Durch die Nacht mit Techniker Jürg Fischer: Schnurgerade auf der Landepiste
Nachts, wenn auf den Schweizer Flughäfen Flugverbot gilt, kontrolliert Jürg Fischer die Antennensysteme – einmal im Monat auch in Kloten. Manchmal läuft ihm dabei ein Fuchs über den Weg.

Es ist bereits nach Mitternacht, als der ersehnte Funkspruch aus dem Tower des Flughafens Kloten kommt. Die Landepiste ist frei. Endlich kann der Flugsicherungstechniker Jürg Fischer das sogenannte Instrumentenlandesystem kontrollieren. Auf dem Londoner Flughafen Heathrow war tagsüber ein unbesetztes Flugzeug abgebrannt. Das wirbelte die internationalen Flugpläne durcheinander. Auch in Kloten waren noch bis weit nach 23 Uhr fast im Minutentakt Flugzeuge gelandet.
«Ich arbeite seit einem Vierteljahrhundert auf dem Flughafen, da bringt mich so was nicht mehr aus der Fassung», sagt Fischer und steigt in einen gelben Kastenwagen voller Messgeräte. Dann heult der Motor auf, ein Lichtkegel erfasst ein Stück Wiese, auf dem Autodach fährt brummend eine Antenne aus.
Immer zwei Lotsen
Der 56-jährige Zürcher ist ein ruhiger Typ, der selten mehr sagt als nötig. Die einzige kleine Extravaganz: ein goldener Ohrring. Fischer ist bei der Skyguide AG angestellt, die in der Schweiz den zivilen und auch den militärischen Luftverkehr sichert. So ist er neben Kloten auch auf Pisten in Dübendorf, Belp, Lugano, Altenrhein oder Emmen in Aktion. Auftraggeber ist der Bund, der 99,9 Prozent der Aktien besitzt. Skyguide ist heute ein Unternehmen mit 1400 MitarbeiterInnen und einem Umsatz von 440 Millionen Franken. Haupteinnahmequelle sind Gebühren, die die zivilen Fluggesellschaften für die Flugsicherungsdienste zahlen.
Die Flugsicherung ist ein komplexes Feld; allein der Schweizer Luftraum verzeichnet jährlich über eine Million Flüge. FlugpassagierInnen nehmen kaum Kenntnis davon, die Kommunikation und die Prozesse laufen im Hintergrund ab. Vor elf Jahren jedoch katapultierte eine Tragödie Skyguide weltweit in die Schlagzeilen: In Überlingen am Bodensee kollidierten ein Passagier- und ein Frachtflugzeug in 11 000 Metern Höhe. 71 Menschen starben, darunter 49 Kinder. In jener Nacht waren zwar zwei Lotsen im Tower anwesend, aber nur einer hatte auch kontrolliert, der andere befand sich gerade in einer Essenspause. Die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen. «Ich sass damals in einem Hotelzimmer in Süddeutschland, wo ich wegen einer Weiterbildung war, und verfolgte ungläubig die Nachrichten im Fernsehen. Es war ein Riesenschock für uns alle», sagt Fischer. Seither seien die Abläufe bei Skyguide immer wieder untersucht und verbessert worden. Mittlerweile sind immer zwei Lotsen vor den Bildschirmen.
Inzwischen hat Fischer die Landepiste erreicht. Sechzig Meter ist sie breit, entsprechend gigantisch wirkt sie. Mit einem Funkgerät meldet er sich bei seinem heutigen Einsatzpartner Robby Müller, der in einem Häuschen etwas abseits der Piste sitzt und von dort aus Kontrollsignale ans Antennensystem schickt.
Es könne losgehen, meldet Fischer. Dann beginnt er, eine fixe Route abzufahren – mit exakt sechzig Stundenkilometern, schnurgerade in der Pistenmitte. Das Messfahrzeug analysiert ein ausgestrahltes Signal auf dieser Piste, ein Laptop zeichnet die Daten auf. «Das ist schon fast hervorragend», murmelt Fischer und bremst ab. «Die Antennen messen haargenau.» Zufrieden überträgt er die Werte in eine Kontrollliste. Dann beginnt er die nächste Route.
Landen dank Antennen
Das Antennensystem übermittelt den PilotInnen radioelektrische Signale, sodass diese im richtigen Winkel und in der Mitte der Piste landen können. Das ist besonders bei schlechten Sichtverhältnissen sehr wichtig. «Einmal stimmten die Messdaten bei der Kontrolle nicht überein», erzählt Fischer. Sie seien die Routen mehrfach gefahren, aber die Abweichung blieb. «Es war uns ein Rätsel, bis wir herausgefunden haben, dass ein Baukran die Signale reflektierte – eine wichtige Erkenntnis.»
Einmal im Monat kontrolliert Skyguide das Antennensystem an den drei Landepisten auf dem Flughafen Kloten. Immer nachts, wenn keine Flugzeuge landen. Fischer mag diese Nachtdienste. «Sie tragen zur Abwechslung bei. Ausserdem ist der Donnerstagnachmittag vor dem Dienst frei», sagt der ehemalige Radio- und TV-Elektriker. Die Umstellung bereite ihm keine Mühe, er brauche auch keine Thermoskanne Kaffee, um wach zu bleiben.
Geändert habe sich an der Arbeit wenig, sie hätten schon früh Computer für die Kontrollen verwendet. «Aber früher war der Flughafen ein richtiger Zoo. Rehe, Füchse, Hasen, alles tummelte sich im weitläufigen Gelände. Sogar einen Fasan habe ich mal entdeckt.» Und noch etwas habe sich verändert: Die Kontrollen am Eingang des Flughafengeländes seien viel aufwendiger und komplizierter geworden.
Fischer kann sich gut vorstellen, bis zu seiner Pensionierung bei Skyguide zu bleiben. «Die Arbeit ist vielfältig, und ich komme viel herum, wir kontrollieren neben Kloten ja noch dreizehn weitere Flughäfen», sagt er.
«Alles in Ordnung», meldet er und verlässt die Landepiste.