. Alles muss auf Augenhöhe ausgemacht werden und nicht von oben nach unten.
Und wie verknüpfen Sie Anarchismus mit Feminismus?
Im Feminismus gibt es den intersektionellen Ansatz. Die Feststellung also, dass Benachteiligungen nicht nur durch das Geschlecht entstehen, sondern auch durch andere Kategorien wie etwa Herkunft, Klasse, Alter, Behinderung. Die Diskriminierungsformen überschneiden sich dabei. Man könnte auch Herrschaftsformen dazu sagen. Wenn man nun alle diese Diskriminierungsformen abschaffen will, ist die Konsequenz eine herrschaftsfreie Gesellschaft.
Wenn man von Anarchismus spricht, dann denken viele Leute an einen sofortigen Umsturz.
Ja, aber so funktioniert das nicht. Die Leute müssen zuerst lernen, in neuen Kategorien zu denken. Und etwa Solidarität nicht als etwas sehen, bei dem manchen Leuten etwas weggenommen und andern etwas gegeben wird. Wenn man heute alle Geschäfte schliessen und stattdessen Stellen schaffen würde, an denen gratis ausgegeben wird, was man so zum Leben braucht, würde das nicht funktionieren. Die Leute würden umherziehen und plündern, weil sie sich in einem ganz anderen Denken befinden, was Eigentum und Geld betrifft. Anarchismus ist ein theoretisches Modell, anhand dessen man sich kleine praktische Schritte überlegen kann.
Sie gelten als die neue feministische Stimme im deutschsprachigen Raum. Wie gehen Sie damit um, für «die Frauen» sprechen zu müssen? Sie haben studiert, sind weiss, haben gewisse Erfahrungen nicht gemacht.
Ich versuche, möglichst nicht für andere zu sprechen. Das kann ich auch gar nicht. Ich mache generell viele Sachen nicht, die Leute von mir erwarten. Neulich wurde ich für ein Podium über Rassismus angefragt. Eingeladen waren ein Professor für irgendwas, eine Frau von einer Beratungsstelle und ich. Alle weiss. Und ich habe gesagt: «Tut mir leid, das kann ich nicht machen. Können Sie nicht jemanden fragen, der von Rassismus betroffen ist?» Und die Antwort war: «Ja, danke, das ist sehr inspirierend, das werden wir machen.»
Das mit der «neuen feministischen Stimme» ist auch so eine Sache, wenn damit gemeint ist, dass es eben immer eine davon pro Zeit und Ort geben kann. Leute schreiben, ich sei die deutsche Laurie Penny oder die deutsche Lena Dunham. Zuerst war es Anne Wizorek, als ihr Buch rauskam, jetzt bin ich es, und irgendwann kommt ein neues Buch raus … Immer wird eine Alphafigur gesucht. Das ist doch albern. Gerade weil Feminismus eine herrschaftskritische Bewegung ist. Entweder versucht man, sie zu schwächen, indem man sagt, es kann immer nur eine Anführerin geben, oder indem man die Bewegung missversteht als Hervorbringungsmaschine einer wichtigen Person. Das ist komisch, und ich lasse mich ungern dafür einspannen.
Wie schauen Sie in die Zukunft? Vieles ist erschreckend, was zurzeit in der Welt passiert. Und doch löst beispielsweise die Wahl von Donald Trump bei den einen das nackte Grauen aus, während andere zugleich sehr viel Hoffnung aus den Protesten schöpfen.
Der platte Spruch «Jede Krise ist auch eine Chance» stimmt meiner Ansicht nach nicht. Viele Leute sind sehr erschüttert, und man gewinnt aus dem Schock nicht einfach so Stärke. Je mehr Staaten von Rechten oder rechtsradikalen Regierungen geführt werden, desto mehr geht kaputt.
Andererseits funktioniert gesellschaftlicher Fortschritt nicht so, dass man ihn nach Belieben einfach wieder zurückdrehen kann. Rebecca Solnit hat dieses Bild geprägt: Fortschritt ist nicht eine Strasse, die wir langlaufen, sondern verhält sich eher wie ein Flaschengeist, der einmal entwichen ist und nicht wieder in die Flasche zurückgestopft werden kann – wie etwa die Ideen von Emanzipation, Freiheit und Gleichheit. Diese sind da und wirken weiter. Das stimmt mich hoffnungsvoll.
