Partei der Arbeit: Kommunistisches Revival in Biel

Nr. 41 –

In Biel spricht demnächst eine Kommunistin ein politisches Wörtchen mit. Judith Schmid hat Ende September für die Partei der Arbeit den Sprung ins Stadtparlament geschafft.

Judith Schmid will etwas tun, nicht bloss reden: Die neue Bieler Stadtparlamentarierin half während dreier Monate Flüchtlingen auf einer griechischen Insel.

Die Farbe des Pullovers stimmt schon mal. Er leuchtet rot. Auch der Ort, an dem sich das Gespräch abspielt, das Restaurant La Rotonde, passt zur Geschichte. Das moderne Gebäude an der Ecke Bahnhofstrasse/Aarbergstrasse in Biel war einst das «Volkshaus». Und dank der IG Volkshaus, die nach dem Konkurs der linken Institution das Haus an bester Lage vor dem kommerziellen Zugriff rettete, ist es ein Ort des Volks geblieben. Um ArbeiterInnen und sozial Benachteiligte drehen sich auch Judith Schmids politische Anliegen. Ende September haben die BielerInnen die 32-Jährige ins Stadtparlament gewählt.

Judith Schmid lebt seit mehr als zehn Jahren in der Stadt. Man kennt sie. Mit ihrer Wahl sind die Schweizer KommunistInnen nach gut fünf Jahrzehnten wieder im Bieler Parlament vertreten. Beinahe hätte es der Partei der Arbeit (PdA) dabei gleich zu einem zweiten Sitz gereicht. Es war überhaupt ein Wahlwochenende nach dem Geschmack der Linken, die sich nach einer Schwächephase wieder gleichauf mit den Bürgerlichen bewegen. Beide Blöcke halten nun je dreissig Sitze, die Stadtregierung ist schon länger in linker Hand. Zumindest auf dem Papier eine gute Ausgangslage für die nächste Legislatur.

Partei mit marginalen Anteilen

Stärker als die in die Regierung eingebundenen Linken kann die unabhängige PdA ihre Politik radikal von den Benachteiligten her denken. Etwa aus der Sicht jener grossen Gruppe Menschen, die nicht wählen dürfen. Sie wehrt sich auch gegen das Plattmachen von günstigem Wohnraum, lehnt eine Standortwettbewerbslogik ab, die gute SteuerzahlerInnen auf Kosten sozial Schwächerer umwirbt, und wendet sich gegen monumentale Projekte wie den Bieler Autobahnanschluss, der eine Schneise in die Stadt schlagen und Lebensraum zerstören würde. Damit sind die wichtigsten Anliegen von Judith Schmid skizziert. Das klingt nach wenig. Aber es wird wohl eine monumentale Aufgabe, sich in diesen wichtigen politischen Feldern durchzusetzen, in denen es um viel Geld geht. Eine Legislatur wird da nicht reichen.

Die Bäume wachsen für die KommunistInnen nicht in den Himmel. Sie, die medial kaum wahrgenommen werden, müssen zunächst ein paar zarte Pflänzchen am Leben erhalten. Ihre WählerInnenanteile in der Deutschschweiz, in Zürich, Bern und Biel, sind marginal. An die Wahlerfolge ihrer Westschweizer Schwesternparteien kommen sie nirgends heran. Aber immerhin: In Bern sitzt die PdA seit acht Jahren im Stadtparlament. Sie hat dort auch schon Mehrheiten zustande gebracht. Und jetzt das Revival in Biel.

«Ich nehme meine neue Aufgabe sehr ernst und werde mich reinknien», sagt Judith Schmid. «Ich bin schliesslich nicht allein, ich mache es ja nicht für mein Ego. Ich bin eingebunden in die PdA und vertrete ihre Anliegen.» Die kapitalistische Welt hält sie für ein Auslaufmodell, das es zu überwinden gilt. Finanzkrisen, die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, die Zerstörung der Umwelt, die Kriege und die massenhafte Vertreibung von Menschen sieht sie als heftige Symptome für das Versagen des Kapitalismus.

Als politische Handwerkerin ist Judith Schmid eine Anfängerin. Als politisch Engagierte ist sie es nicht. So hat sie vor über zehn Jahren bei der Gründung der Juso Biel mitgewirkt. Wegen langfädiger formaler Diskussionen in der Anfangsphase der Jungpartei verlor sie damals aber die Lust, weiter mitzuverhandeln. Sie wollte etwas tun, nicht bloss reden. Ein Beispiel dafür, dass sie politisches Handeln als konkrete Arbeit versteht, ist ihr Engagement auf einer griechischen Insel. Ein Ort, an dem Flüchtlinge – sie mag diesen Begriff nicht – aus dem Nahen Osten stranden. Sie verteilte dort Kleider und Decken, sie gab Essen aus, half bei der Beschaffung von Informationen, tröstete Menschen, die Angehörige im Krieg und in der Ägäis verloren hatten. «Mich hatte das Elend niedergedrückt, das die Medien vermittelten. Ich musste etwas tun.» Und so reiste sie nach Griechenland. Allerdings sieht sie die Flüchtlinge nicht bloss als Opfer, sondern als selbstbestimmte Menschen, die lachen, streiten, kämpfen und die Hoffnung nicht aufgeben. Sie tun, was sie tun müssen. Drei Monate hat sie diese Arbeit in Griechenland gemacht. «Es war eine anstrengende Zeit. Ich könnte mir einen solchen Einsatz nochmals vorstellen, wegen des Stadtratsmandats allerdings nicht mehr drei Monate am Stück.»

Hitzige Diskussionen im Familienkreis

Die 32-jährige Grafikerin wuchs in einem sozialdemokratischen Umfeld in einer Solothurner Gemeinde auf, wo sich der Vater als Gemeinderat engagierte. Dann zog sie mit ihrer Familie in eine Bieler Vorortsgemeinde. Auch die Mutter politisierte in einem Gemeinderat. Aber während sich Judith Schmid mehr und mehr nach links aussen bewegte, mässigten sich ihre Eltern eher. Es setzt heute noch hitzige Diskussionen ab. Das persönliche Verhältnis hat allerdings nie darunter gelitten. «Meine Eltern haben sich sehr über meine Wahl gefreut.»

Judith Schmid absolvierte nach dem Gymnasium ein Praktikum auf der Redaktion des «Bieler Tagblatts», studierte dann einige Semester Soziologie und Medienwissenschaften, bestand noch während des Studiums die Prüfung für den Vorkurs der Fachklasse Grafik in Biel – und entschied sich für die Praxis. Mittlerweile hat die bescheiden auftretende Frau, die lieber handelt als redet, der Grafik den Rücken gekehrt. Sie will sich in Richtung Organisationskommunikation umorientieren. Erste Erfahrungen sammelt sie bei einer NGO, die sich international für die Rechte von Frauen einsetzt.