Durch den Monat mit Luca Maggi (Teil 1): Ein schwieriger Einstieg, oder?
Luca Maggi sitzt für die Grünen im Gemeinderat der Stadt Zürich. Seit seiner Kindheit ist er Fussballfan – und seit neun Monaten Sicherheitsverantwortlicher des FC Zürich. Als solcher fordert er Dialog statt Repression.
WOZ: Luca Maggi, die jüngst abgelaufene Fussballsaison wurde von Diskussionen rund um die Sicherheit an den Spielen begleitet. Wie lief die Saison für Sie?
Luca Maggi: Sportlich hat der FCZ sein Ziel erreicht, wir haben die Chance, in der nächsten Saison europäisch zu spielen. Das Amt als Sicherheitsverantwortlicher habe ich im Oktober 2023 übernommen, und ich wusste, was mich erwartet. Ereignisse rund um Fussballspiele werden stark und teilweise unreflektiert diskutiert. Laute Diskussionen bin ich aus der Politik gewohnt, von dort kenne ich auch den Austausch mit Behörden und Polizei. Hinzu kommt, dass ich als Fan die Südkurve gut kenne. Deshalb komme ich eigentlich gut zurecht.
Es gab einige unschöne Ausschreitungen. Es hätte wohl einfachere Saisons gegeben, um einzusteigen, oder?
Statistisch gesehen nimmt die Zahl solcher Zwischenfälle ab. Kommt hinzu: Es bewegen sich jedes Wochenende riesige Menschenmengen durch die Schweiz, um Fussballspiele zu besuchen. Darunter sind viele junge Menschen, es sind Emotionen im Spiel, es wird gesungen, Alkohol getrunken. Im Grossen und Ganzen läuft es ohne grössere Probleme ab. Das ist eigentlich bemerkenswert.
Der Dialog zwischen Behörden, Fans und Klubs steckt in der Sackgasse. Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektor:innen (KKJPD) hat die Schraube angezogen.
So wie die Debatte aktuell läuft, werden alle verlieren. Die Politik verlangt immer härtere Massnahmen und bringt sich selbst unter Zugzwang. 2009 hat die KKJPD mit dem Erlass des «Hooligankonkordats» versprochen, Probleme rund um Fussball- und Eishockeyspiele zu lösen: mit Rayonverboten, Meldepflichten und dem Anlegen einer Hooligandatenbank. Als die Repression nicht viel brachte, hat sie das Konkordat 2013 verschärft. Und jetzt, zehn Jahre später, zeigt sich dasselbe Muster.
Wenn Straftaten begangen werden, müssen die Täter:innen verfolgt werden. Ist man aber an einer Deeskalation interessiert, braucht es Dialog auf Augenhöhe.
Im Moment ist eher das Gegenteil der Fall.
Ja, leider. Die KKJPD ist mit ihrem «Kaskadenmodell» vorgeprescht, einer stufenweisen Ausweitung von Repressionsmassnahmen, die Kollektivstrafen beinhalten. Die Justiz- und Polizeidirektor:innen möchten es unbedingt umsetzen, obwohl es von Liga, Klubs und Fans abgelehnt wird. Die Kurven protestieren dagegen. Diese Verhärtung müssen am Ende die Klubs und die Polizist:innen im Einsatz ausbaden.
Welche konkreten Massnahmen könnten denn helfen, Ausschreitungen künftig zu verhindern?
Es ist unrealistisch, dass man solche gesellschaftlichen Phänomene mit einer oder zwei politischen Massnahmen in den Griff bekommt. In Bezug auf einzelne Straftaten liegt es auf der Hand: Da hilft das Ermitteln der Täter:innen und deren strafrechtliche Verfolgung. Im Umgang mit einer Subkultur, wie sie in den Kurven existiert, braucht es hingegen stetigen Dialog. Mit Blick aufs Ganze beobachte ich, dass die Debatte vor allem medial geführt wird. Einige Politiker:innen versuchen, sich als Hardliner:innen zu inszenieren. Dabei ignorieren sie die Expertise der Fussballklubs, der Fanarbeit, ja gar der Wissenschaft. Massnahmen gegen Fangewalt müssen auf bestehenden Gesetzen beruhen und nicht auf willkürlich eingeführten Konzepten wie dem Kaskadenmodell.
Was ist denn das Problem daran?
Das Modell ist nicht zielführend und zum Scheitern verurteilt. Ich möchte das an einem Beispiel veranschaulichen: Am 21. April mussten wir im Letzigrund beim Spiel gegen den FC St. Gallen die Südkurve sperren. Das hat überhaupt nichts gebracht, die Heimfans waren trotzdem im Stadion, einfach in anderen Sektoren. Vor dem Spiel haben sie zusätzlich eine friedliche Demo durch die ganze Stadt veranstaltet.
Aus Sicht des FC Zürich sind solche Kollektivstrafen nicht nur sinnlos – sondern auch widerrechtlich. Grund für die Sektorsperre waren Ausschreitungen zwei Wochen zuvor in Genf. Per Einsprache wollen wir klären, inwieweit ein Klub für Ereignisse ausserhalb seines direkten Einfluss- und Kompetenzbereichs überhaupt verantwortlich gemacht werden kann. Selbstverständlich sind wir gegen jegliche Form von Gewalt. Als Klub sind wir für die Sicherheit im Stadion verantwortlich; alles andere liegt ausserhalb unseres Kompetenzbereichs. Und das ist gut so, im öffentlichen Raum liegt das Gewaltmonopol beim Staat.
Wie geht es in den nächsten Wochen und Monaten weiter?
Auf die kommende Spielzeit werden sogenannte Kluballianzen eingeführt: Die Klubs sollen vor den Spielen jeweils Behörden, Sicherheitsverantwortliche und Fanvertreter:innen zu einem Gespräch einladen. Ein Restrisiko wird es immer geben, aber wenn es wieder einen Dialog gibt, ist die Chance viel grösser, dass unerwünschte Zwischenfälle möglichst ausbleiben.
Als Luca Maggi (34) sein erstes FCZ-Spiel live im Stadion erlebte, war er neun Jahre alt. Nächste Woche erzählt er von der Anziehungskraft der Fankultur und deren sozialer Funktion.