«No Billag»: Der gescheiterte Pionier auf dem Kreuzzug gegen die SRG
Früher war er ein idealistischer Medienpionier, dann wurde er zum libertären Medienzerstörer: Der Zuger Andreas Kleeb ist eine zentrale Figur des No-Billag-Komitees – und kämpft gegen alte Weggefährten.
Mit breitem Lachen und in schwarzer Lederjacke steht der 22-jährige Andreas Kleeb zwischen seinen älteren KollegInnen vom Zuger Regionalfernsehen (ZRF). Das Bild erschien 1984 in den «Luzerner Neusten Nachrichten», die über die PionierInnen berichteten, die es wagten, im kleinen Kanton Zug ein Lokalfernsehen zu etablieren. Kleeb war beim ZRF für die Technik verantwortlich. Von 1984 bis 1986 strahlte das Team monatlich eine Sendung im Kabelnetz aus.
Das ZRF war eines der ersten privaten Regionalfernsehprojekte im deutschsprachigen Raum. Allerdings war der Versuch, einen lokalen Fernsehsender aufzubauen, nicht ganz so privat: Stadt und Kanton Zug bestritten über die Hälfte des Budgets, die FernsehmacherInnen zeigten sich in den Lokalmedien erleichtert, dass sie «dank Finanzierung aus Kulturgeldern ohne Druck von Zuschauerzahlen» arbeiten konnten.
Das Pilotprojekt, in das der junge Kleeb unzählige Stunden unbezahlte Arbeit steckte, scheiterte: an der langfristigen Finanzierung und am fehlenden Interesse der ZugerInnen. Die wirklich wichtigen Ereignisse in der Region bekam man in der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens mit.
«Im Herzen der Volksinitiative»
Aus dem damaligen idealistischen Medienpionier ist heute ein ideologischer Medienzerstörer geworden. Andreas Kleeb ist eine zentrale Figur der No-Billag-Initiative, die am 4. März 2018 zur Abstimmung kommt. Er organisiert im Kampagnenkernteam die Administration und Medienarbeit. Er ist «im Herzen der Volksinitiative angekommen», wie Kleeb selbst sagt.
Der 55-Jährige soll den jungen Wilden Struktur geben, schrieb die «Luzerner Zeitung» kürzlich. Tatsächlich sticht Kleeb innerhalb des Kernteams, das aus dem libertären und staatsfeindlichen Umfeld der Jungen SVP und des Jungfreisinns stammt, mit seinem Alter und Werdegang heraus: Wieso unterstützt der erfolgreiche Geschäftsmann und langjährige Präsident der Zuger FDP die demokratiegefährdende Initiative der libertären Jungspunde, die die SRG-Gebühren – und somit auch die öffentlichen Medien in der heutigen Form – abschaffen wollen?
Kreative Familientradition
Andreas Kleeb stammt aus einer MusikerInnenfamilie, die traditionell der CVP nahe steht. Der Vater leitete lange die Zuger Musikschule, seine Geschwister führen als Pianistin und Grafiker die kreative Familientradition weiter.
Kleeb schlug einen anderen Weg ein. Er studierte in Zürich Wirtschaftsinformatik und stieg bei einem lokalen Büromaterialgeschäft ein. Das verkaufte bald nicht mehr bloss Büroklammern und Klarsichtmäppchen, sondern auch Netzwerklösungen und etablierte sich erfolgreich als Informatikanbieter in der Deutschschweiz. Er habe Mitte der achtziger Jahre, als junger Anwalt, seinen ersten Computer bei Kleeb gekauft, erinnert sich Hanspeter Uster, ehemaliger grün-alternativer Zuger Sicherheitsdirektor. «Er war schon damals ein gewiefter Geschäftsmann. Sein Habitus war bürgerlich, erst später ist er immer weiter nach rechts gerückt.»
Das Bild vom smarten Unternehmer zeichnen viele, die mit ihm zu tun hatten. Kleeb gilt als kumpelhafter Typ, er habe eine gewinnende Art, sagen fast alle. Krawatte trägt er nie.
Heute ist Kleeb Besitzer einer ganzen Firmengruppe. Zur Beelk Group gehören neben Technologieunternehmen auch ein Logistikunternehmen, ein Immobiliengeschäft oder ein Privatflugzeuganbieter. Die Gruppe beschäftigt rund 200 MitarbeiterInnen, zu Umsatz und Gewinnen will sich Kleeb auf Anfrage nicht näher äussern. Vor vier Jahren tauchten zwei Unternehmen aus Kleebs Firmengruppe im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen auf. Es wurde kein Verfahren eingeleitet, an Kleeb blieb nichts hängen.
