Nach «No Billag»: Was für ein Signal!

Das deutliche Nein zur No-Billag-Initiative stärkt den Service public. In der Diskussion um die Medienzukunft können endlich die richtigen Fragen gestellt werden. Die Verlierer von heute stehen dabei im Abseits.

Foto: SRF

Das Resultat ist eine Wucht: 71,6 Prozent lehnen die No-Billag-Initiative ab. Wer hätte das vor wenigen Monaten gedacht? Die ersten Umfragen zeigten einen deutlichen Vorsprung für die InitiantInnen. Die Wende lässt sich sicher mit dem üblichen Verlauf von Initiativen erklären, die meist besser starten, als sie letztlich abschneiden. Doch diese Erklärung würde den intensiven Diskussionen der letzten Monate nicht gerecht: Was an Podien und in Leserbriefen, in Presseberichten und auf Facebook stattfand, war eine Art Volksuniversität in Sachen Medien.

Wie schon bei der «Durchsetzungsinitiative» trug eine bunte Koalition zur gegenseitigen Aufklärung bei. Zu den GewinnerInnen zählen heute viele: die Grünen, die SP, die Mitteparteien, Gewerkschaften und Kulturschaffende, die Operation Libero wie die Bischofskonferenz. Gewonnen haben aber vor allem die rund 6000 MitarbeiterInnen der SRG sowie der lokalen Fernseh- und Radiostationen, die um ihren Job fürchten mussten und dabei nur selten die Nerven verloren.

Medienförderung stärken

Entgegen der Absicht der InitiantInnen geht die SRG gestärkt aus der Abstimmung hervor. Der grosse Sukkurs aus der Bevölkerung ist kein Auftrag zum Abbau, sondern bestenfalls zur Veränderung der SRG. Im neuen Mediengesetz sollte man ihr im Internet wohl eher mehr statt weniger Spielraum verschaffen, um ein junges Publikum zu erreichen. Zu wünschen wäre auch, dass im Programm die urbane und migrantische Schweiz stärker abgebildet werden. Viele, die heute die SRG gerettet haben, werden im Programm kaum repräsentiert.

Besonders ärgerlich an «No Billag» war, dass die Initiative mitten in der Medienkrise eine funktionierende Institution radikal infrage stellte. Nun bietet sich endlich die Chance, die tatsächlichen Probleme der Medien in den Blick zu bekommen. Diese liegen bei den privaten Medien mit ihren massiven Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Wie der unabhängige Journalismus gestärkt, die Regionalpresse gefördert, die Nachrichtenagentur SDA gesichert werden und wie eine gemeinwirtschaftliche digitale Infrastruktur entstehen kann: Das sind die Fragen der Zukunft.

Die grossen Verlierer

Im Abseits stehen bei dieser Diskussion die Verlierer des heutigen Tages, allen voran die privaten Verleger mit Tamedia-Präsident Pietro Supino an der Spitze. Ihr Kleinkrieg gegen die SRG hat sich als kontraproduktiv erwiesen, die späte und kleinlaute Parolenfassung gegen «No Billag» wirkte nur noch opportunistisch.

Überhaupt sollte man nicht vergessen, wer alles die Segel aufgespannt hatte, um von einer Abschaffung der SRG zu profitieren, und dabei vergeblich auf den Wind wartete. Da war Christoph Blocher, bekanntlich auch er ein Medienunternehmer. Angesichts der Umfragen wollte er dann doch lieber kein Geld für die Kampagne sprechen. Da war Eric Gujer, Chefredaktor der NZZ, der die SRG als «Staatsmedien» titulierte. Auch von ihm hörte man später nichts mehr. Oder schliesslich Roger Köppel, der das heutige Radio in den Kontext des «Volksempfängers» aus der Nazizeit stellte. Diese Woche wird er in Zürich Stephen Bannon empfangen, den Fake-News-Lieferanten von Donald Trump. Köppel wollte in die Politik und hat sich in eine bizarre Parallelwelt verirrt: Viel Glück bei der Suche nach dem Notausgang.

Gemeinsam statt einsam

Die No-Billag-Initiative war im Kern ein hochideologisches Projekt. Die jungen rechtslibertären InitiantInnen wählten die SRG nur als Beispiel, um staatlich finanzierte Institutionen grundsätzlich infrage zu stellen. Sie wurden dabei nicht müde, an den Egoismus zu appellieren: Man zahle doch nicht für etwas, was man nicht selbst konsumiere. Das wuchtige Nein ist eine Absage an diesen schnöden Egoismus: Eine Mehrheit der BürgerInnen will auch in Zukunft kollektiv finanzierte Institutionen, weil häufig erst diese die Freiheit des Einzelnen garantieren. Das gilt auch für die kommenden Auseinandersetzungen um den Service public, etwa beim öffentlichen Verkehr, und die Sozialversicherungen. In diesem Sinn sollte die Linke auch die berechtigte Kritik an den Billag-Gebühren erneut zum Thema machen: Sie würden besser proportional zum Einkommen statt pro Haushalt erhoben werden.

Kaum eine Abstimmung in der Schweiz fand in den letzten Jahren im Ausland eine so hohe Beachtung wie «No Billag». Rechtspopulistische Parteien wie die AfD in Deutschland oder die FPÖ in Österreich wollen den öffentlichen Rundfunk beschränken. Das No-Billag-Nein sendet deshalb ein doppeltes Signal nach Europa: Rechten Dummheiten kann man Paroli bieten. Und dem öffentlichen Radio und Fernsehen gehört die Zukunft.