Franca «Die asexuelle Community hat eine grosse Affinität zur BDSM-Szene»

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Illustration von Giulia Spagnulo: vier Menschen sitzen im BDSM-Outfit an einem Tisch
Illustration: Giulia Spagnulo

29 ist ein hartes Alter für Leute, die sich eine langfristige monogame Partnerschaft, vielleicht sogar Kinder wünschen, sich diesen Wunsch aber nicht erfüllen können – wegen Personalmangel. So erzählt es Franca: «Viele Leute in meinem Umfeld heiraten, haben schon Kinder – das ist deprimierend.» Wenn sie darüber nachdenke, gerate sie in eine Psychospirale. «Wieso nicht ich?», frage sie sich dann. Dabei kennt sie die Antwort ja eigentlich, zumindest einen Teil davon: «Weil bei mir alles etwas anders funktioniert.»

Viele Jahre ist es her, dass Franca ihre erste Beziehung hatte. Sie hielt nicht lange. Sich zu küssen, sei schön gewesen. «Aber als ich mir vorstellte, wie er sein T-Shirt auszieht, wurde mir schlecht.» Schockiert von dieser Erkenntnis, habe sie die Beziehung nach wenigen Wochen beendet – «Problem gelöst».

«Anders»: In Francas Fall heisst das, dass sie sich im asexuellen Spektrum befindet. Genauer: Sie ist demisexuell. «Für mich wird sexuelle Anziehung erst möglich, wenn schon eine tiefe emotionale Verbindung besteht.» Lange habe sie gedacht, sie sei einfach prüde – oder sexuell noch nicht ganz entwickelt. Wer wusste vor zehn Jahren und mit unter zwanzig schon, was das asexuelle Spektrum ist?

Der Weg zur Erkenntnis und zu neuem Selbstbewusstsein sei lang gewesen. Ein entscheidender Moment: als sie gemerkt habe, dass viele andere regelmässig jemanden auf der Strasse ins Auge fassten, den oder die sie sofort attraktiv fänden; bei denen es «klick» mache. Bei Franca hat es noch nie «klick» gemacht. «Wenn ich mit Freundinnen darüber redete, dass eine Schauspielerin ‹hot› sei, meinten wir völlig verschiedene Dinge.»

Inzwischen ist mehr Klarheit in Francas Leben; einen Partner oder eine Partnerin – Franca ist bisexuell – hat sie aber noch nicht. Dafür umso mehr nahe Freund:innen. «Mit ihnen erfülle ich mir viele Bedürfnisse, die für andere vielleicht Teil einer romantischen Beziehung sind.» Sie verbringt viel Zeit mit ihnen, reist mit ihnen in die Ferien, investiert Energie: «So teile ich viel emotionale Intimität.»

So schön diese Beziehungen auch sein mögen – als Single, sagt sie, fehle ihr etwas in ihrem Leben. Zwar hatte sie seit ihrem ersten Freund noch weitere Beziehungen, die letzte ist jetzt aber schon länger her. «Und bei mir dauert es viel, viel länger, bis ich wieder mit jemand Neuem auf diese Ebene gelange.» Anders als bei den meisten Leuten in ihrem Umfeld. Diese laden vielleicht eine Dating-App herunter, scrollen durch die Optionen, treffen jemanden ein paar Mal zum Sex – wer weiss, vielleicht passts. Für Franca funktioniert das so nicht. Erst wenn sie sich angefreundet hat, jemandem über Wochen oder Monate hinweg näherkommt, spürt sie, ob für sie allenfalls auch eine romantische und sexuelle Beziehung infrage kommt.

Franca wünscht sich eine Ehe: eine Hochzeit, zu der ihr ganzes Umfeld antanzt. Eine Beziehung, die davon lebt, dass beide dasselbe Verständnis von dieser Beziehung haben – und dieses auch nach aussen in die Welt tragen. «Das ist eine so romantische Vorstellung, das würde mich so glücklich machen.» Erst im Rahmen einer solchen Beziehung empfände sie genauso wie die Leute ausserhalb des asexuellen Spektrums ein Bedürfnis nach Sex.

Nicht unbedingt aber nach Kuschelsex: In der Community rund um das asexuelle und aromantische Spektrum gebe es eine grosse Affinität zur BDSM-Szene, sagt Franca – und das gelte auch für sie. BDSM steht für Bondage & Discipline, Domination & Submission, Sadism & Masochism. «Spannend ist BDSM unter anderem, weil da ein Setting hergestellt wird, das von Beginn an verhandelbar ist.» Die sehr offenen Gespräche, die Freiheit, Regeln selber festzulegen und abzusprechen – das ermögliche einen anderen, auch kontrollierteren Zugang zu Nähe. Franca nimmt regelmässig an «Bondage Jams» teil, an denen man gegenseitige kunstvolle Fesselungen auf der Basis japanischer Techniken praktiziert. «Gefesselt zu werden, schafft eine Form von Nähe, die sich für mich richtig anfühlen kann.»