Die Medienzukunft mit Hansi Voigt: Die vollkommene Planlosigkeit

Nr. 9 –

Während die SRG ein halbes Jahr im Fokus stand, ging der teils radikale Umbau der Privatmedienhäuser fast unbemerkt vonstatten. Der Sechsmonatsrückblick.

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Die Planlosigkeit der Schweizer Medienbranche hat einen Namen: SDA. Das Debakel um die Depeschenagentur zeigt im Kleinen, wie kurzfristig die Branche inzwischen denkt und wie unmöglich es sein wird, die Ansprüche einer breit informierten Bevölkerung mit den Renditeansprüchen der Eigentümer unter einen Hut zu bringen.

Mit Service public habe die SDA nichts zu tun, er sei nur seinen Aktionären verpflichtet, erklärt CEO Markus Schwab in der Mutter aller Selbstvernichtungsinterviews. Eine Firmenstrategie hat Schwab nicht. Er verscherbelt hastig im Auftrag der Besitzer die Liegenschaft und feuert die Leute dem Alter nach. Vernichtet hat der entfesselte CEO vor allem die Illusion, es gebe in der Schweiz noch so etwas wie eine verlegerische Verantwortung.

Verband gespalten

Das SDA-Debakel zeigt, wie tief der Graben durch den Verlegerverband inzwischen geht. Mit einer angedrohten Konkurrenzagentur wollten NZZ und «AZ» erreichen, nicht länger für die französisch- und italienischsprachigen Dienste zahlen zu müssen. Diese nützen vor allem Tamedia. Statt sich irgendwie zu finden, opferte man letztlich die breite politische Akzeptanz für die SDA.

Streit gibt es jetzt auch über die Frage, wie es weitergeht. Angesichts der zwanzig Millionen in den Gewinnreserven seien bei der SDA eigentlich gar keine Kündigungen angesagt, fand Verleger Peter Wanner in seiner «AZ» Ende Januar. Diese Millionen, so Wanner, seien in den vergangenen Jahren von den KundInnen (wie etwa der «AZ») zu viel bezahlt worden und sollen deshalb diesen zugutekommen. Das sieht Hauptaktionärin Tamedia, die auf die Auszahlung der Gewinne an die Eigentümer pocht, ganz anders.

Nun wurde eine Aussprache anberaumt. Ohne die «AZ» würde der Verlegerverband mit Ausnahme der NZZ endgültig zur reinen Tamedia-Interessenvertretung. Ringier ist im Streit um die Werbevermarktungsfirma Admeira bereits vor zwei Jahren im Streit ausgeschieden.

Immer dieselbe Antwort

Auch ausserhalb der SDA bekommen die Verleger zunehmend das Problem, dass sie Antworten zur Medienvielfalt schuldig bleiben. Die Ratlosigkeit kommt angesichts der anstehenden Debatte um die Mediengesetzgebung zur absoluten Unzeit.

Ob sich die NZZ im Regiobereich mit der «AZ» zusammentut, ob Tamedia vierzehn Zeitungstitel in zwei Redaktionen bündelt, ob Somedia in Chur Christoph Blocher noch einmal von der Schippe springt – die Verleger kennen in jedem Fall nur die eine gleiche Antwort: Sparen.

Langfristiges Desinteresse

Das Marktversagen wird immer offensichtlicher und entsprechend die Neigung der Politik, im Sinne der Medienvielfalt die Rahmenbedingungen drastisch zu ändern.

Aber genau das versucht der Verlegerverband zu verhindern. Der Verband stellt sich inzwischen auf den Standpunkt, dass es ein neues Gesetz nicht brauche. Das alte Radio-TV-Gesetz aus den achtziger Jahren, das digital knapp den Teletext regelt, genüge vollkommen.

Damit versucht der Verband unter Tamedia-VR-Präsident Pietro Supino, eine zukunftsgerichtete Debatte im Sinne neuer Medienförderung, etwa für Onlinemedien, zu verhindern. Er offenbart damit aber auch sein langfristiges Desinteresse an der Medienzukunft. Aus Tamedia-Sicht ist das nachvollziehbar, erzielt doch der Konzern immer noch Ebitda-Margen von 12,5 Prozent bei den bezahlten Zeitungen und bei den PendlerInnenzeitungen horrend hohe 26,4 Prozent. Jedes gewonnene Jahr im Status quo ist deshalb bares Geld. Eine langfristige Zukunft hat das Modell aber nicht.

Wetten, dass sich daraus die Empfindlichkeit Supinos erklärt, wenn es um die offensichtliche Schlussfolgerung geht, dass sich Tamedia vom Inhaltsgeschäft verabschieden wolle? Oder, wie es der Tessiner Financier Tito Tettamanti just in der «SonntagsZeitung» von Tamedia sagte: «Tamedia und Ringier sind schon heute keine Verlage mehr. Sie verdienen Geld mit Tätigkeiten in der digitalen Welt wie Ticketverkauf oder Immobilienplattformen.» Aber das soll man vermutlich noch eine Weile nicht merken.

Hansi Voigt (54) war stellvertretender Chefredaktor bei «Cash», arbeitete lange beim Onlineportal «20 Minuten» und gründete «Watson» mit. An dieser Stelle schreibt er zu Fragen der Medienzukunft.