Zukunft der SRG: Die Mär vom Medienmarkt
Klar, die Altersvorsorge. Und gewiss, die Unternehmenssteuern. Aber es gibt noch mindestens ein drittes wichtiges Thema auf der Politagenda. Bloss weil es zum Gähnen klingt, heisst das noch nicht, dass es uns nicht den Schlaf rauben könnte: Das Thema heisst Medienpolitik.
Diesen Herbst beginnt die Diskussion im Parlament, mit dem Bericht des Bundesrats zum medialen Service public. Nächstes Jahr dürfte sich der Ton verschärfen, wenn die Konzession der Schweizerischen Rundfunkgesellschaft (SRG) ausläuft. Um alles oder nichts geht es bei der «No Billag»-Initiative. Eine Abschaffung der Gebührenfinanzierung bedeutete das Ende des öffentlichen Radios und Fernsehens, wie wir es heute kennen.
Letzte Woche nun hat der Bundesrat seinen Service-public-Bericht vorgestellt. Positiv kann man ihn fürs Erste als Bekenntnis zu einer Radio- und Fernsehgesellschaft lesen, die auf die Förderung der Demokratie abzielt. Die SRG soll für ein breites Publikum nicht nur Information senden, sondern auch Bildung, Kultur und Unterhaltung anbieten: für weiterhin 1,2 Milliarden Franken im Jahr, durch Gebühren eingetrieben, sowie für 0,4 Milliarden, durch Werbung eingespielt.
Eine genauere Lektüre des Berichts lässt allerdings vermuten, dass der Bundesrat die heikle Situation nicht begriffen hat oder einfach hofft, dass er sie wegschweigen kann. Zwar will die Regierung in der neuen Konzession festschreiben, dass die Hälfte der Gebühren in die Information fliesst – was schon heute der Fall ist. Auch müsse sich das Programm stärker von den Privatsendern abheben – an der Werbung als Treiber der Kommerzialisierung will man jedoch festhalten. Vermehrt sollen Junge und MigrantInnen angesprochen werden – doch zur Herausforderung der Digitalisierung bleibt der Bericht vage. Der Service public könnte künftig auch über reine Onlineangebote bestritten werden. Mit einem neuen Mediengesetz will der Bundesrat die Form klären – irgendwann in den kommenden Jahren, wenn Google und Co. längst neue Standards gesetzt haben dürften.
Der Bundesrat zementiert den Status quo der SRG und damit auch ihre Unbeweglichkeit und Selbstgefälligkeit. Darauf dürften die KritikerInnen nur gewartet haben. Sie sind im Parlament stark wie nie, auch bei der CVP, der politischen Statthalterin der SRG. Ihr neuer Parteipräsident ist Mitautor des Buchs «Weniger Staat, mehr Fernsehen». Der darin skizzierte Plan mag für rechtslibertäre TräumerInnen, die an die Rettung der Welt durch Start-ups glauben, verlockend klingen. Die SRG soll auf ihre Informationsfunktion beschränkt werden. Den Rest soll der freie Markt richten. Die Wirklichkeit dürfte sich härter anfühlen: Filetierung der SRG zugunsten der privaten Verlage, Schleifung der bislang anständigen Arbeitsbedingungen bei Radio und Fernsehen, Einflussnahme durch rechtspopulistische Mäzene.
Wer des Glaubens ist, man könne die Medien von der Vorstellung eines freien Markts aus definieren, ist ideologisch verblendet. Denn zu beobachten ist in der Schweiz kein Markt, sondern höchstens seine fortschreitende Konzentration: Nicht nur die SRG ist Quasimonopolistin – angesichts der Marktmacht der Tamedia in der Westschweiz mit über sechzig Prozent sieht es in der Presse kaum besser aus. Dass weder die privaten Verlage noch der Bund an eine saubere Trennung von Markt und Staat glauben, zeigt die gemeinsame Gründung des Werbevermarkters Admeira durch die SRG, Ringier und Swisscom.
Besser wäre es deshalb, die kommende Debatte vom demokratischen Bedürfnis der Leserinnen und Zuschauer aus zu führen: Auf welche Informationen sind wir künftig angewiesen, um uns eine eigene Meinung zu bilden? Wie lassen sich diese finanzieren, über welchen Kanal sie auch immer verbreitet werden? Welche Aufsicht braucht es dazu? Solche Fragen öffnen auch den helvetozentrischen Blick: Phänomene wie Donald Trump oder Wladimir Putin, die beide auf ihre Weise die Lüge zur Wahrheit erklären, wären in einem stark demokratisch geprägten Mediensystem kaum denkbar.
Soll noch einer behaupten, Medienpolitik sei zum Einschlafen.