1990 stieg Kleeb in die Politik ein. Er blieb lange einfaches FDP-Mitglied, ehe ihn seine Partei 2008 zum Kantonalpräsidenten kürte. Kleeb brachte die Zuger FDP 2011 nach acht Jahren Abstinenz zurück in den Nationalrat. Allerdings mit einem Schönheitsfehler: Nicht Kleeb selbst schaffte den Sprung nach Bern, sondern Bruno Pezzatti.
Ausgerechnet in jenem Wahljahr stieg Kleeb – gemeinsam mit einem weiteren Investor – beim privaten Lokalsender Radio Sunshine als Mehrheitsaktionär ein. Damals wurde ihm vorgeworfen, dass er «seinen» Radiosender als Wahlwerbeplattform nutzen wolle. Eine Darstellung, die Kleeb als «haltlose Unterstellung» bezeichnet. Was auch Dani Steigmeier bestätigt, langjähriger Moderator bei Radio Sunshine. Dieser sagt aber auch: «Wir waren überrascht, dass Kleeb uns nach nur einem Jahr wieder verkaufte. Er hatte uns immer versichert, dass das Radio auch für ihn eine Herzensangelegenheit sei.» Aus dem idealistischen Lederjackentechniker war ein knallhart kalkulierender Businessmann geworden.
Vor den nächsten nationalen Parlamentswahlen – 2015 – kam es dann zum Bruch mit der FDP. Die Partei setzte ihn nicht auf die Nationalratsliste. Kleeb trat aus der Partei aus, für die er – darüber sind sich damalige ParteikollegInnen einig – viel geleistet habe.
Weshalb ist Kleeb trotzdem nie in die Nähe eines Mandats gekommen? Eine klare Antwort gibt es keine. «Er ist eine Person mit starken Meinungen, das polarisiert sicherlich», sagt Patrick Mollet, heutiger Stadtzuger FDP-Präsident – und einer der wenigen aus der Partei, der sich zitieren lässt. «Wenn er ein Anliegen unterstützte, zog er das konsequent durch. Dies tat er dann aber als Privatperson und nicht in Abstimmung mit der Partei.» Das kam wahrscheinlich nicht bei allen gut an.
Kleebs politische Karriere endete allerdings nicht mit seinem Austritt aus der FDP Zug. Im Gegenteil.
Keine Rücksicht
Anfang 2014 liest der Unternehmer einen knappen Zeitungsartikel über die geplante No-Billag-Initiative. Das Anliegen überzeugt ihn sofort. «Der Staat hat im Medienbereich auch indirekt nichts verloren, der freie Markt soll es regeln», sagt Kleeb. «Ich will nicht für Inhalte bezahlen, die ich nicht bestellt habe.»
Kleeb meldet sich umgehend bei den InitiantInnen und bietet seine Dienste und sein Wissen an. Er hilft beim Unterschriftensammeln und ist bei der Einreichung Ende 2015 dabei. Während sich ein beträchtlicher Teil des damaligen Initiativkomitees heute nicht mehr voll für die Initiative einsetzt, ist Kleeb immer wichtiger geworden. Sehr zum Bedauern von Joachim Eder. Der Zuger FDP-Ständerat sitzt im Präsidium des überparteilichen Nein-Komitees und ist somit quasi Kleebs höchster politischer Gegner.
Die beiden sind aber auch langjährige Weggefährten. Ohne die kräftige Unterstützung des damaligen Kantonalpräsidenten Kleeb wäre Eder 2011 wohl nicht zum FDP-Ständeratskandidaten gekürt worden. «Wenn Kleeb von etwas überzeugt ist, geht er unbeirrt seinen Weg. So macht er es im Geschäftsleben, wo er damit Erfolg hat. In der Politik ist das nicht immer der erfolgreiche Weg», sagt Eder. Vom hartnäckigen Gerücht, dass Kleeb die No-Billag-Initiative als Profilierungsplattform nutze, um 2019 endlich ein Mandat in Bern zu ergattern, hält Eder wenig.
Kleeb selbst sagt, er habe sich noch nicht entschieden, ob er dann antreten werde. Um Profilierung gehe es ihm beileibe nicht. «Mein Engagement seit 2014 hat nichts mit einer möglichen Kandidatur für was auch immer zu tun.» Der Zuger FDP ist Kleeb inzwischen schon mal wieder beigetreten.