Schluss mit «No Billag»: Zeit für ein Lob aufs Radio

Nr. 8 –

Noch dauert es zehn Tage bis zur Abstimmung über die No-Billag-Initiative, und längst scheint alles gesagt: zur Finanzierung der SRG und zum Plan B des Gewerbeverbands, zur libertären Ideologie hinter der Initiative und ihren allfälligen ProfiteurInnen. Auch alle Fernsehsendungen, von der «Arena» bis zu «Glanz & Gloria», wurden verhandelt, in der Lauberhornabfahrt konnte der grösste gemeinsame Nenner gefunden werden.

Einzelne Argumente der BefürworterInnen klingen auch in der ständigen Wiederholung nicht klüger, besonders ihr Lieblingsargument: «Ich bezahle doch nicht für etwas, das ich nicht konsumiere.» Nur über etwas wurde kaum gesprochen, das in der Schweiz täglich 5,9 Millionen Menschen konsumieren, von denen über zwei Drittel die mit Billag-Gebühren unterstützten Sender einschalten: das Radio. Letzte Gelegenheit für ein Lob!

Natürlich muss es mit dem «Echo der Zeit» beginnen, das täglich mit hochstehenden Beiträgen die Schweiz mit der Welt verbindet – noch unentbehrlicher geworden, seit die NZZ wieder so steif und ideologisch geworden ist. Natürlich sind die «Regionaljournale» zu erwähnen – die erst recht von demokratiepolitischer Bedeutung sind, seit es in den meisten Landesteilen nur noch eine Monopolzeitung gibt. Immer besser wird auch «SRF 4 News», das jede Newsplattform sowohl in der Schnelligkeit wie in der Vertiefung übertrifft.

Meine heimliche Lieblingssendung heisst aber noch immer «Morgenstund hat Gold im Mund». Jeden Werktag kräht um Viertel vor acht auf SRF 1 ein Hahn, und es folgen drei Fragen an einen Kandidaten, eine Kandidatin. Die Sendung läuft seit 1986, und gerade weil sie so simpel ist, bringt sie alles zusammen, was öffentliche Medien ausmacht: Sie schafft einen Raum, in dem gemeinsame Themen verhandelt werden. Der Wettbewerb ist nicht so wichtig, es gibt nur ein paar «Happy Day»-Lose zu gewinnen. Dafür erfährt man etwas über die Leute im Land.

Diese Woche konnte man zum Beispiel mit einem Möbelhändler im Aussendienst aus dem Emmental mitfiebern, der als neues Hobby das Golfen probiert. Die Runde am Montag meisterte er souverän. Doch am Dienstag – der Möbelhändler war gerade unterwegs zum Flughafen, um den Chef abzuholen – scheiterte er. Er wusste nicht, wie viele Idiome das Rätoromanische hat. Ich hätte die Antwort auch nicht gewusst und gab dem Kandidaten einen imaginären Gruss. Öffentlichkeit gibt es nicht, man kann sie sich immer nur vorstellen, vielleicht gerade auf diese Weise.

Zu den Vorzügen der Radioprogramme der SRG gehört, dass sie nicht von Werbung unterbrochen werden. Von Billag-Gebühren profitieren auch 21 Lokalradios, darunter nichtkommerzielle Sender wie Radio LoRa in Zürich, Kanal K im Aargau, RaSa in Schaffhausen, Radio Stadtfilter in Winterthur, 3fach in Luzern, RaBe in Bern, Toxic.fm in St. Gallen oder Radio X in Basel: eine vielfältige, urbane Medienwelt, in der auch migrantische Stimmen zu Wort kommen und lokale Bands gespielt werden.

Bei allem Lob möchte ich doch noch eine Bitte anbringen. Es wäre schön, wenn sich bei den SRG-Sendern die Musikauswahl endlich verbesserte und der Kulturbegriff politischer würde. Das leider allzu berufsjugendliche «Virus» und das immer noch etwas zu bildungsbürgerliche «SRF Kultur» müssten fusionieren, zu einem Sender wie FM4 in Österreich: politkulturell hellwach und im Zweifel immer für abseitigen, innovativen Sound.

Über Neuerungen lohnt sich durchaus nachzudenken, gehört doch dem Radio auch im Netzzeitalter die Zukunft. Das zeigt gerade die zweite Podcastwelle, die über Apps wie Podbean auf den Smartphones eintrifft. Grossreportagen wie von «This American Life» sind so unterhaltsam wie Netflix-Serien und haben erst noch den Vorteil, dass man sie nebenher hören kann.

Die No-Billag-Initiative stellt die denkbar falscheste Frage in der Medienkrise. Während die Presse dringend neue Finanzierungsformen braucht, setzt sie mit dem öffentlichen Rundfunk eine funktionierende Institution aufs Spiel. Eine wuchtige Ablehnung stärkt auch die Radiostationen: damit der Hahn weiterhin pünktlich um Viertel vor acht kräht.