Wef-Protest: Goldene Decken, dreckige Schuhe
Zwei Tage lang zogen Klimaaktivistinnen und Wef-Gegner durchs Prättigau nach Davos. Ein Wanderbericht.
Und dann ist da plötzlich ein Bahnhofsbuffet, wo es niemand erwartet: in Saas im Prättigau, einem kleinen Dorf unterhalb von Klosters. Ein guter Grund zur Mittagspause für die etwa 200 Aktivist:innen, die vergangenes Wochenende gegen das Weltwirtschaftsforum Wef von Küblis nach Davos gewandert sind. Einige tauschen sich bei Kaffee und Bier mit den Einheimischen aus. Am Schluss putzen sie sogar das von den vielen Wanderschuhen verdreckte Bahnhofs-WC.
Ein Solifoto für Lützerath
Es ist eine von wenigen Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung unterwegs. Denn die Auflagen sind dieses Jahr noch strenger als bei der letzten grossen Protestwanderung vor drei Jahren: Fast die ganze Route müssen die Wef-Gegner:innen auf Wanderwegen zurücklegen. Das schont die Gelenke, aber beschränkt die Kontakte, denn der Weg führt nicht durch die Dörfer. Die Stimmung ist trotzdem gut, angefeuert von Parolen und Gesängen. Antifa-Schwarz wandert neben Queer-Glitzer.
Es war die Klimabewegung, die die eingeschlafenen Proteste gegen das Wef 2020 wiederbelebte. Das ist den Parolen und Transparenten anzumerken. Das wichtigste Gesprächsthema ist Lützerath, in Saas stellt sich die Gruppe mit goldenen Wärmedecken zu einem Solidaritätsfoto für die Demonstration auf, die in Deutschland zur selben Zeit stattfindet (vgl. «Lützerath wird bleiben»). Alles ist gut organisiert und eingespielt: Wer allein ist, kann bei einem Speeddating eine Bezugsgruppe finden. Auch ein Awareness-Team und Notfallpsycholog:innen wandern mit.
Kann eine Wanderung auf alten Säumerpfaden eine politische Demonstration sein? Nach drei Stunden Fussmarsch erreicht die Wandergruppe am zweiten Tag von Klosters her kommend den Weiler Laret. Hier muss die Kantonsstrasse überquert werden, die Klosters mit Davos verbindet. Doch auch hier fehlt das Publikum. Die Polizei hat die Strasse auf beiden Seiten schon weit vor dem Übergang abgesperrt. So sehen die ersten Wef-Gäste, die mit ihren Luxuslimousinen anreisen, genauso wenig vom Marsch wie die Taxifahrerinnen, Transporteure und Hotelbeschäftigten, die hochfahren. Dennoch: Alle bleiben auf der Strasse stehen und schreien Parolen. «Change your diet for the climate – eat the rich» ist besonders beliebt. Die Polizei schaut dem Treiben fast eine Stunde lang stoisch zu.
Eine Reichensteuer fürs Klima
Später, in Davos Wolfgang, kommt es dann doch noch zu einer Begegnung mit den Autofahrer:innen, als der Wanderweg ein kurzes Stück der Kantonsstrasse entlangführt: Auf die Fahrzeuge regnet es Schneebälle nieder. Nach einer kurzen Zugfahrt – denn auch der Marsch durch Davos wurde von den Behörden nicht bewilligt – besammeln sich schliesslich rund 300 Menschen auf dem Postplatz. Hier wimmelt es von Journalist:innen aus aller Welt, die schon vor Konferenzbeginn angereist sind.
Juso-Präsident Nicola Siegrist fordert eine internationale Reichensteuer fürs Klima. Das verlangt auch die Österreicherin Marlene Engelhorn, die es als künftige Millionenerbin als eine stossende Ungerechtigkeit empfindet, dass Erb:innen nicht viel stärker zur Kasse gebeten werden. Die Schweizer Klimaaktivistin Alexandra Gavilano fordert von reichen Ländern wie der Schweiz, dass sie die Schulden der Länder des Südens streichen und ihnen Klimaschutzmassnahmen finanzieren.
Am Schluss tritt ein Mann ans Mikrofon und sagt: «Ich bin ein Arbeiter. Ich habe die Folgen der Klimakrise begriffen. Das können alle. Und alle können etwas tun.»