Was versprechen Sie sich von den Women’s Marches?
Ich habe ja kürzlich eine Kolumne über die Kritik an diesen «pussy hats» geschrieben. Die Kritik lautet in etwa: «Wir haben so lange gekämpft, und jetzt kommt ihr und macht diese Mützen, mit denen Frauen auf ihre Genitalien reduziert werden. Das ist nicht so geil.» Aber gleichzeitig, Alter, da waren Hunderttausende Leute auf der Strasse! Für manche war das der erste Moment von Politisierung im öffentlichen Raum überhaupt. Dann werde ich nicht diejenige sein, die findet: Das geht doch nicht. Weil es doch offensichtlich in die richtige Richtung geht. Und wenn das dann mit Mitteln passiert, die noch nicht so eloquent oder auf dem neusten Stand der Genderstudies sind, finde ich das okay. Protest entsteht oft aus Wut oder aus Angst. Und darum sind die Formen, in denen sich das im ersten Moment äussert, oft nicht besonders entwickelt, aber das kann ja alles noch werden. Da würde ich nicht so streng sein.
Was sagen Sie zu den ganzen Vorwürfen an die Linke, die vor lauter Political Correctness die wahren Sorgen der Arbeiterschaft vergessen habe?
Man tut dann so, als gäbe es in der Politik ein paar studierte Leute, die sich um ein paar Unstudierte kümmern. Doch auch Personen in den sogenannten unteren Gesellschaftsschichten können politisch sein und brauchen nicht jemanden, der ihnen alles erklärt. Diese komische Schichtung von Menschen widerspricht linkem Denken. Und die Debatte wirkt so rasch selbstmitleidig: Oh, hätten wir uns bloss nicht immer mit Political Correctness beschäftigt. Wollen wir uns wirklich von rechts einreden lassen, es wäre übertrieben, sich damit zu beschäftigen, wie man Leuten Respekt entgegenbringen kann? Das finde ich sehr schräg. Die Leute, die Trump gewählt haben, haben ihn gewählt, und es sind nicht diejenigen schuld, die ihn nicht gewählt haben.
Und zu guter Letzt noch eine Frage aus reiner Neugier: Warum haben Sie einen Motorsägenschein?
Weil wir in unserem Haus mit Holz heizen und es lebensgefährlich ist, ohne Motorsägenschein einen Baum zu fällen. Ausserdem macht Bäume fällen so viel mehr Spass, als Bäume zu pflanzen. Das hab ich auch schon gemacht. Das ist nicht so geil wie Fällen. Meine Faszination für Feminismus, Whiskey und Bäumefällen kommt aus der gleichen Ecke. Es sind Dinge, die jahrzehntelang gewachsen und gereift sind. Wenn du vor dem zu fällenden Baum stehst, dann unterschätzt du manchmal, wie lang er sein wird, wenn er vor dir liegt. Erst dann merkst du, was für ein Riesending das ist. So ähnlich, wie wenn man sich mit der Zeit Freiheiten erschliesst. Erst hinterher merkst du, was du gewonnen hast. Beim Baumfällen kann auch sehr viel schiefgehen. Im Moment, in dem der Baum fällt, verspürt man einen unglaublichen Adrenalinschub. Ich kann es voll empfehlen, Bäume zu fällen.
Margarete Stokowski
1986 in Polen geboren, wuchs Margarete Stokowski in Berlin auf, wo sie auch Philosophie und Sozialwissenschaften studierte. Von 2012 bis 2015 schrieb sie für die «taz» die feministische Kolumne «Luft und Liebe», seit 2015 erscheint ihre wöchentliche Kolumne «Oben und unten» auf «Spiegel Online».
Stokowski lebt und arbeitet in Berlin und auf der Brandenburger Seenplatte. Vergangene Woche las sie in Zürich aus ihrem Buch «Untenrum frei» (Rowohlt, 2016).